15.06.2016

Vergaberecht 2016

Teil 4: Neue VOB/A und B

Vergaberecht 2016

Teil 4: Neue VOB/A und B

Der angestrebte Gleichklang der Neuregelungen ist bei der Nachforderung von Unterlagen noch nicht umgesetzt. | © p365.de - Fotolia
Der angestrebte Gleichklang der Neuregelungen ist bei der Nachforderung von Unterlagen noch nicht umgesetzt. | © p365.de - Fotolia

VOB/A 2016

Die neue Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Ausgabe 2016 – Teil A (VOB/A 2016) ist am 19. 01. 2016 im Bundesanzeiger veröffentlicht worden. Sie gliedert sich in drei Abschnitte und ersetzt die früheren drei Abschnitte vom 24. 10. 2011 bzw. vom 26. 06. 2012. Die Abschnitte 2 und 3 sind unmittelbar über § 2 der neuen Vergabeverordnung bzw. der neuen Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit, der Abschnitt 1 ist über entsprechende Einführungserlasse seit 18. 04. 2016 anzuwenden. Die Abschnitte 2 und 3 behandeln Bauvergaben ab den Schwellenwerten. Konzessionsvergaben, auch im Zusammenhang mit Baumaßnahmen, behandeln sie nicht. Diese sind ab den Schwellenwerten abschließend in der neuen, eigenständigen Rechtsverordnung über Konzessionsvergaben geregelt. Die Abschnitte 2 und 3 knüpfen an die Novellierungen im Teil 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen und – im Abschnitt 2 – an die neue Vergabeverordnung sowie – im Abschnitt 3 – an die Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit an. Der Abschnitt 1 (s. dessen § 23) behandelt anders als die Abschnitte 2 und 3 Bau- und Konzessionsvergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte.

Schwerpunkt der Überarbeitung

Die VOB/A 2016 ist wie schon ihre Vorgängerinnen vom Deutschen Vergabe- und Vertragsausschuss erarbeitet worden. Der Schwerpunkt der Überarbeitung liegt im Abschnitt 2. Dort sind die Vorgaben des europäischen Rechts umgesetzt, soweit sie nicht bereits auf gesetzlicher Ebene im Teil 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen oder übergreifend in der neuen Vergabeverordnung geregelt sind. Der Abschnitt 2 der VOB/A 2016 ist wesentlich umfangreicher geworden als frühere Fassungen. Dies wurde in Kauf genommen, um das Ziel von Verordnungsgeber und Vergabe- und Vertragsausschuss zu erreichen, dem Verwender einen in sich geschlossenen und für seinen Bereich möglichst abschließenden Regelungskomplex an die Hand zu geben. Um den neuen Teil 2 der VOB/A zugleich übersichtlich zu gestalten und um möglichst viel Bekanntes zu erhalten, ist auf eine neue, durchgehende Nummerierung der Paragrafen verzichtet. Stattdessen sind die bisherigen Zwischenüberschriften als eigenständige Paragrafen ausgewiesen, das Paragrafengerüst ist durch Einfügung von Paragrafen mit dem Zusatz a, b usw. in der Grundform erhalten geblieben.

Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen sind in den Abschnitt 2 der VOB/A aufgenommen,


  • wenn dies dem Sachzusammenhang dient,
  • wenn sie von zentraler Bedeutung sind oder
  • wenn die Regelungen für den Anwender unmittelbar bedeutsam sind.

Dies gilt beispielsweise für die unternehmensbezogenen Ausschlussgründe (§§ 123 ff. GWB, § 6e EU VOB/A) und die Regelung zu Auftragsänderungen während der Laufzeit (§ 132 GWB, § 22 EU VOB/A). Um die Einheitlichkeit innerhalb der VOB/A 2016 zu bewahren, ist die neue Struktur auch auf die Abschnitte 1 und 3 übertragen. Zudem war der Deutsche Vergabe- und Vertragsausschuss bestrebt, einen Gleichlauf mit den in der neuen Vergabeverordnung geregelten Vorschriften zur Beschaffung von Liefer- und Dienstleistungen herzustellen. So sind z. B. die Vorschriften zur elek- tronischen Vergabe einheitlich ausgestaltet.

Kein Gleichklang bei der Nachforderung von Unterlagen

In einem wesentlichen Punkt ist der grundsätzlich angestrebte Gleichklang der neuen VOB/A mit der Neufassung der Vergabeverordnung allerdings nicht umgesetzt: § 16a EU VOB/A stellt wie der bisherige § 16 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A für das Nachfordern „fehlender” Erklärungen oder Nachweise auf ein körperliches „Nichtvorliegen” ab. Demgegenüber unterscheidet die neue Vergabeverordnung in § 56 Abs. 2 streng zwischen unternehmens- und leistungsbezogenen Unterlagen. Fehlende, unvollständige oder fehlerhafte unternehmensbezogene Unterlagen können nachgereicht, vervollständigt oder korrigiert werden. Die Korrektur fehlerhafter leistungsbezogener Unterlagen ist generell ausgeschlossen. Fehlende oder unvollständige leistungsbezogene Unterlagen können nachgereicht oder vervollständigt werden, wenn dadurch die Wirtschaftlichkeitsbewertung der Angebote anhand der Zuschlagskriterien nicht betroffen ist. Die durch die differenzierenden Regelungen der neuen Vergabeverordnung zugunsten des öffentlichen Auftraggebers und des nominellen Wettbewerbsgewinners erweiterten Nachforderungsmöglichkeiten von Unterlagen greifen im Bereich der neuen VOB/A nicht Platz. In seiner Sitzung am 18. 03. 2016 hat der Bundesrat Bedenken hinsichtlich der divergierenden Regelungen zur Nachforderung von Unterlagen („§ 56 Abs. 2 Vergabeverordnung vs. § 16a EU-VOB/A”) geäußert und die Auffassung vertreten, dass die unterschiedliche Ausgestaltung nicht durch bauleistungsspezifische Anforderungen gerechtfertigt sei. Der Bundesrat hat die Bundesregierung in einer Entschließungsempfehlung gebeten, diese Regelungen zu überprüfen und gegebenenfalls im Sinne des § 56 Abs. 2 Vergabeverordnung einheitlich zu treffen. Bis dies geschieht, bestehen für Vergaben nach der Vergabe- und auch nach der Sektorenverordnung (§ 51 Abs. 2 SektVO) einerseits und Vergaben nach der VOB/A 2016 andererseits für die Nachforderung von Unterlagen unterschiedliche Regelungen.

Elektronische Kommunikation

Zur Anwendung elektronischer Kommunikationsmittel enthält der neue Abschnitt 2 der VOB/A in § 23 EU VOB/A folgende Regelung: Die Übermittlung von Bekanntmachungen und die Bereitstellung der Vergabeunterlagen ist durch die öffentlichen Auftraggeber ab 18. 04. 2016 elektronisch vorzunehmen. Für die sonstige Kommunikation gilt gemäß § 23 EU VOB/A folgende Übergangsregelung: Zentrale Beschaffungsstellen können bis zum 18. 04. 2017, andere öffentliche Auftraggeber können bis zum 18. 10. 2018 abweichend von § 11 EU Abs. 4 VOB/A (der bestimmt, dass die Unternehmen ihre Angebote, Teilnahmeanträge, Interessensbekundungen und Interessensbestätigungen in Textform mithilfe elektronischer Mittel zu übermitteln haben) verlangen, dass die Übermittlung der vorgenannten Unterlagen auf dem Postweg, anderem geeigneten Weg, Telefax oder durch die Kombination dieser Mittel erfolgt.

VOB/B 2016

Die Änderungen der VOB Teil B in der Fassung vom 31. 07. 2009 mit Änderungen vom 26. 06. 2012 sind ebenfalls am 19. 01. 2016 im Bundesanzeiger veröffentlicht worden. Wegen des Sachzusammenhangs mit den Änderungen der VOB/A sind die geänderten Vorschriften der VOB/B ebenfalls seit dem 18. 04. 2016 anzuwenden. Die VOB/B enthält Regelungen für die Durchführung von Verträgen. Sie ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung, ihre Geltung muss zwischen den Vertragsparteien vereinbart werden. Dies zu tun, ist den Vergabestellen in § 8a EU Abs. 1 VOB/A aufgegeben.

Die Änderungen der VOB/B setzen neben den vergaberechtlichen Vorschriften der Richtlinie 2014/24/EU auch deren vertragsrechtliche Vorschriften in den Artikeln 71 und 73 um. In den § 8 Abs. 4 der neuen VOB/B sind die neu normierten Gründe für eine außerordentliche Kündigung durch den Auftraggeber sowie die Rechtsfolgen einer solchen Kündigung hinsichtlich Vergütung und Schadensersatz aufgenommen.

Der neue § 8 Abs. 5 ermöglicht es dem Auftragnehmer, auch seinen Nachunternehmer außerordentlich zu kündigen, sobald der Auftraggeber den Hauptauftrag wegen einer wesentlichen Vertragsänderung oder eines Vertragsverletzungsverfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof gekündigt hat, sofern auch zwischen Auftragnehmer und Nachunternehmer die VOB/B und mithin ihr § 8 Abs. 5 vereinbart ist.

Dadurch bleibt der Auftragnehmer nicht auf die Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung seines Nachunternehmers mit der Rechtsfolge der vollen Werklohnvergütung des Nachunternehmers verwiesen. Dieselbe Kündigungsmöglichkeit steht im Rahmen einer Nachunternehmerkette mit jeweiliger Vereinbarung der VOB/B allen folgenden Auftraggebern zu.

In § 4 Abs. 8 Nr. 3 ist zu Nachunternehmern Folgendes aufgenommen: „Der Auftragnehmer hat dem Auftraggeber die Nachunternehmer und deren Nachunternehmer ohne Aufforderung spätestens bis zum Leistungsbeginn des Nachunternehmers mit Namen, gesetzlichen Vertretern und Kontaktdaten bekannt zu geben. Auf Verlangen des Auftraggebers hat der Auftragnehmer für seine Nachunternehmer Erklärungen und Nachweise zur Eignung vorzulegen.” Weitere Änderungen der VOB/B sind insbesondere redaktioneller und sprachlicher Art.

Anmerkung

Die Neufassung der VOB/A wird im Auftrag des Deutschen Vergabe- und Vertragsausschusses vom Deutschen Institut für Normung e.V. (DIN) im Laufe des Jahres 2016 als DIN 1960 herausgegeben. Die VOB/B wird als DIN 1961 herausgegeben.

Hinweis der Redaktion: Mit vorstehendem Beitrag schließen wir die Beitragsreihe zum Vergaberecht 2016 in unserem Online-Magazin PUBLICUS ab.

 

Michael Stemmer

Direktor a.D. beim Bayerischen Kommunalen Prüfungsverband, München
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