15.04.2013

Die neue Rundfunkfinanzierung

Umstellung bindet finanzielle und personelle Kapazitäten der Kommunen

Die neue Rundfunkfinanzierung

Umstellung bindet finanzielle und personelle Kapazitäten der Kommunen

Von der Gerätegebühr zur Betriebsstättenabgabe. | © Alexandr Mitiuc - Fotolia
Von der Gerätegebühr zur Betriebsstättenabgabe. | © Alexandr Mitiuc - Fotolia

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk und das öffentlich-rechtliche Fernsehen sind ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Gesellschaft. Das System hat sich bewährt und leistet einen wichtigen Beitrag für die Beständigkeit unseres demokratischen Rechtsstaates und die notwendigen Informationen für die Bürgerinnen und Bürger. Gerade in einer Mediengesellschaft, in der die Menschen zu Recht immer mehr und bessere Berichte erwarten, spielt der öffentliche Rundfunk eine tragende Rolle. Es handelt sich auch nicht – wie Kritiker teilweise argumentieren – um „Staatsrundfunk“ oder „Staatsfernsehen“. Die gesellschaftlichen Gruppen wirken in den Rundfunkanstalten über die Kontrollgremien wie den Rundfunkbeiräten mit und stellen die Unabhängigkeit der Redaktionen nicht in Frage. Im Zeitalter der Hochfrequenzpolitik werden Medien, die auch ohne den Druck von Werbeeinnahmen und Einschaltquoten komplizierte politische und gesellschaftliche Zusammenhänge unkompliziert und sachlich darstellen können, immer bedeutsamer. Wenn man diesen öffentlichen Auftrag akzeptiert, dann ist es nur konsequent, auch eine öffentlich-rechtliche Finanzierung vorzusehen.

Systemumstellung ist richtiger Ansatz

Die bisherige Finanzierung, die auf den Besitz einzelner Empfangsgeräte abstellte, ist mittlerweile allerdings überholt. Die Sendungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werden heute nicht mehr ausschließlich mit reinen Fernseh- oder Radiogeräten empfangen, sondern zunehmend mit mobilen Geräten, auch über das Internet. Vor diesem Hintergrund würde das Festhalten an einer gerätegebundenen Rundfunkgebühr im Vollzug eine kaum praktikable Ermittlung aller potenziellen Empfangsgeräte erfordern. Aufgrund dieser Erkenntnis haben sich die Landesregierungen auf ein System zur geräteunabhängigen Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verständigt. Ein wesentlicher Zweck der Umstellung auf das neue Beitragsmodell war die Erhöhung gesamtgesellschaftlicher Akzeptanz der öffentlich-rechtlichen Rundfunkfinanzierung. Gleichzeitig haben sich die Vertragspartner ausdrücklich zum Grundsatz der Aufkommensneutralität für Privathaushalte, Unternehmen und die öffentliche Hand bekannt. Aus Sicht der Städte und Gemeinden besteht allerdings hinsichtlich der gesetzgeberischen Ziele der Systemumstellung noch Nachbesserungsbedarf. Dabei stellt der Deutsche Städte- und Gemeindebund weder den öffentlich-rechtlichen Rundfunk noch seine Finanzierung durch kollektive Beiträge in Frage. Die nunmehr geltende geräteunabhängige Beitragsbemessung für die Rundfunk- und Fernsehnutzung ist ein richtiger Ansatz. Anders als in Privathaushalten, in denen ein Beitrag je Wohnung anfällt, müssen die Kommunen jetzt ihre Beiträge entsprechend der Anzahl ihrer Dienststellen und Betriebsstätten unter Berücksichtigung der dort Beschäftigten und nach der Anzahl ihrer Kraftfahrzeuge entrichten. Zahlreiche Kommunen sind nunmehr mit wesentlich höheren Abgaben konfrontiert. So sind Kostensteigerungen um das Sieben- bis Zehnfache in vielen Städten Deutschlands kein Einzelfall. Je dezentraler und bürgernäher eine Stadtverwaltung organisiert ist, desto drastischer ist der Kostenanstieg beim neuen Rundfunkbeitrag. So hat sich z.B. bei der Stadt Bergisch Gladbach bei Köln (ca. 105.000 Einwohner) nach der derzeitigen Datenlage der Betrag von 2.000 auf nunmehr 20.000 Euro erhöht.

Überproportionale Belastungen der Kommunen vermeiden

Die Rundfunkkommission bei der Ministerpräsidentenkonferenz der Länder muss hier handeln und diese Ungerechtigkeiten beseitigen. Städte und Gemeinden nutzen ihre Betriebsstätten und Kraftfahrzeuge nicht primär zum Medienkonsum, sondern zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Interesse des Gemeinwohls. Die Umstellung auf den neuen Rundfunkbeitrag hat bei den Kommunen einen enormen Beratungs- und Organisationsbedarf ausgelöst, der auch personelle Kapazitäten bindet.


Allein die Feststellung des Beitragsaufkommens ist für die Kommunen kein einfacher Weg. Die für die Bemessung des neuen Rundfunkbeitrags relevanten Daten werden derzeit bundesweit bei den Kommunen und ihren Einrichtungen abgefragt. Bei der Erfüllung ihrer Auskunftspflichten stehen die Kommunen aber vor zahlreichen Fragen zur Auslegung des neuen Regelwerks, die sich auch anhand der von den Rundfunkanstalten und der Servicestelle Rundfunkbeitrag, der ehemaligen GEZ , bereitgestellten Informationen nicht immer praxisgerecht beantworten lassen.

Sicherlich erfolgt eine Systemumstellung eines solchen Ausmaßes in den seltensten Fällen völlig reibungslos. Aus diesem Grunde ist eine Evaluierung des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages von vornherein nach einer zweijährigen Erprobungsphase mit eingeplant worden. Auf eine solche kann vor dem Hintergrund der immensen Belastung der Städte und Gemeinden allerdings nicht mehrere Jahre gewartet werden. Die Bundesländer, die den Staatsvertrag als Landesgesetze in Kraft gesetzt haben, waren sich der gravierenden Auswirkungen auf die kommunalen Haushalte offensichtlich nicht ausreichend bewusst. Es muss ein Weg eröffnet werden, der den bürokratischen Aufwand für die Kommunen minimiert und der sicherstellt, dass die bei der Reform zugesagte Aufkommensneutralität in der Praxis auch bei den Städten und Gemeinden zum Tragen kommt. Es wird zu prüfen sein, ob Pauschalen zum Beispiel nach der Zahl der Beschäftigten auf der Grundlage des geschlossenen Staatsvertrages umgesetzt werden können oder eine Änderung dieser Vereinbarung erforderlich ist. Insbesondere muss verhindert werden, dass gerade besonders bürgernahe Verwaltungen mit zusätzlichen Kosten belastet werden. Wenn beispielsweise eine Gemeinde mit großer Fläche in mehreren Ortschaften zu unterschiedlichen Zeiten ein Bürgeramt betreibt, um besonders bürgernah zu handeln, sollte dies nicht mit höheren Rundfunkbeiträgen bestraft werden. Insoweit muss auch geprüft werden, ob nicht die Kernverwaltung einer Stadt jeweils als eine Betriebsstätte angesehen werden kann. Hierzu gehören beispielsweise Ordnungsamt, Bürgeramt, Einwohnermeldeamt oder Standesamt unabhängig von der Anzahl der Zweigstellen. Wenn also das Standesamt nicht nur im Rathaus, sondern zeitweise Eheschließungen auch auf einer historischen Burg oder einem anderen schönen Rahmen ermöglicht, sollte dieses beitragsrechtlich bedeutungslos sein.

Kein Boykott, sondern politische Lösung

Die Städte und Gemeinden sind sich selbstverständlich bewusst, dass die Zahlung der Rundfunkbeiträge eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung darstellt. Insoweit hat der Deutsche Städte- und Gemeindebund auch zu keinem Zeitpunkt zu einem Boykott aufgerufen. Erforderlich ist eine sachgerechte Lösung im Einvernehmen mit den Ländern. Die Kritik des Deutschen Städte- und Gemeindebundes ist überwiegend positiv und konstruktiv aufgenommen worden. So haben zum Beispiel die kommunalen Spitzenverbände in Berlin mit dem ZDF -Intendanten Dr. Thomas Bellut ein Gespräch geführt und waren sich im Ergebnis einig, dass die neue Berechnung des Rundfunkbeitrages bei den Städten, Kreisen und Gemeinden zu einer erheblichen Mehrbelastung führt. Die Vertreter des ZDF betonten, dass die Sorgen der Kommunen hinsichtlich des zu zahlenden Rundfunkbeitrages sehr ernst genommen werden und erklärten ihre Bereitschaft, in dieser Angelegenheit auf die Staatskanzleien der Länder zuzugehen und dort anzuregen, den Zeitpunkt der vorgesehenen Evaluation des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags zu überprüfen, sobald von allen Seiten valides Zahlenmaterial vorliegt. In der Zwischenzeit werden die kommunalen Spitzenverbände in Absprache mit den Staatskanzleien die Angaben zur Bemessungsgrundlage und Beitragsbelastung bei den Städten, Kreisen und Gemeinden erheben.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund geht davon aus, dass es bei dem Thema Rundfunkbeitrag für Städte und Gemeinden zur einer einvernehmlichen Regelung mit der Politik kommt und hofft, dass eine entsprechende Lösung noch im Jahre 2013 umgesetzt werden kann.

 

 

Dr. Gerd Landsberg

Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Deutschen Städte- und Gemeindebundes a.D., Berlin
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