15.12.2011

Zweckverbandsorgane im Fokus

Die Haftung des Verwaltungsrats eines Zweckverbandes

Zweckverbandsorgane im Fokus

Die Haftung des Verwaltungsrats eines Zweckverbandes

Verwaltungsrat und Aufsichtsrat sind nicht vergleichbar. | © unpict - Fotolia
Verwaltungsrat und Aufsichtsrat sind nicht vergleichbar. | © unpict - Fotolia

Haftungsfälle bei Unternehmen mit Beteiligung der öffentlichen Hand betreffen meist Vorstände, Geschäftsführer und Aufsichtsräte von Kapitalgesellschaften. Zweckverbände sind bislang weitgehend unbeachtet. In der Praxis gibt es Anhaltspunkte dafür, dass auch hier mit Haftungsfällen zu rechnen ist. Ein Verbandsvorsitzender ist vom Sächsischen Oberverwaltungsgericht in Bautzen bereits zum Schadensersatz in Höhe von mehr als 750.000 Euro verurteilt worden (SächsOVG, Beschl. v. 15. 02. 2006, Az. 4 B 952/04). Dieser Trend zur Inanspruchnahme von Zweckverbandsorganen wird sich nach Einschätzung der Verfasser des Beitrags fortsetzen. Dies betrifft auch den Verwaltungsrat (so die sächsische Bezeichnung), dessen Haftung im Folgenden erläutert wird (ausführlich: Ziche/Wehnert, DÖV 2011, 310).

Anwendung der §§ 116, 93 AktG analog?

Das Zweckverbandsrecht der Länder enthält keine Haftungsnormen für Verwaltungsräte. Daher verweisen einige Literaturstimmen pauschal auf die für Aufsichtsräte von Kapital-gesellschaften geltenden Regelungen der §§ 116, 93 AktG. Dann würde zu Lasten der Verwaltungsratsmitglieder eine Beweislastumkehr hinsichtlich des Vorliegens einer Pflichtverletzung und des Verschuldens eingreifen. Ob die Geltung dieses Haftungsregimes für Verwaltungsratsmitglieder gerechtfertigt ist, hängt davon ab, ob die Voraussetzungen einer Analogie vorliegen. Dies ist jedenfalls hinsichtlich der Vergleichbarkeit der Interessenlage abzulehnen. Der Verwaltungsrat besitzt nicht dieselbe Mächtigkeit wie ein Aufsichtsrat. Regelmäßig obliegt dem Verwaltungsrat eine nur beschränkte Überwachungspflicht. Zudem fehlen ihm vergleichbare Instrumentarien.

Allgemeine Überwachungspflicht?

Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsleitung zu überwachen, § 111 AktG. Dies beinhaltet eine umfassende vergangenheitsbezogene und zukunftsgerichtete Kontrolle des Geschäftsverlaufs und der Amtsführung. Bei Verwaltungsräten hingegen ist das Bestehen einer Überwachungspflicht nicht selbstverständlich. Im Gesetz ist hierzu nichts geregelt, so dass es auf die jeweilige Satzung ankommt. Das Spektrum reicht von der Zuweisung bloß vorbereitender Tätigkeiten über eine reine Beratungsfunktion bis hin zu einer allgemeinen Überwachungspflicht. Meistens ist der Verwaltungsrat zur Entscheidung in den Angelegenheiten berufen, die nicht in die Zuständigkeit des Verbandsvorsitzenden oder der Verbandsversammlung fallen. Oft wird dies durch einen Zuständigkeitskatalog konkretisiert. Bei einer Vorlage muss sich der Verwaltungsrat dann mit der Angelegenheit befassen und die Fakten und Verträge prüfen. Daraus ist eine auf die konkreten Beschlussgegenstände begrenzte Überwachungspflicht zu folgern. Somit unterscheiden sich Verwaltungsrat und Aufsichtsrat bereits regelmäßig hinsichtlich ihrer Funktion voneinander.


Keine vergleichbaren Überwachungsinstrumentarien

Das Gesetz gibt dem Aufsichtsrat zur Erfüllung seiner Aufgabe weitreichende Instrumentarien. Hierzu gehören Informations- und Einsichtsrechte mit korrespondierenden Berichtspflichten der Geschäftsleitung (Letzteres bei der AG zwingend, bei der GmbH bei entsprechender Satzungsgrundlage). Der Aufsichtsrat kann außerhalb der Satzung Zustimmungsvorbehalte hinsichtlich bestimmter Arten von Geschäften vorsehen und somit unmittelbar Einfluss auf die Geschäftsleitung nehmen. Außerdem kann er die Geschäftsleitung abberufen (bei der GmbH außerhalb des MitbestG dann, wenn dies in der Satzung geregelt ist).

Dies ist beim Verwaltungsrat anders. Mangels gesetzlicher Regelungen kommt es auf die Satzung an. Diese enthalten in der Regel keine oder nur wenige Aussagen. Daher ist die Satzung auszulegen. Soweit danach eine Überwachungspflicht – sei es beschränkt oder allgemein – besteht, wird man hieraus zumindest Einsichts- und Auskunftsrechte gegenüber dem Verbandsvorsitzenden herleiten können. Andernfalls wäre Überwachung gar nicht leistbar. Zustimmungsvorbehalte ohne explizite Satzungsgrundlage anzunehmen, ginge hingegen zu weit. Ein Recht zur Abberufung des Verbandsvorsitzenden ist zudem zwingend der Verbandsversammlung vorbehalten. Der Verwaltungsrat ist daher bei bestehendem Dissens mit dem Verbandsvorsitzenden regelmäßig auf seine Überzeugungskraft angewiesen. Ein Recht zur Vorlage an die Verbandsversammlung, die dann über eine strittige Angelegenheit entscheiden muss, kann nur bei entsprechender Satzungsregelung angenommen werden.

Angleichung durch Satzungsregelung?

Aus Vorstehendem folgt, dass der Verwaltungsrat eines Zweckverbandes dem Aufsichtsrat einer Kapitalgesellschaft nicht vergleichbar ist. Eine Angleichung beider Organe durch Satzungsregelung ist schon deshalb nicht möglich, weil das Zweckverbandsrecht dies aufgrund zwingender Zuständigkeiten der Verbandsversammlung (insbes. hinsichtlich der Abberufung des Verbandsvorsitzenden) verbietet. Außerdem ist der Verwaltungsrat nur ehrenamtlich tätig. Zur Sicherung der Rechts- und Zweckmäßigkeit des Handelns des Zweckverbands existiert zudem eine weitere Kontrollinstanz in Form der Rechts- bzw. Fachaufsicht. Es erscheint daher auch unangemessen, beide Organe gleich zu behandeln. Eine analoge Anwendung der §§ 116, 93 AktG ist abzulehnen.

Haftung gemäß § 280 Abs. 1 BGB

Das bedeutet nicht, dass Verwaltungsratsmitglieder bei Verletzung ihrer Pflichten gar nicht haften. Vielmehr ist auf das allgemeine Schuldrecht zurückzugreifen. In Anlehnung an die Rechtsprechung zum Verbandsvorsitzenden eines Zweckverbandes kann § 280 Abs. 1 BGB herangezogen werden. Die hierfür erforderliche öffentlich-rechtliche Sonderbeziehung liegt darin, dass der Verwaltungsrat vergleichbar einem Treuhänder die Interessen der Mitgliedskommunen unabhängig und sachgerecht zu vertreten hat.

Verletzt ein Verwaltungsratsmitglied seine Pflichten, ist im Weiteren zu prüfen, welcher Haftungsmaßstab gilt. Grundsätzlich wäre § 276 BGB anzuwenden. Verwaltungsratsmitglieder hätten danach schon für jede Art der Fahrlässigkeit einzustehen. Nach der hier vertretenen Ansicht ist dieser Haftungsmaßstab jedoch auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu reduzieren. Dies ergibt sich aus Wertungsgesichtspunkten. Für den Verbandsvorsitzenden sehen einige Bundesländer eine Haftungsreduzierung ausdrücklich vor. Sofern dies nicht der Fall ist, wie z. B. im Freistaat Sachsen, wird eine analoge Anwendung der beamtenrechtlichen Vorschriften vertreten. Da das Überwachungsorgan nicht stärker haften kann als der zu überwachende Verbandsvorsitzende, muss die Haftungsbegrenzung auch für den Verwaltungsrat gelten.

Der Zweckverband als Anspruchsteller muss im Prozess die anspruchsbegründenden Tatsachen darlegen und beweisen. Dies gilt wegen der in § 280 Abs. 1 S. 2 BGB geregelten Beweislastumkehr jedoch nicht hinsichtlich des Verschuldens. Das Verwaltungsratsmitglied muss demnach fehlendes Verschulden beweisen.

Kommunalrechtlicher Freistellungsanspruch

Die Freistellungsregelungen für von der Gemeinde entsandte Aufsichtsratsmitglieder der Gemeindeordnungen sind auf Verwaltungsratsmitglieder entsprechend anzuwenden. Praktische Relevanz hat dies nach hiesigem Verständnis jedoch nur bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Verhalten, sofern auf Weisung der betreffenden Mitgliedskommune gehandelt wurde. Dadurch relativieren sich die Risiken der Verwaltungsratstätigkeit weitgehend. Die verbleibenden Risiken können durch den Abschluss einer D&O-Versicherung abgesichert werden. Dies empfiehlt sich vor allem unter dem Aspekt, dass die Haftungsbegrenzung bislang nicht gerichtlich bestätigt ist.

Fazit

Zwischen dem Verwaltungsrat und dem Aufsichtsrat bestehen teils erhebliche Unterschiede. Eine analoge Anwendung der §§ 116, 93 AktG ist daher abzulehnen. Der Zweckverband kann Verwaltungsratsmitglieder jedoch gemäß § 280 Abs. 1 BGB in Anspruch nehmen. Der Haftungsmaßstab ist aus Wertungsgesichtspunkten zu reduzieren. Die Beweislast trägt der Zweckverband. Nur hinsichtlich des Verschuldens muss das Verwaltungsratsmitglied den Entlastungsbeweis führen. Durch Geltung des kommunalrechtlichen Freistellungsanspruchs sind die Risiken für Verwaltungsratsmitglieder relativiert. Dennoch ist der Abschluss einer D&O-Versicherung empfehlenswert.

 

Anita Wehnert

Rechtsanwältin, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft, Dresden
 

Dr. Christian Ziche

Rechtsanwalt, Partner Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Dresden
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