15.06.2013

The answer isn’t always blowing …

… in the wind: Planungsrecht gibt Rahmen für Windenergieanlagen

The answer isn’t always blowing …

… in the wind: Planungsrecht gibt Rahmen für Windenergieanlagen

Städtebauliche Verträge können Entwicklungs- und Ordnungsfunktion der Bauleitplanung nicht ersetzen. | © papa - Fotolia
Städtebauliche Verträge können Entwicklungs- und Ordnungsfunktion der Bauleitplanung nicht ersetzen. | © papa - Fotolia

Warum städtebauliche Verträge allein nicht ausreichen

Die Planung und Errichtung von Windenergieanlagen macht eine Reihe von Vorüberlegungen zur Standortsicherung notwendig. Zunächst muss über den Erwerb geeigneter Flächen und die Erwerbsform (Eigentum/Bestellung von Erbbaurechten) Einigkeit erzielt werden. Gegebenenfalls müssen – alternativ oder zusätzlich – Pacht-, Nutzungs- und Gestattungsverträge abgeschlossen werden.

Hierbei sind vielfach auch Nachbarschaftsvereinbarungen und Regelungen über Baulasten (zum Beispiel zu Abstandsflächen und Immissionen) mit gegebenenfalls grundbuchlicher Absicherung notwendig. Neben den grundstücksrechtlichen Fragen, die sich auch bei der Vorbereitung des Verkaufs von Windparks stellen, ist auch Wert auf die Gestaltung der Eigentumssituation vor dem Hintergrund möglicher Sicherungsabtretungen zur Absicherung von Krediten zu legen.

Öffentlich-rechtlich sind die Genehmigungsbedürftigkeit der Anlagen nach BImSchG sowie die planungsrechtliche Zulässigkeit nach dem BauGB von den Beteiligten zu prüfen. Bereits über den Flächennutzungsplan kommen der Gemeinde vielfältige planungsrechtliche Steuerungsmöglichkeiten zu. So kann die Ansiedlung von Windenergieanlagen außerhalb festgesetzter Konzentrationszonen gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB verhindert werden. Das gesamte Gemeindegebiet kann jedoch nicht von Windenergieanlagen freigehalten werden; der vollständige Ausschluss von Windenergieanlagen ist rechtswidrig. Andererseits besteht aber auch keine Pflicht der Gemeinde, den Bau von Windenergieanlagen aktiv zu fördern. Soll dann nach dem Willen der Gemeinde beispielsweise ein Sondergebiet Windkraft im Bebauungsplan ausgewiesen werden, ermöglicht dies der Gemeinde eine Feinsteuerung der Windenergienutzung. Eine Feinsteuerung liegt insbesondere in der Möglichkeit der Festsetzung von Baugrenzen, die den Abstand der Anlagen untereinander und damit mittelbar auch die Anzahl der zulässigen Windenergieanlagen regeln. Nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 BauGB (Baurecht auf Zeit) besteht zudem die Möglichkeit, aufschiebend bedingtes Baurecht zur Steuerung eines möglichen Repowering zu schaffen. Um Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 2a BauGB für Abstandsflächen vorzusehen und für die Reduzierung von Abstandsflächen zwischen einzelnen Anlagen ist ein solcher Bebauungsplan ebenfalls zwingend erforderlich.


Entscheidung des OVG Niedersachsen

Das OVG Niedersachsen hat in einem Urteil vom 08. 03. 2012 (12 LB 244/10, IBR 2012, 1196 mit Anm. Pützenbacher) festgestellt, dass eine rein vertragliche Regelung über die Feinsteuerung der Windenergienutzung, die beispielsweise die Anzahl und Lage der einzelnen Windenergieanlagen definiert, nicht ausreicht, die Bauleitplanung im Wege eines Bebauungsplans völlig zu ersetzen.

In dem entschiedenen Fall hatte eine Stadt mit einem Windenergieunternehmen einen städtebaulichen Vertrag über die Errichtung von drei Windenergieanlagen geschlossen. In dem Vertrag haben die Parteien vereinbart, dass die Inanspruchnahme des Standorts durch das Windenergieunternehmen keiner verbindlichen Bauleitplanung durch die Stadt bedürfe. Ferner haben die Parteien den Ausschluss der Errichtung weiterer Anlagen im Gemeindegebiet durch das Windenergieunternehmen oder durch Dritte auf den im Flächennutzungsplan der Stadt als Vorrangflächen zur Nutzung von Windenergie ausgewiesenen Flächen geregelt. Die drei Windenergieanlagen wurden nach Abschluss des Vertrages genehmigt und kurz darauf auf den Grundstücken, die das Windenergieunternehmen angepachtet hatte, errichtet. Die Parteien haben später aus dem städtebaulichen Vertrag über Vertragsstrafenansprüche gestritten. Das Windenergieunternehmen berief sich auf die Unwirksamkeit des städtebaulichen Vertrages. Nach Auffassung des OVG Niedersachsen war der städtebauliche Vertrag unwirksam. Regelungsgegenstand des Vertrags waren Belange, die nicht auf dem hier konkret begangenen Weg in zulässiger Weise allein durch vertragliche Vereinbarung geregelt werden konnten. Die Stadt hat ihre Entwicklungs- und Ordnungsvorstellungen für das betreffende Gebiet anstelle eines Bebauungsplans allein mit vertraglichen Mitteln zu erfüllen versucht. Hierdurch hat sie sich den in einem Planungsverfahren bestehenden Anforderungen entzogen. Der von der Stadt intendierte Interessenausgleich konnte insofern nicht angemessen in der vertraglich vorgesehenen Weise erzielt werden. Der städtebauliche Vertrag verstieß deshalb gegen den Grundsatz der Planmäßigkeit. Es war überhaupt kein Bebauungsplan erlassen worden, den ein städtebaulicher Vertrag hätte flankieren können. Vielmehr hatten die Parteien ihre Auffassung dargelegt, dass die planerische Konzeption der Stadt für die Inanspruchnahme der Flächen zur Windenergienutzung durch den Vertrag als gesichert angesehen werde.

Grundsatz: Bebauungsplan notwendig

Städtebauliche Verträge dürfen nicht an die Stelle der Entwicklungs- und Ordnungsfunktion der Bauleitplanung treten; sie dürfen die Bauleitplanung nicht zu einer lediglich formalen Hülle werden lassen. Städtebauliche Entwicklungs- und Ordnungsvorstellungen dürfen auch nicht allein mit Mitteln des Privatrechts erfüllt werden. Zudem ist durch die hier getroffene vertragliche Regelung keine Konfliktbewältigung entstanden, denn der städtebauliche Vertrag wirkt grundsätzlich nur zwischen den Vertragsparteien. Um jedoch einen möglichen Ausschluss weiterer Windenergieanlagen planerisch wirksam zu regeln, hätte es einer Feinsteuerung durch Bebauungsplan bedurft.

Kein „bebauungsplanersetzender“ Vertrag

In der Praxis ist der Abschluss städtebaulicher Verträge zwischen Windenergieunternehmen und Städten und Gemeinden durchaus üblich. Das OVG Niedersachen hat klargestellt, dass eine solche Feinsteuerung durch einen Vertrag aber nur dann erfolgen kann, wenn der Vertrag die Bauleitplanung flankiert und damit die Planungsvorstellungen der Kommune konkretisiert bzw. modifiziert. Ein städtebaulicher Vertrag als alleiniges Mittel der Planung kann jedoch die verbindliche Bauleitplanung nicht ersetzen. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung der Obergerichte. Im Jahre 2009 hat der VGH Baden-Württemberg (BauR 2010, 753) bereits die Unzulässigkeit von Baulasten mit „bebauungsplanersetzender“ Wirkung festgestellt. Entsprechende Verträge sind mit der Ausgestaltung des Rechts der Bauleitplanung unvereinbar, vor allem in Bezug auf das Abwägungsgebot, die Beteiligung der Öffentlichkeit und der Träger öffentlicher Belange und den Satzungscharakter des Bauplanungsrechts, der Dritten Rechtsschutzmöglichkeiten sichert. Wenn also eine Gemeinde die Errichtung von Windenergieanlagen steuern möchte, namentlich etwa durch Höhenbegrenzungen, die Festlegung der Zahl der Windenergieanlagen, der Anlagenstandorte sowie der Bestimmungen hinsichtlich der äußeren Gestaltung der Trägertürme oder der Rotoren, ist sie zwingend auf das Planungsinstrument des Bebauungsplans zu verweisen.

 

Prof. Dr. Stefan Pützenbacher, Notar

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Kanzlei Kapellmann und Partner, Frankfurt am Main; Honorarprofessor für Baurecht an der Frankfurt University of Applied Sciences
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