15.12.2011

Meilenstein im Meeresumweltschutz

Die Umsetzung der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie

Meilenstein im Meeresumweltschutz

Die Umsetzung der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie

Der gute Zustand der Meeresgewässer muss erhalten oder hergestellt werden. | © styf - Fotolia
Der gute Zustand der Meeresgewässer muss erhalten oder hergestellt werden. | © styf - Fotolia

Wichtige Änderungen des WHG, BNatSchG, WaStrG

Mit dem am 14. 10. 2011 in Kraft getretenen „Gesetz zur Umsetzung der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie sowie zur Änderung des Bundeswasserstraßengesetzes und des Kreislaufwirtschaftsgesetzes“ vom 06. 10. 2011 (BGBl I S. 1986) wurde der wasserrechtliche Meeresumweltschutz räumlich erheblich erweitert. Galten die wasserrechtlichen Vorschriften bisher nur für Küstengewässer, d. h. das Meer zwischen der Küstenlinie und der seewärtigen Begrenzung des Küstenmeeres, so gelten sie nunmehr auch für Meeresgewässer, d. h. die Gewässer im Bereich der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) und des Festlandssockels. Der Anwendungsbereich des Wasserrechts ist dabei nicht auf das Wasser beschränkt, sondern umfasst auch den Meeresgrund und den Meeresuntergrund. Neben der Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) wurden die bestehenden Regelungen des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) zum Meeresumweltschutz mit Vorschriften über die Beobachtung von Natur und Landschaft und zur Klarstellung im Hinblick auf die nach neuem Wasserrecht aufzustellenden Maßnahmenprogramme ergänzt.

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AwSV

Anlass der beiden Gesetzesänderungen war die Notwendigkeit, die „Richtlinie 2008/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. 06. 2008 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Meeresumwelt“ (Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie, im Folgenden MSRL) umzusetzen. Die Änderung des Bundeswasserstraßengesetzes (WaStrG) dient dagegen dazu, das Wasserstraßenrecht an die Vorgaben des WHG mit seiner Verpflichtung zur Herstellung der Fischdurchgängigkeit anzupassen und die Aufgaben der Wasserstraßenverwaltung (WSV) näher auch in Abgrenzung zu den Aufgaben der Wasserkraftbetreiber an den Staustufen der Bundeswasserstraßen zu konkretisieren. Die Änderung des Kreislaufwirtschaft- und Abfallgesetzes (KrW-/AbfG) umfasst lediglich eine redaktionelle Anpassung an das geänderte Düngerecht und hat nichts gemein mit der am 28. 10. 2011 vom Bundestag beschlossenen Gesetzesänderung zur Einführung eines verbesserten Wertstofferfassungssystems.

Vorgaben der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie

Mit der Umsetzung der MSRL wird ein Meilenstein im deutschen Meeresumweltschutz gesetzt. Die MSRL ist die Umweltsäule der europäischen Meerespolitik. Nach Artikel 1 Absatz 1 MSRL ist Hauptziel, einen Rahmen zu schaffen, innerhalb dessen die Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um bis spätestens 2020 einen guten Zustand der Meeresgewässer zu erreichen oder zu erhalten. Dabei will die MSRL einen Beitrag zur Kohärenz der verschiedenen politischen Maßnahmen, Vereinbarungen und Rechtsetzungsmaßnahmen leisten, die sich auf die Meeresumwelt auswirken. Sie zielt darauf ab, die Berücksichtigung von Umweltbelangen bei diesen Maßnahmen und Vereinbarungen sicherzustellen. Ziel der MSRL ist ein „transparenter und einheitlicher Rechtsrahmen“. Dieser wiederum soll einen „allgemeinem Handlungsrahmen“ zur Verfügung stellen, der die „Koordination, kohärente Gestaltung und angemessene Abstimmung“ mit anderen Maßnahmen der Gemeinschaft sowie internationalen Regelungen ermöglicht.


Der Regelungsanspruch der MSRL ist beschränkt und stellt eher einen ergänzenden gemeinschaftlichen Rechtsrahmen dar, innerhalb dessen existierende gemeinschaftliche und mitgliedstaatliche Schutzmaßnahmen an einem Gesamtziel – dem guten Meeresumweltzustand – ausgerichtet und weiterentwickelt werden sollen oder können. Gemeinschaftliche Schutzmaßnahmen, die ergänzend zum Tragen kommen, ergeben sich vor allem aus der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL). Um das o. g. Gesamtziel der MSRL spätestens bis zum Jahr 2020 zu erreichen, wird den Mitgliedstaaten in Artikel 1 Absatz 1 und 2 MSRL aufgegeben, Meeresstrategien zu entwickeln, die den Schutz und die Erhaltung der Meeresumwelt bezwecken, ihre Verschlechterung verhindern sollen oder die darauf abzielen, dass Schäden an Meeresökosystemen – wo durchführbar – beseitigt werden. Außerdem sollen Einträge in die Meeresumwelt verhindert oder verringert werden.

Überblick über die wesentlichen Änderungen und die Struktur des WHG zur Umsetzung der MSRL

Durch die Umsetzung der MSRL werden erstmals Bestimmungen über Meeresgewässer, die außerhalb der Küstengewässer liegen, in das WHG aufgenommen. Der Begriff der „Meeresgewässer“ wird neben den Begriffen „Oberirdische Gewässer“, „Küstengewässer“ und „Grundwasser“ definiert als „Küstengewässer sowie Gewässer im Bereich der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone und des Festlandsockels, jeweils einschließlich des Meeresgrundes und des Meeresuntergrundes“ (vgl. § 3 Nummer 2 a WHG). Auf die Meeresgewässer finden jedoch nur die allgemeine Verordnungsermächtigung des § 23 WHG und der neu eingefügte Abschnitt 3 a des Kapitels 2 (§§ 45 a bis 45 l WHG) Anwendung. Daneben gelten für Küstengewässer weiterhin die Vorschriften des Kapitels 2 Abschnitt 3 (§§ 43 bis 45 WHG) über die Bewirtschaftung der Küstengewässer. Die Verordnungsermächtigung in § 23 WHG wird auf die Meeresgewässer erweitert und ermöglicht der Bundesregierung damit rein vorsorglich, in Zukunft Verordnungen insbesondere zur Umsetzung von künftigem EU-Recht mit konkretisierenden Anforderungen an Meeresgewässer zu erlassen.

Der neue Abschnitt 3 a des Kapitels 2 (§§ 45 a bis 45 l WHG) des WHG enthält die zur Umsetzung der MSRL erforderlichen Vorschriften. Die Gliederung des Abschnitts 3 a und die Struktur der Regelungen folgen weitgehend der Systematik der MSRL. Dementsprechend sind folgende Verfahrensschritte zur Erreichung der Bewirtschaftungsziele vorgesehen, wobei die nachfolgenden jeweils auf den vorangehenden Verfahrensschritten aufbauen: Anfangsbewertung (§ 45 c WHG), Beschreibung des guten Zustands der Meeresgewässer (§ 45 d WHG), Festlegung von Zielen (§ 45 e WHG), Maßnahmenprogramme (§ 45 h WHG), Überprüfungen und Aktualisierungen (§ 45 j WHG). Ziele sind die Vermeidung einer weiteren Verschlechterung des Zustands der Meeresgewässer und die Erreichung oder Erhaltung eines guten Zustands bis zum 31. 12. 2020. Um diese Ziele zu erreichen, enthält und bekommt das WHG aber kein Instrumentarium für Meeresgewässer außerhalb von Küstengewässern. Anders als für oberirdische Binnengewässer und Küstengewässer enthält das WHG z. B. für direktes Einleiten und Einbringen von Stoffen in der deutschen AWZ auch künftig keine Erlaubnispflicht. Dies erklärt sich aus der Tatsache, dass Stoffe im Wesentlichen entweder über Einleitungen oder Einbringungen in die oberirdischen Binnengewässer und Küstengewässer in die Meere gelangen oder aufgrund von Tätigkeiten, die anderweitig rechtlich geregelt sind. So enthält z. B. die Festlandsockel-Bergverordnung Anforderungen an das Einleiten von Abwasser, an die Sicherheit von Bohrungen und Rohrleitungen bei der Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung von Bodenschätzen im Bereich des Festlandsockels. Für Verunreinigungen des offenen Meeres, die von Schiffen ausgehen, gelten die Bestimmungen des Internationalen Übereinkommens von 1973 zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe in der Fassung des Protokolls von 1978.

Die Vorschriften des neuen Abschnitts 3 a des WHG richten sich ausschließlich an die Behörden und erlauben selbst keine Eingriffe in Rechte des Bürgers. Die §§ 45 a bis 45 l WHG enthalten auch keine Verpflichtung staatlicher oder privater Stellen, den zuständigen Behörden gegenüber Auskünfte zu erteilen, etwa im Rahmen der Anfangsbewertung Informationen über bestimmte Nutzungen der Meeresgewässer mitzuteilen. Soweit auf Grund dieser Vorschriften Eingriffe in die Rechte der Bürger oder Auskunftspflichten erforderlich werden, sind sie auf bestehende anderweitige Rechtsgrundlagen zu stützen.

Überblick über die Änderungen des WaStrG

Nach § 34 Abs. 3 WHG ist die Bundeswasserstraßenverwaltung verpflichtet, die ökologische Durchgängigkeit an Stauanlagen, die von ihr betrieben werden, zu erhalten oder wiederherzustellen. Die im Wasserwirtschaftsrecht erfolgte Aufgabenzuweisung konnte jedoch nicht bewirken, dass die erforderlichen Anlagen oder Gewässer damit Teil der Bundeswasserstraßen werden. Hierzu war eine entsprechende Änderung in § 1 Abs. 4 WaStrG erforderlich, die nunmehr vorgenommen worden ist. Neben dieser Erweiterung des Anwendungsbereichs des WaStrG wurden auch die Vorschriften für den Aus- und Neubau, die Unterhaltung und den Betrieb der für die Herstellung der Durchgängigkeit notwendigen Teile von Bundeswasserstraßen angepasst. Interessant an den Regelungen ist, dass sie nur den Teil der Durchgängigkeit betreffen, der den Fischzug stromaufwärts umfasst, d. h. insbesondere die Herstellung sog. Umgehungsgerinne an Stauanlagen. Für den Fischabstieg und den Fischschutz an in den Stauanlagen eingebauten Wasserkraftanlagen sieht das WaStrG keine Bestimmungen vor. Der Gesetzgeber bringt damit zum Ausdruck, dass dies nicht hoheitliche Aufgabe der WSV ist, sondern Aufgabe der Wasserkraftbetreiber, die diese nach § 35 WHG wahrnehmen müssen.

Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer Verordnung zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen geändert

In PUBLICUS 2011.02  wurde ausführlich ein Referentenentwurf für eine „Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen“ dargestellt, den der BMU zur Anhörung der beteiligten Kreise gemäß § 23 Abs. 2 WHG veröffentlich hatte. Mit der Änderung des WHG hat der Gesetzgeber nunmehr die Ermächtigungsgrundlage zum Erlass dieser Verordnung erneut umfangreich geändert und erweitert. Dies geschah wohl unter dem Eindruck der Anhörungsergebnisse und zur Absicherung der in die Verordnung aufzunehmenden Bestimmungen. Insbesondere für Vorgaben, die sich mit der Planung von Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen beschäftigen sollen, für die Einsetzung einer den BMU beratenden Kommission für wassergefährdende Stoffe, für Pflichten bei Austreten von Stoffen aus der Anlage und für die Möglichkeit der Behörden, dem Betreiber die Einschaltung von Sachverständigen oder Fachbetrieben vorzuschreiben, wurde die Ermächtigungsgrundlage erweitert. § 62 Abs. 4 WHG war bereits durch das Gesetz zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie im Umweltrecht vom 11. 08. 2010 (BGBl I S. 1163) geändert worden. Die erneute Änderung in § 62 Abs. 4 WHG bringt konzeptionelle Unsicherheiten zum Ausdruck und lässt einen schnellen Abschluss des Verordnungsverfahrens nicht erwarten, so dass die Planer und Anlagenbetreiber noch länger mit den derzeit etwas unzureichenden Regelungen der Verordnung vom 31. 03. 2010 (BGBl I S. 377) und dem überholten Landesrecht vorliebnehmen müssen.

Ulrich Drost

Ulrich Drost

Ministerialrat a.D. im Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, Weilheim
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