15.05.2013

Aktuelles Spielhallenrecht – Teil 1

Glücksspieländerungsstaatsvertrag und Ausführungsgesetze der Länder

Aktuelles Spielhallenrecht – Teil 1

Glücksspieländerungsstaatsvertrag und Ausführungsgesetze der Länder

Die Situation für die Erteilung neuer Spielhallenerlaubnisse hat sich einschneidend verändert. | © photosoup - Fotolia
Die Situation für die Erteilung neuer Spielhallenerlaubnisse hat sich einschneidend verändert. | © photosoup - Fotolia

Nach Inkrafttreten des 1. Glücksspieländerungsstaatsvertrages (GlüÄndStV) zwischen den einzelnen Bundesländern (mit Ausnahme zunächst von Schleswig-Holstein) zum 01. 07. 2012 hat sich die Situation für die Erteilung neuer Spielhallenerlaubnisse nach Maßgabe des bisherigen § 33i GewO im gesamten Bundesgebiet einschneidend verändert. Neben den Bundesländern Berlin, Bremen und Schleswig-Holstein, die bereits vor Unterzeichnung des GlüÄndStV durch die Bundesländer eigene Spielhallengesetze aufgrund der nach der Föderalismusreform geänderten Kompetenzregelung im Grundgesetz (Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. 08. 2006, BGBl. I, 2034) erlassen hatten, sind nunmehr auch in den anderen Bundesländern eigene Spielhallengesetze bzw. Ausführungsgesetze zum GlüÄndStV in Kraft getreten.

Dieser Beitrag, der in der nächsten Ausgabe fortgesetzt wird, setzt sich mit den noch in vielen Bereichen ungeklärten Fragen des aktuellen Spielhallenrechts auseinander. Ausgangspunkt ist dabei eine Entscheidung des VG Berlin, die einige beachtliche Punkte aufzeigt.

Verwaltungsgerichtliche Entscheidungen aus Berlin

Über sämtliche Bundesländer hinweg bleiben die vom GlüÄndStV vorgegebenen und in den Ausführungs- bzw. Spielhallengesetzen der Länder umgesetzten Regelungen hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit Verfassungs- und Europarecht umstritten. Beim Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin sind ebenso wie beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerden gegen das Spielhallengesetz Berlin vom 20. 05. 2011 anhängig, ohne dass bislang darüber entschieden wurde. Mit Interesse wurde daher auf die jüngsten Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Berlin geblickt, die sich erstmals mit den auch im GlüÄndStV vorgegebenen Regelungen des Berliner Spielhallengesetzes in aktuellen Erlaubnisverfahren auseinandersetzen.


In seinem Urteil vom 15. 02. 2013 hat das VG Berlin in einem Verfahren auf erstmalige Erteilung einer Spielhallenerlaubnis für mehrere Spielhallen in einem sog. „Spielhallenkomplex“ die Regelungen des Spielhallengesetzes Berlin insbesondere zum Verbot von Mehrfachkonzessionen und zu den Mindestabständen zwischen Spielhallen als verfassungsgemäß angesehen (VG Berlin, Urt. v. 15. 02. 2013 – 4 K 344.12 –, zitiert nach juris; ähnlich bereits vor Inkrafttreten des GlüÄndStV das VG Bremen, Beschl. v. 02. 09. 2011 – 5 V 514/11 –, zitiert nach juris).

Gleichwohl bleibt der sich aus der Entscheidung selbst ergebende beschränkte Aussagegehalt zu beachten. Zwar erachtet das VG Berlin die von ihm angewendeten Normen des Spielhallengesetzes als nicht kompetenzwidrig (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG) zustande gekommen, andererseits beschränkt sich das VG Berlin in der grundrechtlichen Prüfung (a. a. O., Rz. 20, zitiert nach juris) des Verbots von Mehrfachkonzessionen ohne weitergehende Auseinandersetzung auf eine Vergleichbarkeit mit der vom Bundesverfassungsgericht im Jahre 1987 für verfassungsgemäß erklärten Begrenzung der Zahl von Geldspielgeräten in Spielhallen (BVerfG, Beschl. v. 27. 03. 1987, 1 BvR 850/86 u. a., NVwZ-RR 1987, 0167).

Das VG Berlin hatte überdies nur über die Neuerteilung von Spielhallenerlaubnissen zu entscheiden, so dass auch die Frage der Anwendbarkeit auf bestehende Spielstätten entsprechend der Übergangsregelung des § 29 Abs. 4 GlüÄndStV (in der Regel 5 Jahre) von der Entscheidung nicht erfasst wird (a. a. O., Rz. 39, zitiert nach juris). Darüber hinaus klammert das VG auch die Frage aus, ob Regelungen etwa zu Einzelheiten des äußeren Erscheinungsbilds verfassungswidrig sind (a. a. O.), weil sie im konkreten Fall nicht entscheidungserheblich waren.

Diese „Beschränkung“ des Aussagegehalts gibt Anlass dazu, einige in der Praxis besonders virulente Regelungsinhalte der Ausführungs- und Spielhallengesetze einer gesonderten Betrachtung zu unterziehen.

Wichtige Neuregelungen der Spielhallengesetze der Länder

In der Genehmigungspraxis dürften derzeit insbesondere das Verbot von Mehrfachkonzessionen, die Abstandsregelung zu bestehenden Spielstätten, die Fragen der Außenwerbung und der Sperrzeiten für Spielstätten von besonderem Interesse sein. Darüber hinaus sind aber auch die Übergangsregelungen für bestehende Spielstätten kritisch zu hinterfragen.

Mehrfachkonzessionen

In jüngerer Zeit sind vermehrt sog. „Spielhallenkomplexe“ entstanden, die in einem einheitlichen Gebäude mehrere Spielhallen beherbergen. Für jede dieser dort angesiedelten Spielhallen war bislang eine entsprechende Erlaubnis nach § 33i GewO zu erteilen. Voraussetzung für die selbständige Erlaubnisfähigkeit einer Spielhalle war nach der Rechtsprechung deren „räumlich-organisatorische“ und auch „optische Sonderung“ von der jeweils benachbarten Betriebsstätte. Gefordert war insofern, dass „bei natürlicher Betrachtungsweise die Sonderung der einzelnen Betriebsstätte optisch in Erscheinung tritt und die Betriebsfähigkeit jeder Betriebsstätte nicht durch die Schließung der anderen Betriebsstätte beeinträchtigt wird“ (so etwa BVerwG, Urt. v. 27. 03. 1990 – 1 C 47.88 –, Rz. 12, zitiert nach juris.).

Nunmehr statuiert § 25 Abs. 2 GlüÄndStV ein Verbot von Mehrfachkonzessionen: Die Erteilung einer Erlaubnis für eine Spielhalle, die in einem baulichen Verbund mit weiteren Spielhallen steht, insbesondere in einem gemeinsamen Gebäude oder Gebäudekomplex untergebracht ist, wird danach ausgeschlossen (so auch § 2 Abs. 1 S. 2 SpielhallenG Berlin). Im Ergebnis kann daher pro Gebäude nur noch eine Spielstätte zugelassen werden. Ein „baulicher Verbund“ im Sinne dieser Regelung besteht selbst dann, wenn es sich lediglich um die in einem gemeinsamen Gebäude oder Gebäudekomplex untergebrachten Spielstätten auch unterschiedlicher Spielhallenbetreiber ohne konkrete bauliche Verbindung zwischen den einzelnen Spielstätten handelt.

Wenngleich das VG Berlin in seiner Entscheidung vom 15. 02. 2013 von einer Kompetenz des Landes zum Erlass der Regelung des § 2 Abs. 1 S. 2 SpielhallenG Berlin (Verbot von Mehrfachkonzessionen) ausgegangen ist, beschränkt sich die dort vorgenommene kompetenzrechtliche Überprüfung auf die vorrangig diskutierte Frage der Reichweite des Rechts der Spielhallen nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG (VG Berlin, Urt. v. 15. 02. 2013 – 4 K 344.12 –, Rz. 19, zitiert nach juris, mit detaillierten Hinweisen zum Streitstand). Eine Auseinandersetzung mit dem der Gesetzgebungskompetenz des Bundes unterliegenden Bauplanungsrecht und eine eventuell dadurch in der Frage des Verbotes von Mehrfachkonzessionen ausgelöste Sperrwirkung findet im Urteil nicht statt (wohl aber zur Abstandsregelung, dazu siehe unten).

Verhinderung von Spielhallenkomplexen

Zur (bauplanungsrechtlichen) Verhinderung von Spielhallenkomplexen steht allerdings auch das Instrumentarium der § 9 Abs. 1, 2a BauGB, § 1 Abs. 5, 9 BauNVO zur Verfügung. Sieht man hierin eine abschließende Regelung, hätte der Bund von seiner konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit nach Artikel 74 Abs. 1 Nr. 18 GG (Bauplanungsrecht als Teil der Bodenordnung) Gebrauch gemacht (und will davon auch weiterhin Gebrauch machen, siehe BauGB-Novelle 2012: weitere Beschränkungen für Spielhallen nach § 9 Abs. 2 b). Eine eigene Gesetzgebungskompetenz der Länder wäre dann nicht mehr gegeben.

Der bauplanungsrechtliche Bezug des Verbots von Mehrfachkonzessionen wird in der Praxis der Verwaltungsgerichte deutlich. So wird in baugenehmigungsrechtlichen Streitverfahren um die Zulässigkeit von Spielstätten auf die bodenrechtliche Relevanz der (eigentlich) gewerberechtlichen Regelungen zu Mehrfachkonzessionen hingewiesen und derartige Regelungen in diesen Verfahren bereits streitentscheidend zur Anwendung gebracht. Die Versagung einer Baugenehmigung oder eines Vorbescheids für eine Mehrfachkonzession oder eine Spielstätte innerhalb der landesspezifischen Abstandsregelungen machen deutlich, dass der planungsrechtliche Gehalt dieser Regelungen der Spielhallengesetze nicht von der Hand zu weisen ist. Sowohl das Verbot von Mehrfachkonzessionen als auch die nachstehend noch zu behandelnden Abstandsregelungen gewährleisten gerade eine Verteilung von Nutzungsarten in einem entsprechenden Baugebiet. Darüber hinaus stellen Abstandsregelungen geradezu „klassische“ Instrumente des Bauplanungsrechts dar.

Eine Sperrwirkung für den Landesgesetzgeber aus dem Bauplanungsrecht erscheint daher nicht ausgeschlossen. Dieser dürfte sich darüber auch nicht durch Normen hinwegsetzen, die lediglich in das „Recht der Spielhallen“ gekleidet sind. Die Entscheidung der Verfassungsgerichte bleibt hierzu noch abzuwarten.

Berufswahlbeschränkung durch Verbot der Mehrfachkonzession?

Das VG Berlin sieht im Verbot von Mehrfachkonzessionen (und den Abstandsregelungen) keine Grundrechtsverletzung. Eine darin liegende Berufsausübungsregelung sei durch eine vernünftige Erwägung des Gemeinwohls (Bekämpfung von Spielsucht) vor Art. 12 Abs. 1 GG gerechtfertigt (a. a. O., Rz. 20, zitiert nach juris). Allerdings führen das Verbot von Mehrfachkonzessionen und die Abstandsregelungen nach den Berechnungen der Verbände der Automatenindustrie zu einer massiven Reduzierung der Spielhallen, beispielhaft in Berlin auf 12,5 % des Bestands. Nach Ablauf der Übergangsregelungen (dazu noch nachstehend) für derzeit betriebene Spielstätten werden viele von ihnen zur Betriebsaufgabe gezwungen sein.

Diese (mit den Regelungen letztlich wohl auch angestrebten) massiven Auswirkungen legen aber die Frage nahe, ob diese Regelungen nicht vielmehr wie eine objektive Berufswahlbeschränkung wirken. Auch eine Norm in Gestalt einer Ausübungsregelung (also ohne konkrete Regelung der Zulassung zu einem Beruf) kann eine objektive Berufswahlbeschränkung darstellen, wenn sie ebenso gravierende Auswirkungen hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14. 10. 2008 – 1 BvR 921/08 –, NVwZ 2008, 1338, 1340). Ginge man hiervon aus, genügt die vom VG Berlin herangezogene „vernünftige Erwägung des Allgemeinwohls“ den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne nicht, weil die objektive Berufswahlbeschränkung zur Abwehr „nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut zwingend geboten“ sein müsste. Der durch das Verbot der Mehrfachkonzessionen (insbesondere auch im Zusammenwirken mit den Abstandsregelungen) bewirkte Eingriff könnte daher nach Gewicht und Ausmaß völlig außer Verhältnis zum etwaigen Nutzen stehen („Stufentheorie“, vgl. BVerfG, Urt. v. 10. 06. 1958 – 1 BvR 596/56 –, BVerfGE 7, 377 ff.).

Auch diese Frage wird daher zukünftig von den damit befassten Verfassungsgerichten noch zu beantworten sein.

Abstandsregelungen

In Umsetzung des § 25 Abs. 1 GlüÄndStV legen die Spielhallengesetze der Länder nun erstmals fest, dass zwischen Spielhallen ein „Mindestabstand“ einzuhalten ist, der grundsätzlich zwischen 100 m und 500 m betragen soll (Ausnahmen nach oben oder unten sind teilweise kommunalen Verordnungen vorbehalten).

Das VG Berlin setzt sich in diesem Zusammenhang auch mit der gesetzgeberischen „Konkurrenz“ zum Bodenrecht (siehe oben) auseinander (a. a. O., Rz. 24, zitiert nach juris). Nach Auffassung des VG Berlin reiche es für die Gesetzgebungskompetenz des Landes aus, wenn die vom Landesgesetzgeber getroffene Regelung „nicht nur“ bodenrechtliche Bezüge aufweise, sondern im Sinne der Bekämpfung von Spielsucht eine polizeirechtliche und damit landesgesetzliche Erwägung beinhalte. Demgegenüber greift nach der Rechtsprechung des BVerwG die Sperrwirkung des Bauplanungsrechts allerdings auch dann, wenn mit der Abstandsregelung eine bodenrechtliche Regelung zumindest mittelbar verfolgt wird (BVerwG, Beschl. v. 31. 05. 2005 – 4 B 14/05 –, Rz. 7, zitiert nach juris). Ein „Risikopotential“ für die Verweigerung von Spielhallenkonzessionen bleibt demnach auch hier bestehen.

Ergänzend zu den generellen Abstandsregelungen legen die Spielhallengesetze der Länder – wie etwa beispielhaft § 2 Abs. 1 S. 4 Spielhallengesetz Berlin – zudem fest, dass Spielhallen nicht in räumlicher Nähe von Einrichtungen für Kinder und Jugendliche betrieben werden sollen. Insoweit äußert selbst das VG Berlin in der angesprochenen Entscheidung Zweifel, ob diese Regelung der hinreichenden Bestimmtheit genügt (a. a. O., Rz. 37, zitiert nach juris). In der angesprochenen Entscheidung konnte das VG Berlin diese Fragen mangels Entscheidungsrelevanz dahinstehen lassen.

Hinweis der Redaktion: Der Beitrag wird in der nächsten PUBLICUS-Ausgabe fortgesetzt. Es werden dabei im Zusammenhang mit den Schwierigkeiten im aktuellen Spielhallenrecht die Aspekte „Außenwerbung“, Sperrzeiten, Bestandsschutz sowie die Angemessenheit des Übergangszeitraums beleuchtet.

 
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