15.05.2013

Energieversorgung vielfältig gestalten

Energiewende: Die Kunden werden größeren Einfluss haben als bisher

Energieversorgung vielfältig gestalten

Energiewende: Die Kunden werden größeren Einfluss haben als bisher

Durch den Umbau des Erzeugungsmixes wird das Fundament der klassischen Energieversorgung in Frage gestellt. | © Markus Mainka - Fotolia
Durch den Umbau des Erzeugungsmixes wird das Fundament der klassischen Energieversorgung in Frage gestellt. | © Markus Mainka - Fotolia

Energiewende ist mehr als nur der Ausstieg aus der Atomkraft und der Umstieg auf Erneuerbare Energien. Dieser Vorgang der „Dekarbonisierung“ beschreibt lediglich einen Bereich der energiewirtschaftlichen Wertschöpfung, nämlich den der Stromerzeugung. Eine nachhaltige Energieversorgung betrifft aber auch die Gas- und Wärmeversorgung sowie die Antriebsenergie für Fahrzeuge. Darüber hinaus wäre es zu eng, im Strombereich die Energiewende auf die Wertschöpfungsstufe der Erzeugung zu reduzieren: Auch der Stromtransport auf Übertragungs- und Verteilnetzebene, der Vertrieb sowie die energienahen Dienstleistungen (z. B. Stichwort „Smart Metering“) unterliegen derzeit einem schnellen Wandel. Übertragungsnetze werden ausgebaut, und Verteilnetze werden „steuerbar“ gemacht. Es werden Technologien weiterentwickelt, die die Energieeffizienz steigern und den Energieverbrauch senken.

Aus der Sicht der Versorger mag der Umbau der Erzeugung die Hauptaufgabe sein, verbunden mit dem Ausbau der Netze. Aus Unternehmenssicht steht hingegen die Eigenerzeugung oft weniger im Fokus. Hier erreicht die Energiewende die Kunden vor allem in Gestalt der Stromrechnung. Als Energierechtler führt man seinen Mandanten derzeit wie ein Steuerberater durch einen Dschungel von Begünstigungen und Befreiungen: Sondertatbestände insbesondere für die stromintensive Industrie bestehen in Bezug auf Netzentgelte, die EEG-Umlage und die Stromsteuer. Einen Teil dieser Vergünstigungen stellt die EU-Kommission mittlerweile unter beihilferechtlichen Gesichtspunkten auf den Prüfstand (hier droht sogar Rückabwicklung). Seit einigen Jahren überrascht der Gesetzgeber die Branche in kürzester Schlagzahl mit Neuregelungen.

Gesetze werden mit heißer Nadel gestrickt, und Politiker streiten sich darüber, ob man einen Masterplan für die Energiewende benötige oder nicht. All dies verkürzt die Zeiträume, für die ein Rest von Planungssicherheit besteht.


Im englischen Sprachraum wird Energiewende oft mit „Energy Revolution“ beschrieben. Dies trifft es besser. Denn durch den Umbau des Erzeugungsmixes wird das Fundament der klassischen, leitungsgebundenen Energieversorgung in Frage gestellt. Durch den Einsatz von Stromspeichern, kombiniert mit dezentraler Erzeugung, werden dezentrale, unabhängige Versorgungslösungen machbar. Folge davon ist, dass Unternehmen ihre Kosten nicht mehr nur über die Neuverhandlung von Energielieferverträgen optimieren können, sondern insbesondere auch über ein „dargebotsabhängiges“, flexibles Verbrauchsverhalten sowie über die Steigerung ihrer Energieeffizienz. Sollte in den nächsten Jahren eine solche Entwicklung im Massengeschäft – vor allem im Segment der Haushaltskunden – stattfinden, könnte dies dazu führen, dass die bisher geltenden Umlagesysteme zur Finanzierung von Netzen und Erzeugungsanlagen in Frage gestellt werden. So ist es nicht nur denkbar, dass es verstärkt zu erzeugungs- und lastabhängigen Differenzierungen bei Preisen und Netzentgelten kommt. Auch könnte der Grundsatz aufgebrochen werden, dass allein die Kunden den Ausbau der Netze über die Netzentgelte und den Ausbau der Erneuerbaren über die EEG-Umlage bezahlen.

Eine Energieversorgung der Zukunft zu gestalten, die gemäß dem Ziel des Energiewirtschaftsgesetzes nicht nur möglichst umweltverträglich, sondern auch noch möglichst preisgünstig und sicher ist, wird daher die wahre Herausforderung der Energiewende sein. Jedenfalls werden die Kunden – weil ihr Verhalten zählt – einen viel größeren Einfluss auf die Gestaltung der Energieversorgung haben als im bisherigen System.

 

Dr. Sabine Schulte-Beckhausen

Rechtsanwältin, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten, Köln
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