15.06.2013

Aktuelles Spielhallenrecht – Teil 2

Glücksspieländerungsstaatsvertrag und Ausführungsgesetze der Länder

Aktuelles Spielhallenrecht – Teil 2

Glücksspieländerungsstaatsvertrag und Ausführungsgesetze der Länder

Unsicherheiten nach dem GlüÄndStV – Wird der Betrieb von Spielhallen ein Glücksspiel? | © banglds - Fotolia
Unsicherheiten nach dem GlüÄndStV – Wird der Betrieb von Spielhallen ein Glücksspiel? | © banglds - Fotolia

Bereits in der Mai-Ausgabe des PUBLICUS hat sich Rechtsanwalt Dr. Reichelt mit den rechtlichen Schwierigkeiten im aktuellen Spielhallenrecht auseinandergesetzt. Dieser Beitrag setzt die Ausführungen fort und beschreibt weitere Neuerungen und Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem GlüÄndStV.

„Außenwerbung“ der Spielstätten

Auch an das äußere Erscheinungsbild von Spielstätten stellt der GlüÄndStV neue Anforderungen. Nach § 26 Abs. 1 GlüÄndStV darf von der äußeren Gestaltung der Spielhalle keine Werbung für den Spielbetrieb oder die in der Spielhalle angebotenen Spiele ausgehen oder durch eine besonders auffällige Gestaltung ein zusätzlicher Anreiz für den Spielbetrieb geschaffen werden (so etwa auch § 4 Abs. 1 des SpielhallenG Berlin, wonach zudem ein Einblick ins Innere der Räumlichkeiten von außen nicht möglich sein darf). Derartige Regelungen finden sich in nunmehr fast allen Spielhallengesetzen der Länder.

Die Übergangsregelung des § 29 Abs. 4 GlüÄndStV beschränkt die „Schonfrist“ für bestehende Unternehmen auf die Regelungen der §§ 24 und 25 GlüÄndStV und greift für die Außenwerbung bestehender Spielstätten insoweit nicht. Bereits heute befinden sich bestehende Spielstätten in Fragen der Außenwerbung daher in rechtlichen Auseinandersetzungen mit kommunalen Behörden. Soweit § 26 Abs. 1 GlüÄndStV und die entsprechenden Spielhallengesetze der Länder eine Werbung für den Spielbetrieb untersagen, muss in Abgrenzung zum weiteren Inhalt der Regelung des § 26 Abs. 1 GlüÄndStV der Hinweis darauf, dass es sich um eine „Spielhalle“ (deren alleiniges „Angebot“ die dort aufgestellten Spielgeräte darstellen) handelt, nur als letztlich „normale“ Werbung betrachtet werden, von der ein „zusätzlicher“ Anreiz für den Spielbetrieb (noch) nicht auszugehen vermag. Wird daher unter Berufung auf den „besonderen Anreiz“ das Wort „Casino“ als Bestandteil der Außenwerbung beanstandet, begegnet eine derartige Untersagung angesichts des „Beschriebs“ der Tätigkeit Bedenken. Selbst wenn das Spielhallengesetz eines Landes (§ 3 Abs. 3 SpielhallenG Schleswig-Holstein) die Bezeichnung „Casino“ in der Außenwerbung konkret untersagt, erscheint dies zumindest dann problematisch, wenn das Wort „Casino“ (wie häufig zu beobachten) Teil der Firmenbezeichnung des Unternehmens ist und daher auch unter Berücksichtigung der (bundesrechtlichen) §§ 15, 17 HGB Schutz genießt.


Der weite Auslegungsspielraum der hier verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe der „besonders auffälligen Gestaltung“ und des „zusätzlichen Anreizes“ wird im Einzelfall durch die Verwaltungsgerichte zu überprüfen sein. Ein nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum steht den Verwaltungsbehörden insoweit nicht zu.

Die mögliche Ahndung von Verstößen in Bußgeldverfahren (etwa § 7 Abs. 1 Nr. 4 SpielhallenG Berlin) stellt weiterhin erhöhte Anforderungen an das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot. Es kann daher angezweifelt werden, ob es ausreicht, dass die genannten Begriffe durch Auslegung (letztlich der Verwaltungsgerichte) bestimmbar sind oder ob nicht aufgrund der Strafbewehrung dem davon betroffenen Spielhallenbetreiber konkreter vor Augen geführt werden muss, wann er von einer Ordnungswidrigkeit seines Verhaltens ausgehen muss. Auch diese Regelungen zur äußeren Gestaltung der Spielhallen stehen in der Praxis nach wie vor unter einem verfassungsrechtlichen „Vorbehalt“.

Kommt es zwischen Verwaltungsbehörde und Spielhallenbetreiber in der Frage der konkreten Gestaltung einer Außenwerbung daher zu unterschiedlichen Auffassungen über die Auslegung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe, sind im Hinblick auf die nicht unerheblichen Kosten von Außenwerbeanlagen verwaltungsgerichtliche Streitigkeiten vorprogrammiert. Statt eine verwaltungsbehördliche Beseitigungsanordnung sogleich mit Sofortvollzug zu versehen und eine Werbeanlage (ggf. auch nach einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO) „vorläufig“ mit dem Risiko von Schadensersatzverpflichtungen im Falle des späteren Unterliegens in der Hauptsache entfernen zu lassen, könnte es sich bis zu einer weiteren Klärung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe durch die Rechtsprechung derzeit empfehlen, Beseitigungsanordnungen (ggf. in Absprache mit dem Spielhallenbetreiber) zunächst ohne Sofortvollzugsanordnung zu erlassen und sich auf die Durchführung des Hauptsacheverfahrens zu beschränken.

Sperrzeiten

§ 26 Abs. 2 GlüÄndStV gibt vor, dass die Länder für Spielhallen Sperrzeiten festzusetzen haben, die drei Stunden nicht unterschreiten dürfen. Diese Mindestsperrzeit schließt es zukünftig aus, selbst bei Vorliegen besonderer örtlicher Verhältnisse oder eines öffentlichen Bedürfnisses Sperrzeitverkürzungen darüber hinaus zu gewähren. Die Übergangsregelung nach § 29 Abs. 4 GlüÄndStV greift auch hier zugunsten bestehender Spielstätten nicht.

Zum Erhalt der wirtschaftlichen Rentabilität beantragen die Betreiber von Mehrfachkonzessionen eine „gestaffelte“ Verteilung der Sperrzeit auf mehrere, in einem räumlichen Zusammenhang betriebene Spielstätten, um jeweils zumindest eine der Spielstätten geöffnet zu halten. Für jede der Spielstätten wird damit die Mindestsperrzeit von drei Stunden eingehalten. Weil derartig „gestaffelte“ Sperrzeitverkürzungsanträge „nicht den Vorgaben des Glücksspielstaatsvertrages entsprechen dürften“ und damit die glücksspielrechtlichen Vorgaben unterlaufen werden könnten, wird empfohlen, „zur Bewertung dieser Frage die nunmehr geltenden Bestimmungen zu den Mindestabständen“ heranzuziehen (so etwa das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport in einem Rundschreiben vom 06. 12. 2012).

Allerdings ist für die Anwendung von Abstandsregelungen auf Mehrfachkonzessionen die Übergangsregelung des § 29 Abs. 4 GlüÄndStV für bestehende Spielstätten zu beachten. Selbst wenn diese Übergangsregelung für die Sperrzeitfestsetzung nach § 26 Abs. 2 GlüÄndStV nicht gilt, würde die Heranziehung von (auf bestehende Spielstätten noch nicht anwendbaren) Abstandsregelungen damit dem Wortlaut der Übergangsregelung zuwiderlaufen. Ein bei der Änderung von Sperrzeiten bestehendes Ermessen der Verwaltungsbehörden ist daher pflichtgemäß auch unter Berücksichtigung der Übergangsregelungen des GlüÄndStV auszuüben.

Übergangsregelung

Besonderen verfassungsrechtlichen Angriffen ausgesetzt sieht sich die in § 29 Abs. 4 S. 2 GlüÄndStV enthaltene Übergangsregelung für Spielstätten, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Staatsvertrages bestehen und für die bis zum 28. 10. 2011 eine Erlaubnis nach § 33 i GewO erteilt worden ist. Diese gelten bis zum Ablauf von fünf Jahren nach Inkrafttreten des Vertrages am 01. 07. 2012 als mit §§ 24 und 25 GlüÄndStV (Mehrfachkonzession, Abstandsregelung) vereinbar. Zur Vermeidung unbilliger Härten kann der fünfjährige Bestandsschutz nach § 29 Abs. 4 S. 3 GlüÄndStV in Einzelfällen verlängert werden.

Bestandsschutz für die Spielstätte unabhängig vom Betreiber?

Nach einem weiteren Urteil des VG Berlin vom 15. 02. 2013 (Az. 4 K 324.12, zitiert nach juris) genießt ein neuer Betreiber für die auf ihn lediglich „umzuschreibende“ Erlaubnis einer vorhandenen Spielstätte keinen Bestandsschutz aus der Übergangsregelung (also bis zum Ablauf des 30. 06. 2017). Vielmehr ist infolge der personellen Veränderung eine neue Erlaubnis zu erteilen, für die sämtliche Regelungen des Spielhallengesetzes, insbesondere die einschränkenden Abstandsregelungen und das Verbot der Mehrfachkonzessionen unmittelbar Anwendung finden. Wie die frühere Erlaubnis nach § 33 i GewO sei die Spielhallenerlaubnis eine an die Person und an die Räume gebundene Erlaubnis. Sie blieben nur solange wirksam, als keine dieser Bezugsgrößen geändert werde (VG Berlin, a. a. O., Rz. 17, zitiert nach juris).

Die Erteilung einer Spielhallenerlaubnis an den Übernehmer einer bereits betriebenen Spielhalle unterscheide sich diesbezüglich nicht von der erstmaligen Erteilung einer Spielhallenerlaubnis für eine neue Spielhalle. Ein fortwährender Schutz setze daher nach seiner einfachrechtlichen Ausgestaltung auch in Anbetracht von Art. 14 GG die Kontinuität von Person und Raum voraus (VG Berlin, a. a. O., Rz. 19, zitiert nach juris; a.A. Odenthal, GewArch 2012, 345, 348; Schneider, GewArch 2011, 457, 462: die Übergangsregelung des § 29 Abs. 4 GlüÄndStV sei spielhallen- und nicht betreiberbezogen, der „Übernehmer“ daher im Bestand geschützt). Der „Übernehmer“ der Spielstätte muss daher seinen Betrieb mangels Erlaubnisfähigkeit nach neuem Recht voraussichtlich schließen.

Übergangszeitraum von fünf Jahren angemessen?

Nach den in den anhängigen Verfassungsbeschwerden eingereichten Untersuchungen sollen nach Ablauf der Übergangsregelung rund 80 % aller am Markt befindlichen Spielstätten geschlossen werden. Es verwundert daher nicht, dass die Übergangsfrist eine der Hauptangriffspunkte ist.

Nach Auffassung des BVerfG steht die Festlegung einer angemessenen Übergangsfrist grundsätzlich im Ermessen des Gesetzgebers, der hierüber nach Sachlage des Einzelfalles zu entscheiden hat (vgl. BVerfGE 116, 96, 134). Die Betroffenen müssen aufgrund der Bemessung der Übergangszeit in der Lage sein, ihre Lebensführung auf die geänderte Rechtslage einzustellen (BVerfGE 116, 96, 133 f.). Die zeitliche Übergangsregelung muss unter Berücksichtigung von Art. 14 Abs. 1 GG so ausgestaltet sein, dass dem Betroffenen eine Erwirtschaftung des Verkehrswerts der beeinträchtigten Eigentumsposition ermöglicht wird (so Jahndorf/Pichler, GewArch 2012, 377, 379). Der Betroffene soll innerhalb der Übergangsfrist in der Lage sein, entweder die Substanz seiner geschützten Rechtsposition zu verwerten (Veräußerung) oder daraus Nutzungen und Früchte zu ziehen, die dem Wert der Substanz entsprechen (vgl. Jahndorf/Pichler, a. a. O.). Die Übergangsfrist wäre daher wenigstens so lang zu bemessen, dass das Eigentum zumindest durch Abnutzung innerhalb dieser Frist typischerweise verwertet werden kann. Wäre eine Amortisation der getätigten Investitionen in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle nicht möglich, müsste die Frist als nicht angemessen angesehen werden (vgl. Jahndorf/Pichler, a. a. O., S. 380). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass längere Übergangsfristen gefordert sind, wenn eine entzogene Eigentumsposition etwa der Alterssicherung dient.

Die insoweit dem Gesetzgeber bei der Amortisationsdauer eingeräumte sog. Einschätzungsprärogative geht zwar notwendigerweise von Schätzungen aus, weil der Gesetzgeber den Lebenssachverhalt nicht nach den konkreten Bedingungen eines Einzelfalles, sondern abstrakt und generell zu regeln hat, bedarf aber gleichwohl einer verlässlichen tatsächlichen Grundlage (ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. etwa BVerfGE 88, 203, 254, 265 f.; E 94, 115, 141). Gerade aber hieran werden aktuell Zweifel geäußert:

Ungeklärt bleibt in diesem Zusammengang insbesondere die Frage, inwieweit die Übergangsregelung auch etwa die Amortisation der für den Betrieb der Spielstätten eigens errichteten Gebäude oder den Abschluss von Gewerbemietverträgen mit Festlaufzeiten von zehn Jahren und mehr als typische Fallgestaltungen im Rahmen des Betriebs von Spielstätten berücksichtigt (kritisch hierzu etwa Schneider, GewArch 2011, 457, 460 f.; Jahndorf/Pichler a.a.O., S. 377, 381). Gerade die Frage der Kündbarkeit eines Gewerbemietvertrages mit Festlaufzeit allein aus Gründen der Änderung öffentlich-rechtlicher Vorschriften ist höchst umstritten, zumal Gewerbemietverträge häufig die Erteilung einer Erlaubnis für die konkrete Nutzung in den Risikobereich des Mieters verlagern. Es ist daher nicht auszuschließen, dass nach Ablauf der Übergangsregelungen auch erhebliche weitergehende Forderungen auf die Betreiber von Spielstätten aus abgeschlossenen, gleichwohl aber nicht mehr „nutzbaren“ Mietverträgen zukommen.

Neben der Frage eines ausreichenden Amortisationszeitraumes als Grundlage für die Übergangsregelung bleibt auch zu beachten, dass weder der GlüÄndStV noch die Spielhallengesetze die Frage beantworten, welche der innerhalb eines Gebäudekomplexes oder innerhalb einer anzuwendenden Abstandsregelung vorhandenen Spielstätten zu schließen ist. Liegen derzeit hierzu keine Aussagen vor, kann sich der Betroffene schwerlich auf diesen Zeitpunkt hinreichend einrichten.

Resümee

Die angesprochenen Entscheidungen des VG Berlin verdienen im Hinblick auf die noch in vielen Bereichen ungeklärten Fragen des aktuellen Spielhallenrechts unzweifelhaft Beachtung. Es wäre aber verfrüht, sie als Maßstab für jegliches Verwaltungshandeln heranzuziehen. Nicht nur für die in den Urteilen konkret herangezogenen Normen, sondern auch in dort nicht behandelten Fragen des aktuellen Spielhallenrechts bestehen nach wie vor Unsicherheiten insbesondere in verfassungsrechtlicher Hinsicht, deren abschließende Klärung den Verfassungsgerichten der Länder und dem BVerfG vorbehalten bleibt. Hierauf dürfte auch bei der Umsetzung von Normen im aktuellen Verwaltungshandeln angemessen Rücksicht zu nehmen sein.

 
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