15.04.2013

Wasserversorger unter Beobachtung

Welche Spielräume bleiben kommunalen Wasserversorgern?

Wasserversorger unter Beobachtung

Welche Spielräume bleiben kommunalen Wasserversorgern?

Das Kartellamt nimmt Wasserversorger genau unter die Lupe. | © SG- design - Fotolia
Das Kartellamt nimmt Wasserversorger genau unter die Lupe. | © SG- design - Fotolia

Das Thema Wasser steht zunehmend im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung. Neben der geplanten EU-Richtlinie zur Wasserversorgung dominiert nach wie vor die kartellrechtliche Wasserpreiskontrolle die Berichterstattung. Die Kartellbehörden haben bereits massive Preissenkungen (41 % im Fall Stadtwerke Kassel und 18 % im Fall der Berliner Wasserbetriebe) angeordnet.

Manche öffentlich-rechtlich organisierten Wasserversorger wähnen sich bislang vor den Kartellbehörden in Sicherheit. Das Bundeskartellamt begründete die Anwendbarkeit der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle bei den Berliner Wasserbetrieben (obwohl Anstalt des öffentlichen Rechts) damit, dass sie nach außen in privatrechtlicher Form handeln und privatrechtliche Entgelte anstatt Gebühren verlangen ( BK artA, Beschluss vom 04.06.2012, B 8-40/10, vom BGH bislang nicht geklärt).

„Flucht ins Gebührenrecht“ als Ausweg?

Vor diesem Hintergrund stellen sich viele kommunale Wasserversorger die Frage, inwieweit eine Beibehaltung bzw. Rückkehr zur Gebührensatzung einen Ausweg aus der kartellrechtlichen Wasserpreiskontrolle bietet. Zwar ist es zulässig, unter mehreren Gestaltungsmöglichkeiten diejenige zu wählen, mit der sich bestimmte unerwünschte Rechtsfolgen – wie eben auch eine kartellrechtliche Aufsicht – vermeiden lassen (vgl. OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 20.09.2011, Az. 11 W 24/11). Fraglich ist jedoch, ob eine kartellrechtlich motivierte „Flucht ins Gebührenrecht“ langfristig sinnvoll ist ( vgl. hierzu auch Herrlinger, Publicus 2012.3, S. 23 ff., der allerdings die Rekommunalisierung mit der „Flucht ins Gebührenrecht“ gleichsetzt ).


Da das Bundeskartellamt hier die Auffassung vertritt, dass eine kartellrechtliche Überprüfung der per Satzung erhobenen Wassergebühren aufgrund der herrschenden Rechtsprechung möglich ist und sich auf politischer Ebene für eine einheitliche Wasserpreiskontrolle stark macht, ist nicht auszuschließen, dass ein öffentlich-rechtlicher Wasserversorger, der demnächst auf der Grundlage einer Gebührensatzung abrechnet, in das Visier der Kartellbehörden gerät.

Ob der Gesetzgeber die 8. GWB-Novelle noch zum Anlass nehmen wird, zugunsten der öffentlich-rechtlichen Wasserversorger Rechtssicherheit zu schaffen, ist fraglich. Der Gesetzentwurf, der zuletzt im Vermittlungsausschuss erneut vertagt wurde, sieht dies jedenfalls nicht vor. Und nachdem der BGH den Niederbarnimer Wasser- und Abwasserzweckverband jedenfalls im Hinblick auf die Auskunftspflicht nach § 59 GWB dem Kartellrecht unterstellt hat (vgl. BGH , Beschluss vom 18.10.2010, Az. KVR 9/11), besteht zudem nicht allzuviel Hoffnung, dass sich kommunale Wasserversorger langfristig der Anwendung des Kartellrechts entziehen können. Statt einer (erfolglosen) Flucht vor dem Kartellrecht empfiehlt es sich vielmehr, das derzeitige Preiskonzept auf kartellrechtliche Schwachstellen zu prüfen und sich für den Fall eines Missbrauchsverfahrens mit guten Argumenten vorzubereiten.

Rechtlicher Rahmen der kartellbehördlichen Wasserpreiskontrolle

Die kartellrechtliche Wasserpreiskontrolle unterfällt entweder den speziellen Vorschriften der Missbrauchskontrolle im Wasserbereich (§ 131 Abs. 6 GWB i.V.m § 103 GWB 1990) oder den allgemeinen Missbrauchskontroll-Vorschriften (§ 19 GWB ). Auf welches Prüfkonzept sich die Kartellbehörde stützt, liegt in ihrem Ermessen – auch eine parallele Anwendung ist grundsätzlich möglich (vgl. BGH , Beschluss vom 02.02.2010, Az. KVR 66/08).

Nach den speziellen Missbrauchsvorschriften liegt ein Preismissbrauch vor, wenn ein Versorgungsunternehmen ungünstigere Preise fordert als gleichartige Versorgungsunternehmen, es sei denn, das Versorgungsunternehmen weist nach, dass der Unterschied auf abweichenden Umständen beruht, die ihm nicht zurechenbar sind. Dazu gehören grundsätzlich jene Kostenfaktoren, die ein anderes Unternehmen in derselben Situation ebenfalls nicht beeinflussen könnte. Noch nicht abschließend geklärt ist, welche Faktoren insoweit Berücksichtigung finden können. Diskutiert werden in der Praxis hydrologische/topografische Gegebenheiten, hohe Qualitätsanforderungen, Rückgang des Wasserverbrauchs, steigende Investitions- und Erhaltungskosten etc. Regelmäßig stellt sich auch die Frage, welche anderen Wasserversorger vergleichbar sind, wie viele Vergleichsunternehmen herangezogen werden müssen und anhand welcher Kriterien diese auszuwählen sind.

Nach den allgemeinen Missbrauchsvorschriften liegt ein Preismissbrauch vor, wenn ein Versorgungsunternehmen Entgelte fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden. Der Vergleichsmaßstab besteht hier in einem hypothetischen Preis, der üblicherweise anhand einer Vergleichsmarktbetrachtung ermittelt wird. Insofern bestehen gewisse Parallelen zu den speziellen Missbrauchsvorschriften. Zwingend ist dies jedoch nicht, auch eine reine Kostenkontrolle, d.h. die Prüfung der „Berechtigung“ einzelner Kostenfaktoren ohne Vergleichsbetrachtung, wurde von der Rechtsprechung im Einzelfall bei der Anwendung des § 19 Abs. 1 GWB anerkannt (vgl. BGH , Beschluss vom 15.08.2012, Az. KVR 51/11).

Unterschiede der Prüfkonzepte und deren Auswirkungen in der Praxis

Zwischen den beiden Prüfkonzepten bestehen erhebliche Unterschiede. Der wichtigste Unterschied besteht dabei in der Beweislastverteilung. Hinsichtlich der allgemeinen Missbrauchsvorschriften trägt die Kartellbehörde die Beweislast. Dies hat zur Folge, dass eine Missbrauchsverfügung auf der Grundlage von § 19 GWB nur dann erlassen werden darf, wenn alle Voraussetzungen der Vorschrift nachgewiesen sind. Anders verhält es sich jedoch bei den speziellen Missbrauchsvorschriften. Hier muss die Behörde lediglich die Gleichartigkeit der Vergleichsunternehmen beweisen. Dem betroffenen Unternehmen obliegt jedoch der Nachweis, dass die von der Kartellbehörde anhand des Vergleichs ermittelten Preisunterschiede auf Umständen beruhen, die ihm nicht zugerechnet werden können. Insofern ist die Anwendung der speziellen Missbrauchsvorschriften für das betroffene Versorgungsunternehmen deutlich nachteiliger. In der Praxis bedeutet dies für den Wasserversorger, dass sehr viel mehr Ressourcen in die Aufarbeitung und den Nachweis des Sachverhalts investiert werden müssen. Gelingt der Nachweis nicht, trägt das Unternehmen das Risiko des Erlasses einer Missbrauchsverfügung.

Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass die allgemeinen Missbrauchsvorschriften rückwirkende Maßnahmen gestatten. Demnach kann die Kartellbehörde auf der Grundlage des § 19 GWB eine rückwirkende Preissenkung und damit einhergehend eine Rückzahlung der bereits erhaltenen Entgelte anordnen. Die speziellen Missbrauchsvorschriften gestatten dies nicht. Insoweit können aus Unternehmenssicht die allgemeinen Vorschriften sehr viel nachteiliger sein, insbesondere wenn der den Ermittlungen zugrunde gelegte Zeitraum des Missbrauchs relativ lang ist.

Auch wenn die kartellrechtliche Wasserpreiskontrolle komplex erscheint, sollten sich die kommunalen Wasserversorger diesem Thema nicht verschließen. Denn grundsätzlich gilt auch hier, dass die Erfolgschancen einer Verteidigung des Wasserpreises steigen, je besser ein Wasserversorger auf ein mögliches Missbrauchsverfahren vorbereitet ist. Dabei hat er insbesondere seinen derzeitigen Wasserpreis und seine Kostenkalkulation kritisch vor dem kartellrechtlichen Hintergrund zu analysieren.

 

Dr. Thomas Kapp

Rechtsanwalt, Partner, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Stuttgart
 

Karin Hummel

Rechtsanwältin, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Stuttgart
n/a