15.06.2016

Zuwendungen an öffentlichen Krankenhäuser

Wann staatliche Zuwendungen nicht bei der EU-Kommission anzumelden sind

Zuwendungen an öffentlichen Krankenhäuser

Wann staatliche Zuwendungen nicht bei der EU-Kommission anzumelden sind

Staatlicher Fördertopf und Beihilfeverbot: Unter welchen Voraussetzungen gelten Ausnahmen für Krankenhäuser? | © Tatjana Balzer - Fotolia
Staatlicher Fördertopf und Beihilfeverbot: Unter welchen Voraussetzungen gelten Ausnahmen für Krankenhäuser? | © Tatjana Balzer - Fotolia

Vorbemerkung der Redaktion: Der Beitrag knüpft an den Beitrag in PUBLICUS 2013.10 S. 17 an.

Mit seinem Urteil vom 24. 03. 2016 (Az. I ZR 263/14) hat sich der Bundesgerichtshof (BGH), wie lange erwartet, zur beihilferechtlichen Zulässigkeit der staatlichen Finanzierung von Krankenhäusern geäußert. Er hat damit den dahinterliegenden jahrelangen Streit zwischen privat und öffentlich finanzierten Krankenhäusern allerdings noch nicht abschließend entschieden. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die wesentlichen beihilferechtlichen Fragestellungen im Krankenhaussektor und fasst die wichtigsten Aussagen des BGH zusammen.

Die wirtschaftliche Lage von Krankenhäusern spitzt sich mehr und mehr zu. Während sich Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft bislang auf finanzielle Unterstützung durch den Staat verlassen konnten, müssen ihre privaten Konkurrenten ohne derartige Hilfen auskommen. Ist es aber rechtlich zulässig, dass staatliche Krankenhausträger z. B. die Defizite der von ihnen selbst betriebenen Häuser ausgleichen? Aufgrund dieser Fragestellung ist ein Streit entbrannt, der nationale und europäische Gerichte und Behörden gleichermaßen beschäftigt. Im Mittelpunkt der juristischen Auseinandersetzungen steht dabei das Europäische Beihilferecht.


Mit seinem Urteil vom 24. 03. 2016 (Az. I ZR 263/14) hat der BGH früher als erwartet aus deutscher Sicht Stellung bezogen. Im Grundsatz beanstandet der BGH die gängige Bezuschussung der Kliniken von Städten und Kreisen unter EU-beihilferechtlichen Gesichtspunkten nicht. Voraussetzung ist allerdings, dass ein Krankenhaus wirksam mit der Erbringung medizinischer Versorgungsleistungen als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI) betraut wurde. Der entsprechende Betrauungsakt muss hierfür insbesondere den EU-beihilferechtlichen Transparenzanforderungen genügen. Den rechtlichen Rahmen setzt dabei das sogenannte Almunia-Paket der Europäischen Kommission (Kommission) von 2012, dessen Anforderungen bestehende Betrauungsakte entsprechen müssen. In der Praxis zeigt sich allerdings, dass vielerorts noch Betrauungsakte angewendet werden, die vor 2012 und somit anhand nicht mehr aktueller Kriterien geschaffen wurden und daher nun ergänzungsbedürftig sein dürften, um rechtssicher zu gelten.

Hintergrund der BGH-Entscheidung: Das europäische Beihilfeverbot

Die Finanzierung von Krankenhäusern bewegt sich im Spannungsfeld zwischen der Daseinsvorsorge und dem grundsätzlichen Beihilfeverbot des europäischen Beihilferechts:

Nicht nur in Deutschland sind die Kommunen zur Daseinsvorsorge gesetzlich verpflichtet. Hinsichtlich der Notwendigkeit einer angemessenen medizinischen Versorgung der Bevölkerung besteht zudem ein breiter gesellschaftlicher Konsens.

Gleichzeitig gilt das europarechtliche Verbot staatlicher Beihilfen (Art. 107 Abs. 1 AEUV), und zwar auch im Falle der Finanzierung von Krankenhäusern durch die Kommunen. Nach dem „Almunia-Paket” zu DAWI von 2012 ist ein Krankenhaus, unabhängig von seiner Rechtsform oder Trägerschaft, zunächst ein Unternehmen, dessen Finanzierung beihilferechtskonform sein muss. Finanzielle Vorteile für ein Krankenhaus, die geeignet sind, den grenzüberschreitenden Wettbewerb zu verzerren, müssen in der Regel erst bei der Kommission angemeldet und von dieser freigegeben werden. Bis dahin besteht für die staatlichen Stellen ein Vollzugsverbot.

Das Beihilferecht sieht jedoch bestimmte Ausnahmen für Krankenhäuser vor. So liegt etwa schon keine Beihilfe vor, wenn Kliniken DAWI erbringen und die sog. „Altmark”-Kriterien des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) erfüllt sind. Eine nach der Altmark-Rechtsprechung zulässige Förderung setzt voraus, dass (1.) das Krankenhaus mit klar definierten DAWI betraut wurde, (2.) die Berechnungsparameter für die Förderung zuvor objektiv und transparent aufgestellt wurden, (3.) der Ausgleich nicht über das zur Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen erforderliche Maß hinausgeht und (4.) die Höhe des Ausgleichs entweder durch Ausschreibung oder auf der Grundlage einer Analyse der Kosten ermittelt wird, die ein durchschnittliches, gut geführtes Unternehmen verursachen würde. Sind diese Kriterien nicht erfüllt, kann die Beihilfe noch nach dem sogenannten „Freistellungsbeschluss”, unabhängig von einem bestimmten Schwellenwert, zulässig sein. Im Unterschied zu den Altmark-Kriterien beschränkt sich die Höhe des Ausgleichs dann auf die tatsächlich angefallenen Kosten.

Ausgangspunkt des Streits: Die europäische Ebene

Wie umfangreich diese Ausnahmen in Zukunft noch zur Anwendung kommen können, war seit dem Urteil des Europäischen Gerichts (EuG) vom 07. 11. 2012 zu den Brüsseler Krankenhäusern fraglich (Az. T-137/10). Das EuG legte das erste Altmark-Kriterium, das auch nach dem Freistellungsbeschluss gilt, eng aus und verlangte die Übertragung einer „besonderen Aufgabe”. Das EuG hat somit eine enge Sichtweise gewählt: Ausgleichszahlungen an öffentliche Krankenhäuser sollen beihilferechtlich somit nur insoweit erlaubt sein, als die Leistung auf Grundlage eines entsprechenden Betrauungsaktes mit einer „besonderen” Gemeinwohlverpflichtung verknüpft ist, die von kommerziellen Anbietern am Markt so nicht wahrgenommen wird. Demnach wäre also allein auf die übertragenen Krankenhaussonderaufgaben – und nicht auf die allgemeine Gemeinwohlaufgabe der Versorgung mit Krankenhausdienstleistungen – abzustellen.

Im Ergebnis hob das EuG daher die Entscheidung der Kommission, mit der diese Beihilfen an die öffentlichen Krankenhäuser in der Region Brüssel-Hauptstadt bereits nach Abschluss der Vorprüfphase genehmigt hatte, auf. Daraufhin hat die Kommission mit Beschluss vom 01. 10. 2014 (SA.19864 (2014/C) (ex NN 54/2009 – Belgium Public financing of Brussels public IRIS hospitals) ein förmliches Prüfverfahren eingeleitet, das seither läuft.

Was daraufhin in Deutschland bislang geschah

In Deutschland liefen vor dem Hintergrund des Urteils des EuG bislang Verfahren vor dem Landgericht Tübingen (LG) sowie vor dem Oberlandesgericht Stuttgart (OLG).

Ursprung war eine Klage des Bundesverbandes der deutschen Privatkliniken (BDPK) bezüglich der Ausgleichszahlungen des Landkreises Calw zugunsten von zwei defizitären Kreiskliniken in Millionenhöhe, welche als Pilotverfahren diente. Darüber hinaus hatte der Kreis in den vergangenen Jahren Ausfallbürgschaften übernommen und zahlte Investitionszuschüsse. Die beiden Kreiskrankenhäuser waren in den Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg aufgenommen worden und in den Jahren 2008 und 2013 mit der Erbringung medizinischer Versorgungsleistungen als DAWI betraut worden.

Sowohl das LG als auch das OLG hatten die Klage in erster und in zweiter Instanz abgewiesen. Das OLG vertrat die Auffassung, dass der Freistellungsbeschluss Beihilfen zugunsten von Unternehmen zulasse, die mit DAWI betraut sind. Die Kompetenz zur Definition und Organisation von DAWI liege bei den Mitgliedstaaten. Das Landeskranken-hausgesetz Baden-Württemberg (LKHG BW) lege fest, dass es sich bei der bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhausleistungen um eine solche DAWI handele. Angesichts der Aufnahme der Kreiskliniken des Landkreises in den Krankenhausplan liege deshalb keine unzulässige Beihilfe vor. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hatte das OLG jedoch die Revision zum BGH zugelassen. Diese Möglichkeit hatte der BDPK inzwischen auch genutzt.

Das neue BGH-Urteil: Freistellungsmöglichkeit als DAWI bei ordnungsgemäßer Betrauung

Der BGH ist der Linie des OLG gefolgt und hat nun festgehalten, dass die staatlichen Zuwendungen an die Kreiskliniken tatsächlich von der Notifizierungspflicht freigestellt waren, soweit sie auf der Grundlage eines wirksamen Betrauungsaktes gewährt wurden.

Der Calwer Betrauungsakt des Jahres 2008 konnte vor dem Hintergrund dieser formellen Anforderung – anders als der Betrauungsakt des Jahres 2013 – demnach nicht zu einer Freistellung von der Notifizierungspflicht führen, da er nicht den Transparenzanforderungen der Kommission an einen wirksamen Betrauungsakt genügte. Denn die Parameter für die Berechnung der Ausgleichsleistungen waren aus Sicht des BGH nur unzureichend ausgewiesen. Daher hat der BGH die Revision diesbezüglich an das OLG zurückverwiesen. Das OLG muss nun prüfen, ob es sich bei den Zuwendungen um staatliche Beihilfen handelt. Auch angesichts der langen „Verjährungsfrist” von 10 Jahren für staatliche Beihilfen dürfte daher noch ein erhebliches finanzielles Risiko für Krankenhäuser vorliegen, wenn ein bestehender Betrauungsakt aufgrund von formellen Fehlern unwirksam ist, z. B. weil er nicht an die neuen Anforderungen des Freistellungsbeschlusses von 2012 angepasst wurde.

Wichtig ist jedoch, dass der BGH in materieller Hinsicht eine weite Sichtweise angenommen hat. Laut BGH stellen die medizinischen Versorgungsleistungen der Kreiskrankenhäuser DAWI dar. Aus der Aufnahme der Krankenhäuser in den Krankenhausplan folge, dass ihr Betrieb zur bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung notwendig sei. Der Landkreis Calw habe den Betrieb der Kreiskrankenhäuser nach dem LKHG BW sicherzustellen.

Diese weite Auslegung des DAWI-Begriffs ist in der Tat zunächst eine gute Neuigkeit. Denn der BGH ist – wenig überraschend – nicht der engen Sichtweise des EuG gefolgt. Dennoch gilt, dass die weiteren Entwicklungen auf europäischer Ebene abzuwarten sind.

 

Sarah Blazek

E.MA, Rechtsanwältin
n/a