15.12.2011

Rette sich, wer kann

Schnelle Erhöhung der Versorgung politischer Beamter geplant

Rette sich, wer kann

Schnelle Erhöhung der Versorgung politischer Beamter geplant

Fallen politische Beamte künftig noch weicher? | © Julija Sapic - Fotolia
Fallen politische Beamte künftig noch weicher? | © Julija Sapic - Fotolia

Der FDP-Mitgliederentscheid über den Euro-Rettungsschirm wirft seinen Schatten voraus. Falls die Koalition platzt, müssen nicht nur Regierungsmitglieder, sondern auch politische Beamte um ihren Job bangen. Aber sie fallen weich, und der Steuerbürger muss zahlen. Dass jetzt sogar die üppige Versorgung politischer Beamter noch weiter aufgestockt werden soll, signalisiert die Nervosität der Koalition. Die Erhöhung soll anscheinend auf die Schnelle und möglichst an der kritischen Öffentlichkeit vorbei erfolgen. Die Regelungen sind überaus kompliziert – fast so, als gelte Machiavellis Maxime „Wenn du nicht überzeugen kannst, musst du verwirren.“ Auch früher schon waren exzessive Regelungen über politische Beamte auf ähnliche Weise durchgezogen worden.

Schnelle Erhöhung geplant

Das ohnehin großzügige Ruhegehalt von politischen Beamten soll noch erhöht werden. Die entsprechende Klausel findet sich in einem Änderungsantrag der CDU/CSU- und der FDP-Fraktionen vom 24.11.2011. Diesen Antrag (Ausschuss-Drs. 17(4)387) haben beide Fraktionen in den Innenausschuss des Bundestages eingebracht, welcher unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt; dann aber hat der Ausschuss kurzfristig eine „öffentliche Anhörung von Sachverständigen“ für den 12.12.2011 anberaumt. Als „Sachverständige“ geladen sind ein Professor, der immer wieder Verfassungsprozesse für den Bundestag und andere politische Instanzen führt, zwei ehemalige Staatssekretäre und vier Vertreter von Verbänden des öffentlichen Dienstes, eine wahrhaftig bemerkenswerte Zusamensetzung. Der Antrag sieht u. a. vor, das Ruhegehalt von politischen Beamten des Bundes dadurch zu erhöhen, dass bei seiner Berechnung noch bis zu drei zusätzliche ruhegehaltfähige Dienstjahre hinzugezählt werden, die der Beamte in Wahrheit aber gar nicht abgeleistet, sondern schon als Pensionär genossen hat. Das kann die ohnehin hohe Pension z. B. von Staatssekretären im einstweiligen Ruhestand um über 600 Euro, von Ministerialdirektoren um über 500 Euro im Monat anheben. Das mag für die Betroffenen nicht die Welt sein (obwohl mancher Rentner von gar nicht viel mehr leben muss), aber es geht in die völlig falsche Richtung. Statt die Überversorgung abzubauen, wird noch draufgesattelt.

Technisch geschieht die Erhöhung durch eine für sich genommen kaum verständliche Formulierung, die in § 7 Satz 1 Beamtenversorgungsgesetz eingefügt werden soll:


„Die ruhegehaltsfähige Dienstzeit nach § 6 erhöht sich um die Zeit, die im einstweiligen Ruhestand zurückgelegt worden ist, bis zu drei Jahren, wenn die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand nach dem 31. Dezember 2011 erfolgt ist.“

Eine ähnliche Regelung hatte schon früher einmal bestanden, war aber als unangemessene Übersteigerung durch das Versorgungsreformgesetz 1998 ersatzlos gestrichen worden.

Begründet wurde die Aufhebung damit, dass die Sonderregelung für politische Beamte „auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken“ sei. Deshalb sollte „die Zeit im einstweiligen Ruhestand selbst nicht mehr als ruhegehaltfähige Dienstzeit“ gelten dürfen. „Vor dem Hintergrund der gebotenen Einschränkung der Versorgung politischer Beamter“ sei das unerlässlich.

Diese Erwägungen sind heute alles andere als überholt. Im Gegenteil, sie sind erst recht aktuell. Die Wiedereinführung des abgeschafften, nicht zu rechtfertigenden Privilegs erscheint unverantwortlich. Die offizielle Begründung für die geplante Erhöhung, die Versetzung führe „gerade für lebensjüngere Beamte zu erheblichen Einkommenseinbußen“, denen die Erhöhung entgegenwirken solle, trägt nicht. Denn abgesehen davon, dass das auch schon früher bekannt war, kommt die Erhöhung auch den vielen anderen zu Gute. Zudem besitzen gerade Jüngere erhebliche Zuverdienstmöglichkeiten (siehe unten).

Um das Unangemessene der geplanten Erhöhung richtig einschätzen zu können, werden im Folgenden der zu große Kreis politischer Beamter und ihre schon jetzt sehr großzügige Versorgung kurz dargestellt.

Sind politische Beamte noch zeitgemäß?

Politische Beamte sind eigentlich Beamte auf Lebenszeit. Bei ihnen gilt aber die Besonderheit, dass ihr Dienstherr sie jederzeit in den „einstweiligen Ruhestand“ versetzen kann – ohne Angabe von Gründen. Die Rechtfertigung dafür lautet, solche Tätigkeiten erforderten ein hohes Maß an politischer Übereinstimmung zwischen dem Beamten und der Regierung. Doch es gibt durchaus parlamentarische Demokratien, die ganz gut ohne solche politischen Beamten in der Staatsverwaltung auskommen wie z. B. Großbritannien. Es liegt deshalb der Verdacht nahe, dass es auch darum geht, den Zugriff der Parteien auf den öffentlichen Dienst auszuweiten. Das Rechtsinstitut des politischen Beamten wurde schon unter Reichskanzler Otto von Bismarck eingeführt und wurde später von den Parteien gerne übernommen und für ihre Zwecke instrumentalisiert.

In jedem Fall erscheint der Kreis der politischen Beamten zu weit gefasst. So ist z. B. die Einbeziehung von Abteilungsleitern (im Bund: Ministerialdirektoren) eine Fehlentwicklung. Bei der ursprünglichen Beratung des Bundesbeamtengesetzes im Bundestag waren dagegen massive Bedenken geäußert worden. Der Beamtenrechtsausschuss wollte sie nach eingehender Beratung gerade nicht in den Kreis der politischen Beamten aufnehmen. Dennoch setzten die CDU/CSU- und die SPD-Fraktion dies in der dritten Lesung mit gleichlautenden Anträgen durch. Dies ist auch deshalb problematisch, weil Abteilungsleiter eine Schlüsselrolle bei der Auswahl normaler Laufbahnbeamten spielen. Ihre parteiliche Auswahl droht so auf den ganzen Dienst auszustrahlen. In den meisten Bundesländern sind Abteilungsleiter dagegen keine politischen Beamten. Nicht ersichtlich ist auch, warum etwa im Auswärtigen Dienst sogar B 3- und A 16-Beamte politische Beamte sein müssen. Sollten sie nicht „spuren“, können sie – angesichts der Vielzahl solcher Stellen – innerhalb des Amtes versetzt werden.

Politische Beamte im Bund sind nach § 54 Bundesbeamtengesetz:

  • alle Staatssekretäre
  • alle Ministerialdirektoren
  • Beamte im Auswärtigen Dienst von der Besoldungsgruppe B 3 an aufwärts sowie Botschafter in der Besoldungsgruppe A 16
  • Beamte des höheren Dienstes des Amts für den Militärischen Abschirmdienst, des Bundesamts für Verfassungsschutz und des Bundesnachrichtendienstes von der Besoldungsgruppe B 6 an aufwärts
  • die Chefs des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung, deren Stellvertretung und die Stellvertretenden Sprecher der Bundesregierung
  • der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, der Präsident des Bundeskriminalamts, der Präsident des Bundespolizeipräsidiums

Nach § 50 Soldatengesetz können auch Berufsoffiziere vom Brigadegeneral (Besoldungsgruppe B 6) an aufwärts und entsprechende Dienstgrade jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden.

In der Personalübersicht zum Bundeshaushalt 2012 sind folgende Planstellen für politische Beamte und Generäle ausgewiesen:

  • Staatssekretäre (Bes.Gr. B 11) …………………………………….27
  • Ministerialdirektoren (B 9) …………………………………………142
  • Presse- u. InformAmt der BRegierung (B 9-11)……………………………11
  • Ausw. Amt (B 6) …………………………………………………….81
  • Ausw. Amt (B 3)…………………………………………………….193
  • Bundeswehrgeneräle (B6 bis B 10) …………………………………….168

Das ergibt 448 politische Beamte und 168 Generäle. Hinzu kommen noch die Botschafter der Besoldungsgruppe A 16 und die Beamten der Dienste der Besoldungsgruppen B 6 bis B 8.

Um eine Vorstellung vom Ausmaß der Problematik zu bekommen, sei darauf verwiesen, dass in den zehn Jahren zwischen 1998 und 2008 45 Staatssekretäre in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden sind, von den vielen sonstigen in den Ruhestand versetzten politischen Beamten ganz zu schweigen. Jeder einzelne Staatssekretär im Ruhestand kostete den Steuerzahler allein in den ersten zwei Jahren über 200.000 Euro, jeder in den einstweiligen Ruhestand versetzte Ministerialdirektor über 160.000 Euro (vgl. BT-Drs. 17/2223, S. 52).

Hohe Versorgung schon in jungen Jahren

Politische Beamte erhalten im einstweiligen Ruhestand hohe Geldzahlungen, die sofort zu laufen beginnen und – in Verbindung mit dem an der Altersgrenze einsetzenden normalen Ruhestand – bis ans Lebensende reichen, wie jung der Beamte auch immer ist. Als eine Art Übergangsgeld gilt: Für den Monat, in dem ihm die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand mitgeteilt wird, und für die folgenden drei Monate hat er Anspruch auf die bisherigen Bezüge (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Bundesbesoldungsgesetz). Erfüllt er die allgemeine versorgungsrechtliche Wartezeit von fünf Beamtenjahren
(§ 4 Abs. 1 Nr. 1 Beamtenversorgungsgesetz), hat er danach Anspruch auf ein erhöhtes Ruhegehalt (§ 14 Abs. 6 BeamtVersG): Der Beamte im einstweiligen Ruhestand erhält drei Jahre lang die Höchstpension (71,75 Prozent der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe, in der sich der Beamte zur Zeit seiner Versetzung in den jeweiligen Ruhestand befunden hat).

Staatssekretäre erhalten somit zunächst ein Ruhegehalt von 8365 Euro, also erheblich mehr als die 7500 Euro Sofortrente der ARD-Glücksspirale.

Hatte der politische Beamte das Amt weniger als drei Jahre ausgeübt, so kürzt sich der Übergangszeitraum, in dem 71,75 Prozent der Aktivenbezüge gezahlt werden, entsprechend, er beträgt aber mindestens sechs Monate. Danach erhält der Beamte lebenslang, basierend auf der Anzahl seiner bisherigen Dienstjahre, eine Pension zwischen 35 und 71,75 Prozent seiner früheren Aktivenbezüge. Für Staatssekretäre sind das zwischen 4081 und 8365 Euro im Monat.

Bis Mitte der Siebzigerjahre hatten Beamte im einstweiligen Ruhestand in der ersten Zeit noch bescheidenere 50 Prozent der Aktivenbezüge erhalten (also nicht 71,75 Prozent wie heute). Dies wurde dann aber aufgehoben – mit einer an der Thematik völlig vorbeigehenden Scheinbegründung.

Verdient der Beamte im einstweiligen Ruhestand ein privates Einkommen hinzu, gelten großzügige (Nicht-)Anrechnungsvorschriften. Das ist von großer praktischer Relevanz, da die Betroffenen – überwiegend Juristen mit einem weiten Netzwerk an Verbindungen – meist kein Problem haben, eine angemessene private Beschäftigung zu finden. Dann bleibt das Einkommen, das der Ruhestandsbeamte z. B. als Rechtsanwalt erzielt, unangerechnet, solange es zusammen mit dem Ruhegehalt das frühere Aktiveneinkommen des politischen Beamten nicht übersteigt (§ 53 Abs. 1 und 2 BeamtVersG). Dieses beträgt z. B. für Staatssekretäre monatlich 11.659 Euro. Geht die Summe darüber hinaus, erfolgt zwar eine Anrechnung, aber nur zur Hälfte des überschießenden Betrages (§ 53 Abs. 10 BeamtVersG). Auch wenn keine volle Vergleichbarkeit vorliegt, sei doch der Hinweis gestattet, dass die Hinzuverdienstgrenze bei Rentnern, die eine vorzeitige Altersrente beziehen, bei monatlich 400 Euro liegt.

Diese Regelungen lassen sich auch nicht mit der Pflicht des Ruhestandsbeamten rechtfertigen, einer erneuten Berufung in den aktiven Dienst Folge zu leisten (§ 57 Bundesbeamtengesetz). Tatsächlich steht diese Pflicht weitgehend auf dem Papier. Solche Reaktivierungen sind eher die Ausnahme. Der „einstweilige“ Ruhestand ist in Wahrheit meist ein endgültiger.

Nicht von ungefähr spricht man bei politischen Beamten im einstweiligen Ruhestand von den teuersten Spaziergängern Deutschlands. Jetzt sollen sie noch teurer werden.

Bis 1998 waren die Regelungen sogar noch großzügiger: Eine Wartezeit war nicht erforderlich. In der Übergangszeit betrug die Höchstversorgung 75 Prozent und dauerte fünf Jahre; zusätzlich wurden bis zu fünf Jahre im einstweiligen Ruhestand als Ruhegehalt erhöhende Dienstjahre fingiert. Diese Regelungen gelten erstaunlicherweise immer noch für Bedienstete, die vor dem 01.01.1999 erstmals politische Beamte geworden sind (§ 69c Abs. 3 BeamtVersG). Sie gelten auch für Beamte im einstweiligen Ruhestand, die nach 1999 reaktiviert worden sind oder reaktiviert werden und darauf erneut in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Das folgt aus dem harmlos anmutenden Wörtchen „erstmals“.

Dass auch die 1998 abgespeckten Regelungen noch überaus großzügig sind, signalisiert nicht zuletzt der Vergleich mit der Versorgung von Mitgliedern der Bundesregierung. Diese erhalten ein Übergangsgeld von maximal zwei Jahren (also nicht von drei Jahren wie politische Beamte), und zwar in den ersten drei Monaten in voller Höhe des Amtsgehalts und des Ortszuschlags, danach aber nur noch in halber Höhe (also nicht in Höhe von 71,75 Prozent wie politische Beamte). Siehe § 14 Abs. 1–3 BMinG.

Um einen Ruhegehaltsanspruch zu erwerben, müssen Regierungsmitglieder mindestens vier Amtsjahre aufweisen (§ 15 Abs. 1 BMinG). Deshalb bekam z. B. Michael Glos nach seiner über dreijährigen Amtszeit keine Ministerpension. Dagegen genügt politischen Beamten eine kurze Zeit im Amt zur Erlangung einer Pension, wenn sie nur vorher fünf Jahre lang überhaupt Beamte waren. Zudem beginnt das Ruhegehalt von Regierungsmitgliedern grundsätzlich erst mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze, die derzeit bei Vollendung des 65. Lebensjahres liegt (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 BMinG). Politische Beamte erhalten dagegen sofort ihre Pension.

Zusammenfassung

Die exzessive Versorgung politischer Beamter wurde 1998 eingeschränkt. Sie ist aber immer noch sehr großzügig, so dass weitere Einschränkungen geboten wären, ganz abgesehen davon, dass es zu viele politische Beamte gibt. Statt notwendiger Begrenzungen sollen jetzt aber Teile der damaligen Absenkung insgeheim wieder aus der Versenkung auftauchen und dadurch das üppige Ruhegehalt weiter angehoben werden. Zu diesem Zweck sollen bis zu drei Jahre im einstweiligen Ruhestand so behandelt werden, als habe der Beamte sie wirklich abgeleistet. Bei Staatssekretären kann dadurch die Versorgung um über 600, bei Ministerialdirektoren um über 500 Euro monatlich steigen.

Wer bereits vor 1999 politischer Beamter war und danach in den einstweiligen Ruhestand versetzt wird, genießt weiterhin die früheren, für andere längst abgeschafften Privilegien, obwohl deren völlige Unangemessenheit längst offiziell bestätigt wurde. Das gilt auch für nach 1998 reaktivierte politische Beamte. So könnte ein früherer politischer Beamter zwischendrin in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden und die überhöhte Versorgung genießen, ohne dass seine privaten Einkünfte – innerhalb großzügiger Grenzen – angerechnet wurden. Wird er dann reaktiviert, erhält er im Falle seiner erneuten Versetzung in den einstweiligen Ruhestand wiederum die übertriebene Versorgung. Auch heute noch.

Hinweis der Redaktion: Weitere Hinweise und Quellenangaben finden Sie unter www.dhv-speyer.de/VONARNIM/Aktuelles.htm

 

Prof. Dr. Hans Herbert von Arnim

entpflichteter Universitätsprofessor an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer und Mitglied des dortigen Forschungsinstituts
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