15.05.2013

Wetterradar und Windenergieanlagen

Nimmt der Wetterdienst der Energiewende den Wind aus den Segeln?

Wetterradar und Windenergieanlagen

Nimmt der Wetterdienst der Energiewende den Wind aus den Segeln?

Eine mögliche Hürde für den Bau von Windkraftanlagen: Wetterradarstationen. | © Günni - Fotolia
Eine mögliche Hürde für den Bau von Windkraftanlagen: Wetterradarstationen. | © Günni - Fotolia

Beim Ausbau der Windenergie sind zahlreiche Hürden zu überspringen. Betroffen hiervon sind sowohl die Planungsträger für Vorranggebiete als auch Kommunen, die in ihren Flächennutzungsplänen Konzentrationszonen für Windenergieanlagen ausweisen und nicht zuletzt potenzielle Anlagenbetreiber im Rahmen der aufwendigen Genehmigungsverfahren. Insbesondere die Anforderungen des Naturschutz- und Artenschutzrechts führen zu einem hohen Prüf- und Untersuchungsaufwand. Daneben gehören aber auch militärische Tiefflugzonen und Radaranlagen zu den häufigsten Aspekten, die geplanten Windenergieanlagen Probleme bereiten können. Zuletzt rückt zunehmend der Deutsche Wetterdienst in den Fokus, wenn es darum geht, dass Windenergieanlagen in der Nähe von Wetterradarstationen errichtet werden sollen.

Bundesweit 17 Radarstationen

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) ist eine dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung unterstellte Anstalt öffentlichen Rechts. Seine Aufgabe ist es insbesondere, das Klima in Deutschland zu überwachen und vor wetterbedingten Gefahren zu warnen. Dazu unterhält der DWD bundesweit 17 Radarstationen. Sollen Windenergieanlagen in einem bestimmten Umkreis um eine solche Radarstation errichtet werden, befürchtet der DWD Beeinträchtigungen der Messergebnisse aufgrund von Abschattungen und Fehlechos. Vor diesem Hintergrund veröffentlichte der DWD erstmals im September 2011 „Informationen zur Errichtung von Windenergieanlagen im Nahbereich der Messsysteme des Deutschen Wetterdienstes“, welche aktuell mit Revisionsstand 1.4 vom 23. 01. 2013 vorliegen (abrufbar unter http://www.energieatlas.bayern.de/file/pdf/944). Darin stützt sich der DWD bei der Bewertung des Einflusses von Windenergieanlagen auf Radarsysteme auf die Richtlinien und Beschlüsse der Weltorganisation für Meteorologie (WMO). Danach wird gefordert, dass ein Umkreis von 5 km um Wetterradarstationen generell frei von Windenergieanlagen gehalten werden muss. In einem Umkreis von 15 km sollen abgestufte Höhenbeschränkungen eingehalten werden. Im Einzelnen lassen sich die jeweiligen Beschränkungen für die 17 bundesweiten Radaranlagen der Informationsbroschüre des DWD entnehmen (dort Tabelle 1 auf Seite 6).

Bedeutung für Planungs- und Genehmigungsverfahren

Die Errichtung von Windenergieanlagen ist im Außenbereich gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB privilegiert zulässig, sofern keine öffentlichen Belange entgegenstehen. Als öffentlicher Belang kommt nach § 35 Abs. 3 Nr. 8 BauGB eine Störung der Funktionsfähigkeit von Radaranlagen in Betracht. Aus diesem Grund ist der DWD als Träger öffentlicher Belange in etwaigen Planungs- sowie Genehmigungsverfahren für die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen zu beteiligen. Für Baden-Württemberg heißt es beispielsweise im Windenergieerlass vom 09. 05. 2012 unter Ziff. 4.7 ausdrücklich:


„Befinden sich Flächen für Windenergieanlagen im Umkreisradius von 15 km um die Wetterradarstationen des Deutschen Wetterdiensts in Türkheim oder auf dem Feldberg, ist der Deutsche Wetterdienst im Planverfahren zu beteiligen.“

Wichtig ist dabei jedoch, dass weder die Richtlinien der WMO noch die vom DWD verbreiteten Abstandsvorgaben Rechtsnormen sind. Behörden und Gerichte sind daher nicht an die Beurteilung des DWD gebunden. Dieser trägt vielmehr in jedem Einzelfall die volle Beweislast dafür, dass seine Radarstationen durch die geplante Windenergieanlage unzumutbar beeinträchtigt würden. Speziell zu Wetterradarstationen sind insoweit noch keinerlei gerichtliche Entscheidungen bekannt. Interessant ist allerdings ein Beschluss des OVG Lüneburg vom 13. 04. 2011 (Az.: 12 ME 8/11), in dem es um den vergleichbaren Fall einer Radaranlage zur Luftverteidigung ging. Bei der Prüfung, ob eine Windenergieanlage die Radarstation beeinträchtigt, geht das Gericht darin zweistufig vor (ebenso VG Oldenburg, Urteil vom 04.09.2012, Az.: 1 A 2297/11).

Zunächst hat der Betreiber der Radaranlage nachzuweisen, dass überhaupt eine negative Beeinflussung der Funktionsfähigkeit seiner Radaranlage zu erwarten wäre. Das Gericht kann in vollem Umfang überprüfen, ob ihm diese Darlegung seitens des Radarbetreibers genügt.

Erst wenn eine Beeinträchtigung festgestellt ist, stellt sich auf zweiter Stufe die Frage, ob diese Beeinträchtigung für den Radarbetreiber zumutbar ist. Im Hinblick auf die Luftverteidigung billigte das OVG Lüneburg den Streitkräften insoweit einen „verteidigungspolitischen Spielraum“ zu, der vom Gericht nur auf Plausibilität überprüft werden könne (vgl. dazu auch OVG Bautzen, Urteil vom 03.07.2012, Az.: 4 B 808/06). Ob dies gleichermaßen auf Wetterradarstationen übertragbar ist, kann bezweifelt werden. Die Abstandsvorgaben des DWD sind aber jedenfalls noch kein Beweis für eine Beeinträchtigung im Einzelfall.

Wie sich aus dieser Prüfungsfolge ergibt, führt also nicht schon jede Beeinträchtigung einer Radarstation zur Unzulässigkeit des Vorhabens. Erforderlich ist stets eine Abwägung im Einzelfall, wobei insbesondere die Schwere der Beeinträchtigung, die Möglichkeit von Alternativstandorten, aber auch die grundsätzliche Privilegierung von Windenergieanlagen durch den Gesetzgeber einzubeziehen sind. Die Berücksichtigung starrer Schutzgrenzen um Radaranlagen erscheint dabei aus praktischer Sicht nicht immer plausibel. So wird ein großer Windpark unmittelbar hinter einer solchen Grenze kaum weniger beeinträchtigend sein als ein kleines Windrad unmittelbar vor der Abstandsgrenze.

Möglichkeiten zur Konfliktlösung

Geht es im Einzelfall darum, ob eine Beeinträchtigung von Wetterradaranlagen noch zumutbar ist, so stellt sich die Frage nach möglichen Verhandlungs- und Gestaltungsspielräumen. Nach den Veröffentlichungen des DWD kann davon ausgegangen werden, dass dieser dem Bau von Windenergieanlagen innerhalb eines Umkreises von 5 km um eine Radaranlage in keinem Fall zustimmen wird – vorbehaltlich freilich des durch den DWD zu erbringenden Beweises für eine Beeinträchtigung. Im Umkreis zwischen 5 km und 15 km hat der DWD jedoch erkennen lassen, dass auch aus seiner Sicht unter Umständen Ausnahmen von seinen Abstandsgrenzen möglich sind. In diesem Fall bietet es sich für potenzielle Anlagenbetreiber an, frühzeitig mit dem DWD ins Gespräch zu kommen. So kann gegebenenfalls abgeklärt werden, unter welchen Umständen der DWD seine Zustimmung erteilen würde, wodurch sich gerichtliche Streitigkeiten vermeiden lassen. Sind mehrere Anlagen geplant, kann etwa die Änderung deren räumlicher Anordnung weiterhelfen.

Im Übrigen sind reflexionsdämpfende Maßnahmen an der Windenergieanlage zur Verringerung einer Beeinträchtigung der Radarstationen wohl allenfalls sehr eingeschränkt möglich. Bekannt geworden sind hingegen einzelne Fälle, in denen sich der DWD zu einer Verlegung seiner Radarstationen bereit erklärt oder dies jedenfalls erwogen hat. Daran wäre insbesondere zu denken, wenn eine Radarstation andernfalls ein großes zur Windenergienutzung geeignetes Gebiet komplett blockieren würde.

Sofern eine Genehmigung allein wegen der Verweigerung der Zustimmung des DWD versagt wird, empfiehlt es sich stets, diese Entscheidung kritisch zu hinterfragen. Die Darlegungs- und Beweislast für die Störung der Funktionsfähigkeit der Radaranlage liegt beim DWD, ein bloßer Verweis auf Abstandsvorgaben in Richtlinien der WMO reicht insoweit nicht aus.

 

Verena Rösner

Rechtsanwältin und Partnerin, Menold Bezler Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Stuttgart
 

Alexander Häcker

Rechtsanwalt, Menold Bezler Rechtsanwälte Partnerschaft, Stuttgart
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