15.04.2013

Anreizregulierung der Versorgungsnetze

Der Effizienzvergleich und die Besonderheiten der Versorgungsaufgabe

Anreizregulierung der Versorgungsnetze

Der Effizienzvergleich und die Besonderheiten der Versorgungsaufgabe

BGH entscheidet Grundsatzfragen der Anreizregulierung. | © rupbilder - Fotolia
BGH entscheidet Grundsatzfragen der Anreizregulierung. | © rupbilder - Fotolia

Am 06.11.2007 ist die Verordnung über die Anreizregulierung der Energieversorgungsnetze ( BGB l. I S. 2529 – im Folgenden: AR egV) in Kraft getreten. Kernstück der AR egV ist der Effizienzvergleich. Mit diesem sollen die Ineffizienzen der Netzbetreiber festgestellt werden, die sich wiederum mindernd auf die dem Netzbetreiber zu genehmigenden Erlöse, die aus dem Betrieb des Netzes erzielt werden dürfen, auswirken.

In zwei Beschlüssen hat sich der Bundesgerichtshof ( BGH , Beschl. v. 09.10.2012, Az. En VR 86/10 und En VR 88/10) nun erstmals mit diesem Kernpunkt der Anreizregulierung befasst und zu einigen Rechtsfragen rund um den Effizienzvergleich sowie der Bestimmung des individuellen Effizienzwertes der einzelnen Netzbetreiber Feststellungen getroffen, die im Folgenden näher beleuchtet werden sollen.

Parameter des Effizienzvergleichs

In seinem Beschluss vom 09.10.2012 (En VR 88/10) hatte sich der BGH zunächst mit den Vergleichsparametern des Effizienzvergleiches befasst. So hat er festgestellt, dass die Bundesnetzagentur ( BN etzA) nicht ermessensfehlerhaft gehandelt hat, indem diese beim Effizienzvergleich im Bereich der Stromversorgungsnetze Höchstspannungseinrichtungen und das Verhältnis zwischen der Anzahl von Zählpunkten und der Anzahl von Anschlusspunkten nicht als Vergleichsparameter heranzog. Bei der Auswahl der relevanten Vergleichsparameter seien die Vorgaben der AR egV zu berücksichtigen. Die Regulierungsbehörde habe in der ersten und zweiten Regulierungsperiode lediglich die in § 13 Abs. 4 AR egV genannten vier Vergleichsparameter zwingend zu verwenden, wozu die vorbezeichneten Parameter nicht gehörten. Die BN etzA hat im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens insgesamt elf Vergleichsparameter festgelegt. Diese müssen nach § 13 Abs. 3 Satz 2 AR egV geeignet sein, die Belastbarkeit des Effizienzvergleiches zu stützen. Diese Belastbarkeit ist nach § 13 Abs. 3 Satz 3 AR egV insbesondere dann anzunehmen, wenn sie messbar oder mengenmäßig erfassbar, nicht durch Entscheidungen des Netzbetreibers bestimmbar und nicht in ihrer Wirkung ganz oder teilweise wiederholend sind.


BNetzA handelte ohne Ermessensfehler

Der BGH hat in seiner Entscheidung festgestellt, dass die BN etzA auf Basis dieser Maßgaben ermessensfehlerfrei davon abgesehen hat, die vom Netzbetreiber geforderten weiteren Parameter zu berücksichtigen. Der Betrieb von Einrichtungen im Bereich der Höchstspannung in einem Verteilnetz stelle eine Ausnahme dar. Wenn diese im Effizienzvergleich aufgenommen werden würden, dann würde ein Vergleichsparameter berücksichtigt, der nur in Ausnahmefällen Bedeutung erlangt. Im Ergebnis würde dann aber das in § 13 Abs. 3 Satz 8 AR egV vorgegebene Ziel, die strukturelle Vergleichbarkeit möglichst weitgehend zu gewährleisten, allenfalls rudimentär erreicht. Daher ist es nach Ansicht des BGH nicht ermessensfehlerhaft, wenn die BN etzA von der Berücksichtigung dieses Parameters abgesehen hat. Der BGH hat weiter festgestellt, dass die BN etzA auch ohne Ermessensfehler davon Abstand genommen hat, das Verhältnis zwischen der Anzahl von Zählpunkten und der Anzahl von Anschlusspunkten als Vergleichsparameter heranzuziehen. Er führt aus, dass die BN etzA im Rahmen der Strukturdatenabfrage bei den Stromnetzbetreibern auch die Anzahl der Zählpunkte abgefragt habe. Das von der BN etzA in Auftrag gegebene Gutachten „Verteilernetzbetreiber (Strom) – Ergebnisdokumentation zur Bestimmung der Effizienzwerte“ vom 14.11.2008 komme zu dem Ergebnis, dass durch das Hinzufügen von Zählpunkten keine systematische Verbesserung derjenigen Unternehmen eintrete, die einen besonders hohen Wert bei der Kennzahl „Zählpunkte pro Anschlusspunkt“ aufwiesen. Es ist nach den Feststellungen des BGH ermessensfehlerfrei, wenn die BN etzA auf Basis des Gutachtens sowie unter Berücksichtigung der Vorgaben des § 13 Abs. 3 Satz 2 und 3 AR egV auch diesen Parameter nicht als Vergleichsparameter herangezogen hat. Darüber hinaus habe die BN etzA von der Einbeziehung dieses Parameters auch deshalb absehen dürfen, weil er nach Ansicht des BGH zumindest teilweise wiederholend ist.

Die teilweise wiederholende Wirkung hat nach Ansicht des BGH zwar nicht zwingend zur Folge, dass die Berücksichtigung solcher Parameter unzulässig sei. Da sich der Verordnungsgeber in § 13 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 AR egV aber dazu entschlossen hatte, lediglich die Anzahl der Anschlusspunkte als zwingend zu verwendenden Vergleichsparameter vorzugeben, sei es nicht ermessensfehlerhaft, das Verhältnis zwischen Zähl- und Anschlusspunkten aufgrund der teilweise wiederholenden Wirkung nicht in den Effizienzvergleich einzubeziehen. Letztlich hat der BGH festgestellt, dass der Netzbetreiber darüber hinaus auch nicht dargelegt habe, dass durch das Hinzufügen der Zählpunkte eine systematische Verbesserung derjenigen Unternehmen eintritt, die einen besonders hohen Wert bei der Kennzahl „Zählpunkte pro Anschlusspunkte“ aufweisen. Der BGH hat in dem vorbezeichneten Verfahren den Vortrag des Netzbetreibers im Ergebnis also als nicht ausreichend erachtet, um die Kennzahl „Zählpunkte pro Anschlusspunkte“ im Effizienzvergleich zusätzlich zu berücksichtigen. Er hält es aber offenbar für möglich, dass solch ein Vortrag gelingen kann. Wenn das der Fall sein sollte, könnte der BGH in einem anderen Fall zu einer abweichenden Entscheidung kommen. Die Frage, ob die Kennzahl „Zählpunkte pro Anschlusspunkte“ im Effizienzvergleich zu berücksichtigen ist, scheint nach den Feststellungen des BGH also noch nicht abschließend beantwortet zu sein.

Besondere Versorgungsaufgabe

In seinem Beschluss vom 09.10.2012 hat der BGH zu einem weiteren wichtigen Rechtskreis erste grundlegende Feststellungen getroffen, nämlich den in Einzelfällen zu bereinigenden Effizienzwert des Netzbetreibers bei Vorliegen von Besonderheiten der Versorgungsaufgabe. Die Regulierungsbehörde hat einen Aufschlag auf den ermittelten Effizienzwert anzusetzen, wenn ein Netzbetreiber nachweist, dass Besonderheiten seiner Versorgungsaufgabe bestehen, die im Effizienzvergleich durch die Auswahl der Parameter nicht hinreichend berücksichtigt wurden und dies die nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AR egV ermittelten Kosten um mindestens drei Prozent erhöht. Zur Versorgungsaufgabe im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 AR egV gehören nach den Feststellungen des BGH alle Anforderungen, die an den Netzbetreiber von außen herangetragen werden und denen er sich nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand entziehen kann. Dies seien alle Rahmenbedingungen, mit denen sich der Netzbetreiber beim Betrieb des Netzes konfrontiert sieht und auf die er keinen unmittelbaren Einfluss hat. Der BGH stellt in diesem Zusammenhang in seinem Beschluss vom 09.10.2012 (Az. En VR 88/10) fest, dass weder aus dem Wortlaut noch aus der Systematik der AR egV ein engeres Verständnis hergeleitet werden könne. Daher hat der BGH dann auch den Betrieb von Einrichtungen aus dem Bereich der Höchstspannung durch einen Verteilnetzbetreiber als eine Besonderheit der Versorgungsaufgabe angesehen. Der BGH hat darüber hinaus festgestellt, dass auch eine über dem Durchschnitt liegende Anzahl von Zählpunkten eine Besonderheit der Versorgungsaufgabe darstellen kann. Im hiesigen Verfahren war dem Netzbetreiber lediglich der Mehrkostennachweis nicht gelungen.

Nach den Feststellungen des BGH kann man davon ausgehen, dass es eine Vielzahl von Besonderheiten der Versorgungsaufgabe geben kann. Welche das im Einzelnen sein können, damit werden sich voraussichtlich weiter die Oberlandesgerichte und der BGH beschäftigen müssen. Berücksichtigungsfähig im Sinne des § 15 AR egV sind solche Besonderheiten jedoch nur, wenn die jeweilige – einzelne – Besonderheit zu einer Erhöhung der nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AR egV ermittelten Kosten um mindestens drei Prozent geführt hat. Dies hat der BGH in seinem Beschluss vom 09.10.2012 ausdrücklich so vorgegeben. Wie der Mehrkostennachweis im Einzelfall geführt werden muss, was konkret dargelegt und nachgewiesen werden muss, ist auch nach den vorbezeichneten Beschlüssen des BGH weiterhin ungeklärt.

 

Dr. Christian Dessau

Rechtsanwalt, Partner Counsel, Becker Büttner Held, Berlin
 

Torsten Schröder

Rechtsanwalt, Counsel, Becker Büttner Held, Berlin
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