15.04.2013

Aufenthalt von Minderjährigen

Meldepflicht beim nichtsorgeberechtigten geschiedenen Elternteil

Aufenthalt von Minderjährigen

Meldepflicht beim nichtsorgeberechtigten geschiedenen Elternteil

Bei vorsätzlichen oder fahrlässigen Meldepflicht-Verstößen droht Geldbuße. | © Marem - Fotolia
Bei vorsätzlichen oder fahrlässigen Meldepflicht-Verstößen droht Geldbuße. | © Marem - Fotolia

In einer kürzlich getroffenen Entscheidung hat das VG München (Urt. v. 15.11.2012 – M 22 K 12.1273) zu Fragen im Zusammenhang mit der Meldepflicht für Minderjährige bei Aufenthalten beim nichtsorgeberechtigten geschiedenen Elternteil nach bayerischem MeldeG Stellung genommen.

Grundsätzlich besteht für jedermann bei „Bezug“ einer „Wohnung“ die Pflicht, innerhalb einer Woche seine Wohnung bei der zuständigen Meldebehörde zu melden, (Art. 13 I MeldeG).

Hat die meldepflichtige Person noch nicht das 16. Lebensjahr vollendet, so liegt die Verpflichtung zur Meldung bei ihrem gesetzlichen Vertreter i.S.v. § 1629 I BGB . Die Meldepflicht kann stattdessen auch beim Personensorgeberechtigten i.S.v. § 1629 a BGB liegen, sofern dessen „Wohnung“ vom Minderjährigen „bezogen“ wird (Art. 13 III 2 MeldeG).


Begriff der Wohnung

Der Begriff der „Wohnung“ ist in Art. 14 S. 1 MeldeG, als „umschlossener Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird“, legaldefiniert.

Der zivilrechtliche Wohnungsbegriff aus § 11 BGB spielt dagegen im Melderecht keine Rolle (vgl. Böttcher/Ehmann, Pass, Ausweis und Melderecht in Bayern, Stand 6/2012, Art. 14 Rn. 9). Hierbei ist zudem zwischen Haupt- und Nebenwohnungen zu unterscheiden (Art. 15 I, III MeldeG). Darüber hinaus geht das VG München von folgenden weiteren Mindestanforderungen aus, welche an eine „Wohnung“ nach Art. 14 S. 1 MeldeG zu stellen sind.

  • Danach muss eine „Wohnung“ grundsätzlich, über den bloßen Aufenthalt in den Räumen hinaus, grundlegende Bedürfnisse des täglichen Lebens erfüllen können.
  • Im Falle des Aufenthalts beim nichtsorgeberechtigten Elternteil bedeutet dies nach Ansicht des VG München, dass die Kinder dort über ein eigenes Zimmer mit Schlafmöglichkeit, einen Schrank zur Unterbringung ihrer Kleidung und einen Schreibtisch verfügen.
  • Dabei ist es nach Ansicht des VG München unschädlich, wenn eines von mehreren Kindern im Nebenzimmer d.h. im Schlafzimmer des nichtsorgeberechtigten Elternteils übernachtet.

„Bezug“ der Wohnung

Ein „Bezug“ der Wohnung im Sinne von Art. 13 I MeldeG liegt, unter Bezugnahme auf die Entscheidung des VG dann vor, wenn die Wohnung für Angelegenheiten des täglichen Lebens, wie Aufhalten, Essen und Schlafen (vgl. Böttcher/Ehmann, Pass, Ausweis und Melderecht in Bayern, Stand 6/2012, Art. 13 Rn. 23), im Regelfall für eine längere Dauer, oder im Falle einer Nebenwohnung in regelmäßig wiederkehrenden, auch kürzeren Abständen, benutzt wird (vgl. VG München a.a.O., S. 6).

Aus Art. 15 I, III i.V.m. Art. 13 I MeldeG folgt daher, dass jede betroffene Wohnung, also Hauptwohnung und Nebenwohnung, bei der zuständigen Meldebehörde zu melden ist.

Regelmäßiger Aufenthalt über längeren Zeitraum

Die Beurteilung der Tatsache, ob die Wohnung des nichtsorgeberechtigten Elternteils für die Kinder eine meldepflichtige Nebenwohnung gem. Art. 14 S. 1, 15 III MeldeG darstellt, ist nach dem „Prognosezeitraum“ hinsichtlich des dortigen Aufenthalts der Kinder für die Zukunft zu beurteilen (BverwG, Urt. v. 15.10.1991, Az.: 1 C 24/90). Eine Prognose ergibt sich beispielsweise aus einer zwischen den Elternteilen getroffenen Umgangsregelung. Diese Umgangsregelung genießt gegenüber gesetzlichen Regelungen des Familienrechts Vorrang (vgl. VG München a.a.O., S. 7 f.).

Hinsichtlich auftretender (auch nicht vorhersehbarer) Unterbrechungen des Aufenthalts der Kinder beim nichtsorgeberechtigten Elternteil ist wie folgt zu differenzieren:

  • Kurzfristige krankheitsbedingte Änderungen des Aufenthalts beim nichtsorgeberechtigten Elternteil haben, unabhängig davon ob die Dauer des Aufenthalts absehbar ist oder nicht, melderechtlich keinerlei Auswirkungen (vgl. VG München a.a.O., S. 8). Daher ist es unbeachtlich für die Meldepflicht, wenn der nichtsorgeberechtigte Elternteil die Kinder an den vereinbarten Tagen, beispielsweise wegen einer Kurzzeiterkrankung, nicht übernehmen kann.
  • Allerdings haben erhebliche Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse sehr wohl eine melderechtliche Relevanz. Eine solche erhebliche Veränderung liegt beispielsweise vor, wenn der nichtsorgeberechtigte Elternteil erkrankt und in Folge dessen ein zeitlich nicht überschaubarer stationärer Aufenthalt erforderlich wird (vgl. VG München a.a.O., S. 10).
  • Dasselbe dürfte auch bei vorübergehenden berufsbedingten Verpflichtungen des nichtsorgeberechtigten Elternteils, an einem anderen Ort als seinem Wohnort, gelten.Der Zeitraum der Erkrankung/berufsbedingten Abwesenheit ist dabei aus ex-ante-Sicht zu beurteilen. Daneben setzt eine erhebliche Veränderung auch voraus, dass die Kinder in diesem Zeitraum die Nebenwohnung nicht beziehen (vgl. VG München a.a.O., S. 10).

Ausnahmen von der Meldepflicht

Eine Ausnahmeregelung zur Meldepflicht stellt Art. 22 II Nr. 1 MeldeG dar, wonach die Meldepflicht aus Art. 13 I, II MeldeG entfällt, wenn der Meldepflichtige, zum Zwecke eines nicht länger als zwei Monate dauernden durchgehenden Aufenthalts, eine weitere Wohnung bezieht.

Art. 22 II Nr.1 MeldeG soll somit vor allem Fälle von nur vorübergehenden Besuchsaufenthalten bei Verwandten o. ä. umfassen. Allerdings ist die Regelung nicht allein auf derartige Besuchsaufenthalte beschränkt, sondern in einem weiteren Sinne zu verstehen (vgl. Böttcher/Ehrmann, a.a.O., Art. 22 Rn. 29, 34).

Dies wäre daher auch dann der Fall, wenn sich die Kinder durchgehend für einen Zeitraum von maximal zwei Monaten in der Wohnung des gemeldeten nichtsorgeberechtigten Elternteils aufhalten würden, weil dieser Elternteil beispielsweise aus der betreffenden Wohnung vor Überschreiten der Zweimonatsgrenze, wieder auszieht. Hier soll Art. 22 II Nr.1 MeldeG dem gesetzlich-vertretenden Elternteil die umständlichen Meldeformalitäten ersparen (vgl. Böttcher/Ehrmann, a.a.O., Art. 22 Rn. 33).

Zweimonatsgrenze entscheidend

Daneben deutet das VG München in seiner Entscheidung an, dass eine analoge Anwendung des Art. 22 II Nr.1 MeldeG in den Fällen in Betracht zu ziehen ist, in denen der Aufenthalt in der meldepflichtigen Wohnung im prognostizierten Jahr insgesamt, auch bei mehrmaligen nicht zusammenhängenden Kurzaufenthalten, die Zweimonatsgrenze nicht überschreitet (vgl. VG München a.a.O., S. 9; angedeutet in vgl. Böttcher/Ehrmann a.a.O., Art. 15 Rn. 57).

Im Umkehrschluss bedeutet das, dass jeder alleine sorgeberechtigte Elternteil die gemeinsamen Kinder in der Nebenwohnung des nichtsorgeberechtigten Elternteils melden muss, wenn die gemeinsamen Kinder dem nichtsorgeberechtigten Elternteil pro Jahr für eine Dauer von insgesamt mehr als zwei Monaten zum Aufenthalt in dessen Wohnung überlassen werden.

Die von der Regelung des Art. 22 II Nr.1 MeldeG betroffen Kinder sind daher jene, welche jedes zweite Wochenende von Freitagnachmittag bis Sonntagabend [d.h. 2 Tage x 26 Wochenenden = 52 Tage pro Jahr, also kürzer als 2 Monate] überlassen werden. Für sie besteht folglich eine Ausnahme von der Meldepflicht (Anmerkung: im Unterschied zur Darstellung des VG München a.a.O., S. 7, wird hier von 26 und nicht von 20 Wochenenden ausgegangen, da in der hiesigen Berechnung keine zusätzliche Überlassung der Kinder für sechs Ferienwochen zugrunde gelegt wird).

Hingegen besteht für Kinder, welche jedes zweite Wochenende von Freitagnachmittag bis Montagfrüh [d.h. 2,5 Tage x 26 Wochenenden = 65 Tage pro Jahr, also länger als 2 Monate] überlassen werden, sehr wohl eine Meldepflicht. Hier muss der alleine sorgeberechtigte Elternteil die Kinder folglich in der Nebenwohnung des nichtsorgeberechtigten Elternteils melden.

Vereinzelte Überlassung problematisch

Problematisch ist die Situation jedoch, wenn die Kinder, neben der Überlassung an jedem zweiten Wochenende, zusätzlich noch an vereinzelten Feier- oder Ferientagen überlassen werden.

In diesen Fällen ist eine taggenaue Berechnung erforderlich, um gegebenenfalls ein Überschreiten der Zweimonatsgrenze aus Art. 22 II Nr.1 MeldeG feststellen zu können. Andernfalls können dem alleine sorgeberechtigten Elternteil, neben einer Erfüllung der Meldepflicht für die Zeiträume in der Vergangenheit (vgl. VG München, a.a.O., S. 10, sog. „Rückwirkung der Meldepflicht“) , auch Bußgelder auferlegt werden, gem. Art. 35 Nr. 3 MeldeG.

Taggenaue Angabe des Aufenthalts ist schwierig

Es liegt auf der Hand, dass sich in Einzelfällen die genaue Zahl der überlassenen Tage, aufgrund von mit Feier-/ Ferientagen zusammenfallenden Wochenenden, nicht ohne weiteres bestimmen lässt.

Dasselbe gilt für Überlassungsregelungen zwischen den Eltern, die eine Überlassung der Kinder an den nichtsorgeberechtigten Elternteil alle drei Wochen nebst einer gewissen Anzahl von Feier-/Ferientagen o.Ä. vorsehen.

Erst recht kompliziert sind auch Fälle, in denen zusätzlich noch erhebliche Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse beim nichtsorgeberechtigten Elternteil auftreten.

In diesem Zusammenhang erscheint es unverhältnismäßig und zu formalistisch, die Meldepflichtigen bzw. die betroffenen Personensorgeberechtigten, zum Führen einer Strichliste über jeden Tag der Überlassung der Minderjährigen zu zwingen (vgl. Böttcher/Ehrmann, a.a.O., Art. 15 Rn. 55). Doch gerade zu dieser Strichlistenführung zwingt das Gesetz die betroffenen Eltern, weil eine genaue Berechnung nach Tagen erforderlich ist, um Bußgelder zu vermeiden, siehe oben.

Praktikable Lösung gefordert

In der Praxis soll es für die Bestimmung der Tage jedoch auch ausreichen, auf Erfahrungstatsachen abzustellen (vgl. Böttcher/Ehrmann, a.a.O., Art. 15 Rn. 58).

Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass bei der analogen Anwendung des Art. 22 II Nr.1 MeldeG aus Praktikabilitäts- und Verhältnismäßigkeitsgründen eine großzügige, d.h. bürgerfreundliche Handhabung durch die Verwaltung, bei der Bestimmung ob in hiesigen Fällen einen tatsächliche Meldepflicht besteht, angezeigt bzw. erforderlich ist. Hierfür spricht auch, dass andernfalls bei Bekanntwerden dieser Problematik eine Welle von Nebenwohnungsmeldungen anzunehmen ist, was angesichts der großen Anzahl der betroffenen Scheidungskinder eine unnötige Belastung der Verwaltung bedeuten würde. Denn nahezu alle Elternteile dürften sich der tatsächlich bestehenden Meldepflicht ihrer, dem anderen Elternteil in dessen Nebenwohnung, überlassenen Kinder nicht bewusst sein.

In diesem Zusammenhang ist auch zu bedenken, dass die Meldebehörde oftmals erst durch Hinweise von Nachbarn auf derartige Meldepflichten aufmerksam wird, sodass in der Praxis, deren nachträgliche Erfüllung bzw. die Verhängung entsprechender Sanktionen gegenüber den meldepflichtigen Elternteilen häufig vom Zufall abhängen dürfte.

Die Unnötigkeit einer strikten analogen Anwendung des Art. 22 II Nr. 1 MeldeG wird auch in Ansehung des Art. 3 I Nr. 13-15 MeldeG offenbar, da die relevanten Daten, hinsichtlich der Personensorge für Kinder aus geschiedenen Ehen, auch ohne Meldung der Kinder in der betroffenen Nebenwohnung erfasst werden. Insofern fehlt auch die Notwendigkeit einer strikten Durchsetzung der Meldepflicht in den obengenannten Problemfällen.

Dies muss auch insbesondere angesichts der folgenden Tatsache gelten, dass Art. 15 I, IV MeldeG, hinsichtlich der Anmeldung von Nebenwohnungen, hauptsächlich Bedeutung für das Wahlrecht, KFZ -Versicherungen, und die Zweitwohnungssteuer hat (vgl. Böttcher/Ehrmann, a.a.O., Art. 15 Rn. 12, 14, 15). Minderjährige wären somit hiervon nicht tangiert.

Es bietet sich insofern auch eine nachträgliche Konkretisierung des Gesetzestextes in Art. 22 II MeldeG an, welcher beispielsweise, Kinder bis einschließlich 16 Jahren gänzlich von einer Meldepflicht für Nebenwohnungen befreit. Dadurch würde die Verwaltung spürbar entlastet, da damit deutlich weniger Fälle von Meldepflichten für Nebenwohnungen von Minderjährigen gegeben wären, weil erfahrungsgemäß eher jüngere Kinder aufgrund ihres Alters zusätzlich eine Nebenwohnung beim anderen Elternteil beziehen.

 

Marc-Daniel Stolzki

Rechtsreferendar beim LG München I, Jura-Studium Ludwig-Maximilians-Universität und Universitat Abad Oliba Barcelona, Schwerpunktbereich Europa- und Völkerrecht München
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