15.12.2011

Facebook & Co für Kommunen?

Wie die öffentliche Verwaltung soziale Netzwerke sinnvoll nutzen kann

Facebook & Co für Kommunen?

Wie die öffentliche Verwaltung soziale Netzwerke sinnvoll nutzen kann

Von der Schiefertafel mit Kreide zum Sozialen Netzwerk: Beschleunigung der Kommunikation rund um den Globus. | © Stauke - Fotolia
Von der Schiefertafel mit Kreide zum Sozialen Netzwerk: Beschleunigung der Kommunikation rund um den Globus. | © Stauke - Fotolia

Social Media ist angekommen in der Mitte der Gesellschaft. Was vor einigen Jahren noch unter dem Schlagwort Web 2.0 vor allem von Internet- und Medienexperten kontrovers diskutiert wurde, wird heute von Millionen von Nutzern ganz selbstverständlich aktiv genutzt.

Worauf ist der Erfolg von Social-Media-Plattformen zurückzuführen? Niedrige Einstiegshürden und Schnelligkeit sind zwei der großen Stärken von Twitter, Facebook, You-tube, XING und Co. In wenigen Minuten ist man angemeldet – dann steht einem buchstäblich die Welt offen. Denn Social Media ist grenzenlos in zweierlei Hinsicht: Texte, Bilder, Töne, Videos können, einen Internetanschluss vorausgesetzt, weltweit konsumiert werden, in einer deutschen Großstadt ebenso wie in einem einsamen Bergdorf in den Alpen; sie können aber auch – etwa dank internetfähiger Handys – überall produziert werden.

Diese Kombination aus Konsumtion und Produktion von Informationen stellt die eigentliche Neuerung des Internets dar, die vor einigen Jahren unter dem Schlagwort „Web 2.0“ bekannt wurde. Plötzlich konnte man hier Bücher rezensieren, Hotels bewerten, Produkte kritisieren, Beiträge anderer kommentieren, diskutieren und weiterempfehlen, eigene Beiträge schreiben usw. Mit anderen Worten: Die Grenzen zwischen Konsument und Produzent waren aufgehoben; seitdem ist das Web durch „nutzergenerierte Inhalte“ („user generated content“) geprägt. Und da die Interaktion mit Dritten nichts anderes als Sozialverhalten ist, spricht man heute von „Sozialen Medien“ oder „Social Media“ im Internet, wenn man Plattformen meint, die diesen Austausch ermöglichen.


Damit ist auch schon die Frage beantwortet, ob Social Media wirklich „nötig“ ist und ob es sich nicht einfach nur um einen Hype handelt, der wieder abebbt und irgendwann verschwindet. Social Media vollzieht im relativ jungen Internet nur das nach, was Menschen seit Jahrtausenden im „echten Leben“ selbstverständlich tun. Die Frage nach der Notwendigkeit von Social Media ist also, zugespitzt gesagt, nichts anderes als die Frage nach der Notwendigkeit menschlicher Kommunikation und Interaktion schlechthin.

Sinnvolle Nutzungen finden

Doch gerade im Zusammenhang mit dem Internet stellt sich immer wieder die Frage: Was ist sinnvolle Kommunikation und Interaktion und was ist – bei Lichte betrachtet – schlicht überflüssig?

Jeder wird in sozialen Medien (wie in jedem anderen Medium auch) sehr viele Informationen finden, die für ihn nicht relevant sind. Zum Glück ist es aber (anders als in manchen anderen Medien) sehr einfach, sie auszublenden und sich auf das zu konzentrieren, was einen wirklich interessiert. Und so entstehen Interessens- und Austauschnetzwerke von hoher Relevanz für den Einzelnen.

Vor diesem Hintergrund verwundert es wenig, dass heute schon viele Einrichtungen im öffentlichen Bereich die sozialen Medien für sich entdeckt haben und nutzen – völlig zu Recht. Denn laut einer aktuellen Studie des Branchenverbands BITKOM ist die Hälfte der deutschen Bevölkerung heute in sozialen Netzwerken aktiv – und das bedeutet nichts anderes als dass z. B. Kommunen die Hälfte ihrer Bürger, Mitarbeiter und vor Ort ansässigen Unternehmer in diesen Netzwerken erreichen können.

Den Bürger in sozialen Medien erreichen

Aber ist das wirklich nötig? Genügen nicht die „klassischen“ Kommunikationswege, wozu man zwischenzeitlich sogar schon die Webseite einer Stadt oder Gemeinde zählen darf? Diese klassischen Wege müssen natürlich weiterhin angeboten werden. Es sprechen allerdings zwei Gründe dafür, dass jede öffentliche Einrichtung intensiv über ein Engagement in sozialen Medien nachdenken sollte. Zum einen gibt es immer mehr vor allem jüngere Bürger, die über klassische Medien bis hin zur eigenen Webseite nur noch schwer oder gar nicht mehr erreichbar sind. Die Social Media-Plattformen werden zunehmend zur zentralen Informationsdrehscheibe. Warum noch mühsam Informationen im Internet zusammensuchen, wenn sie einem der Nachrichtenstrom von Facebook doch wie von allein auf den Bildschirm zaubert?

Zum anderen bieten soziale Medien einzigartige Multiplikationseffekte, die es in vergleichbarer Form nur im direkten, unmittelbaren Kontakt gibt: Was ist wertvoller als die persönliche Empfehlung eines zufriedenen Kunden an Freunde und Bekannte?

In sozialen Netzwerken gibt es sehr einfache Funktionen, mit denen sich solche Weiterempfehlungen adaptieren lassen. Am bekanntesten ist sicher der „Gefällt mir“-Button von Facebook (ähnliche Funktionen gibt es aber auch von anderen Anbietern). Die Botschaft desjenigen, der den „Gefällt mir“-Button betätigt hat, lautet: „Schau dir das an! Ich fand das interessant, vielleicht interessiert es dich auch!“

Auch wenn solche „Social Plugins“ nicht unumstritten sind (gerade der „Gefällt mir“-Button wird von Datenschützern kritisiert), entfalten sie doch fraglos eine große Wirkung. Da ein Facebook-Nutzer im Durchschnitt 130 Freunde in seinem Netzwerk hat, genügen schon 10 Klicks von Nutzern auf einen „Gefällt mir“-Button, um potenziell 1.300 Menschen mit einer Botschaft zu erreichen.

500.000 Fans für Hamburg

Diese Interaktionsmöglichkeiten zwischen Nutzer und Anbieter nutzen auch zahlreiche Städte. Beispiel Hamburg: Über 500.000 Menschen „gefällt“ die Facebook-Seite der Stadt Hamburg. Schon hat die Verwaltung dauerhaft die Aufmerksamkeit dieser Menschen, kann sie mit Informationen, Bildern, Videos rund um Hamburg versorgen.

Die Herausforderung dabei ist natürlich, den Leser nicht zu langweilen, ihm nicht mit Belanglosigkeiten auf die Nerven zu gehen, sondern ihm hochwertige, nutzenstiftende und unterhaltsame Inhalte zu bieten, die er nicht nur selbst gerne liest, sondern auch in seinem Netzwerk weiterverbreitet.

Präsenz ist mit Aufwand verbunden

Eine solche Präsenz bedeutet natürlich Aufwand. Dass die Nutzung von Plattformen wie Facebook und Twitter kostenlos ist, heißt nicht, dass ein erfolgreicher Auftritt in diesen Medien kostenlos zu haben ist. Zuständigkeiten müssen geklärt, Prozesse definiert und Mitarbeiter oder Dienstleister benannt werden, die sich um die regelmäßige Pflege der sozialen Medien kümmern. Das kostet die Zeit dieser Mitarbeiter oder Geld, sofern man Dienstleister bemüht, oder beides.

Der „Return on Investment“ besteht in einer stetig wachsenden Zahl an „Fans“, die sich über die Aktivitäten rund um eine öffentliche Einrichtung auf dem Laufenden halten, diese Aktivitäten in ihrem eigenen Netzwerk bekannt machen und damit letztlich dafür sorgen, dass die Botschaften, die diese Einrichtung sendet, bei einer großen Zahl von Empfängern ankommt.

Mittelbar bedeutet das: Mehr Menschen entschließen sich zum Beispiel zu einem Besuch in einer Stadt, nutzen die dortige Infrastruktur, Hotels und Gastronomie, gehen in Museen und Konzerte, lassen letztlich und pragmatisch gesprochen ihr Geld in der Stadt.

Social Media hat nichts mit Größe zu tun

Betrachtet man die Aktivitäten von Städten und Gemeinden in sozialen Medien, zeigt sich, dass die meisten einen Schwerpunkt auf touristische Informationen legen. Um dies erfolgreich zu tun, muss man keine Großstadt sein.

Die Gemeinde Oberstaufen im Oberallgäu etwa hat rund 7.000 Einwohner und inszeniert sich äußerst geschickt und erfolgreich in zahlreichen sozialen Medien. Mehr als 1.000 Follower (also Abonnenten) auf Twitter und mehr als 6.000 Fans auf Facebook sind der Lohn dafür.

Selbst die eigene Homepage wurde inzwischen vollständig „sozialisiert“, indem die Nachrichten rund um Oberstaufen aus sozialen Netzwerken zum zentralen Bestandteil der Webseite gemacht wurden. Das Geheimnis des Erfolgs liegt auch hier in guten, weil interessanten Inhalten.

Doch auch andere Nutzungsszenarien sozialer Medien sind für Städte und Gemeinden denkbar. Wenn Social Media den schnellen und direkten Dialog ermöglichen, warum diese Medien dann nicht dafür nutzen, die Fragen von Bürgern zu beantworten? Viele Anrufe in den Ämtern erübrigen sich vielleicht, wenn man häufig gestellte Fragen einmal in einem sozialen Netzwerk einstellt – ein echter Mehrwert für den Bürger und eine Entlastung der kommunalen Mitarbeiter.

Eine repräsentative Forsa-Studie hat ergeben: Social-Media-Kanäle können maßgeblich zur Steigerung der Zufriedenheit und des Vertrauens der Bürger in ihre Behörden beitragen.

Vor allem jüngere Bürger sind mit den heutigen Möglichkeiten, mit Behörden im Internet zu agieren, unzufrieden. Und nur 29 Prozent aller Befragten sind der Meinung, dass die vorhandenen Kontaktmöglichkeiten zu Ämtern und Behörden via Internet ausreichen.

Eine weitere Zielgruppe von Kommunen in sozialen Medien könnten neue Mitarbeiter sein. Wenn es einen großen Social Media-Trend in den letzten Monaten gab, dann den des „Social Media Recruiting“, also die Bemühung vor allem von Unternehmen, neue (potenzielle) Mitarbeiter über die sozialen Medien anzusprechen und zu gewinnen.

94 Prozent der Internetnutzer unter 30 Jahren sind laut der bereits erwähnten BITKOM-Studie in sozialen Netzwerken aktiv. Social Media erscheinen daher für die Gewinnung neuer Mitarbeiter viel besser geeignet als herkömmliche und in der Regel teurere „klassische“ Alternativen wie etwa Anzeigen in den regionalen Tageszeitungen.

Wo Licht ist, ist auch Schatten

Natürlich gibt es auch Risiken, derer man sich bewusst sein muss. Soziale Medien bringen einen gewissen Kontrollverlust mit sich. Internetnutzer können auch Einfluss auf die Reputation z. B. eines Unternehmens oder einer Kommune nehmen. Nicht mehr der Pressesprecher allein bestimmt die Kommunikation, die Community redet mit und bestimmt mit, ob etwas gefällt oder nicht.

Die Wege in sozialen Medien sind dabei häufig unergründlich, mit anderen Worten: Nachrichten und Botschaften können im Social Web eine Eigendynamik entwickeln, die sich weder vorhersehen noch steuern lässt. Und diese Botschaften können durchaus auch negativer Art sein.

Chancen und Risiken bieten auch die Aktivitäten der eigenen Mitarbeiter in sozialen Medien. Bestenfalls werden sie zu „Botschaftern“ ihres Arbeitgebers. Schlimmstenfalls äußern sie sich abfällig über ihren Arbeitgeber und verstoßen damit gegen ihren Arbeitsvertrag oder geben gar Informationen preis, die der Verschwiegenheitspflicht unterliegen.

Deshalb empfiehlt es sich, seinen Mitarbeitern einerseits Hilfestellung im Umgang mit den sozialen Medien zu geben und gerade auch jüngere Mitarbeiter, die mit diesen Medien aufgewachsen sind, für einen verantwortungsbewussten Umgang zu sensibilisieren. Hierfür eignen sich so genannte Social Media Guidelines, die inzwischen immer mehr Unternehmen in Deutschland einführen.

Fazit

Vor rund 15 Jahren haben sich sicher viele Kommunen gefragt, ob es unbedingt nötig ist, eine Webseite zu eröffnen – es gab doch schon alle Informationen in gedruckter Form! Wer sich zunächst dagegen entschieden hatte und dem neuen Medium skeptisch gegenüberstand, musste über kurz oder lang seine Meinung revidieren.

Heute fragen sich sicher viele Städte und Gemeinden, ob es unbedingt nötig ist, im Social Web aktiv zu werden – es gibt doch schon alle Informationen auf der Unternehmens-Webseite! Dass es diesmal wieder 15 Jahre dauern wird, bis sich diese Frage beantwortet, ist jedoch kaum anzunehmen.

 

Christian Buggisch

Leiter Online-Kommunikation bei DATEV eG, Nürnberg
 

Dr. Tobias Wagner

Leiter Consulting im Geschäftsfeld Public Sector der DATEV eG, Nürnberg
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