15.04.2013

Vorsicht bei der kürzeren Prüffrist

Die VOB/B 2012 in der Praxis des öffentlichen Auftraggebers

Vorsicht bei der kürzeren Prüffrist

Die VOB/B 2012 in der Praxis des öffentlichen Auftraggebers

Durch Fristablauf können Schäden entstehen. | © beermedia - Fotolia
Durch Fristablauf können Schäden entstehen. | © beermedia - Fotolia

Seit nunmehr einem halben Jahr ist die VOB/B 2012 verbind-lich eingeführt (Erlass des BMVBS vom 26.Juni 2012). Da die Neuregelungen den § 16 VOB/B und dort die Fälligkeits- und Verzugsregelung betreffen, werden die meisten Auftraggeber (AG) mit den Auswirkungen und der Umsetzung in der Praxis noch nicht konfrontiert worden sein. Der Beitrag stellt daher zum einen die Änderungen und zum anderen mögliche Auswirkungen in der Praxis dar. Von Bedeutung sind dabei insbesondere auch die Vorgaben aus dem Vergabehandbuch Bund (VHB) in der Fassung von August 2012.

› Das VHB gibt dem AG einen Leitfaden an die Hand.

Prüffrist/Fälligkeit

Nach § 16 Abs. 3 Nr.1 VOB/B 2012 wird die Höchstprüffrist und damit der späteste Fälligkeitszeitpunkt für die Schlussrechnung von 2 Monaten auf grundsätzlich 30 (Kalender-) Tage nach Zugang der prüfbaren Schlussrechnung beim AG verkürzt. Es besteht jedoch die Möglichkeit, die Frist durch eine ausdrückliche Vereinbarung auf bis zu 60 Tage zu verlängern, wenn die Verlängerung „aufgrund der besonderen Natur oder Merkmale der Vereinbarung sachlich gerechtfertigt ist“. Einwendungen gegen die Prüfbarkeit können unter Angabe von Gründen indes nur innerhalb der jeweiligen Frist erhoben werden (§ 16 Abs. 3 Nr. 1 Satz 3 VOB/B). Für Abschlagsrechnungen wurde durch den neuen § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/B lediglich im Rahmen der Harmonisierung die Frist von Werktagen auf Kalendertage umgestellt, so dass die Prüffrist nun anstatt 18 Werktage 21 Kalendertage beträgt.

Verzug

Nach § 16 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B bedarf es für die Herbeifüh-rung des Verzugs keiner Nachfristsetzung mehr. Der AG kommt grundsätzlich automatisch 30 Tage nach Zugang der Rechnung beim AG in Verzug. Es besteht jedoch auch hier die Möglichkeit, die Frist unter den gleichen Voraussetzungen wie bei der Prüffrist auf bis zu 60 Tage zu verlängern. Zu beachten ist dabei, dass es für die Rechtzeitigkeit der Leistung entgegen der früheren Fassung nicht mehr auf die Leistungshandlung sondern auf den Zahlungseingang beim Auftragnehmer (AN) ankommt (vgl. § 16 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 und 4 VOB/B).


› Bedeutung hat die Nachfristsetzung nach wie vor für ein Leistungsverweigerungsrecht.

Ungeachtet des automatischen Verzugseintritts durch Fristablauf, kann der AN den AG durch Mahnung mit Nachfristsetzung auch vor Ablauf der Frist in Verzug setzen. Dies wird allerdings im Rahmen der Schlusszahlung für den Verzug im Regelfall nicht mehr relevant sein, da eine Mahnung vor Fälligkeit ohne Wirkung ist und mit der Fälligkeit durch Ablauf der Höchstfrist auch gleichzeitig Verzug ein-tritt. Denkbar bleibt ein Verzug durch Mahnung demnach nur dann, wenn der AG den Anspruch auf die Schlusszahlung vor Ablauf der Höchstfrist geprüft und festgestellt hat. Bedeutung hat die Nachfristsetzung nach wie vor für ein etwaiges Leistungsverweigerungsrecht. Nach § 16 Abs. 5 Nr. 4 VOB/B kann der AN nämlich erst dann die Arbeiten einstellen, wenn die zuvor gesetzte Nachfrist erfolglos verstrichen ist. Gewicht hat die Mahnung mit Nachfristsetzung in Zukunft wohl überwiegend im Rahmen von Abschlagszahlungen, da zum einen nur hier eine Verzugsherbeiführung zwischen Ablauf der Höchstprüffrist (21 Tage) und Verzugsbeginn (30 Tage) möglich ist und zum anderen das Leistungsverweigerungsrecht wegen der nicht abgeschlossenen Leistungserbringung praktisch nur im Rahmen von Abschlagszahlungen in Betracht kommt.

Auswirkungen in der Vertragsgestaltung und Vergabe von Aufträgen

Im Rahmen der Vertragsgestaltung bzw. zu Beginn eines Vergabeverfahrens hat der AG bereits darüber abzuwägen, ob es in dem konkreten Bauvorhaben gerechtfertigt ist, die Frist für die Schlusszahlung von 30 auf höchstens 60 Tage zu verlängern. Welche Umstände für die Vereinbarung einer von der Regelfrist abweichende Frist für die Schlusszahlung sowie die Feststellung dieser Frist maßgeblich waren, hat der AG im Rahmen eines Vergabeverfahrens im Vergabevermerk zu dokumentieren (vgl. VHB Richtlinie 100). Die Verlängerung der Frist ist über die besonderen Vertragsbedingungen (VHB Formular 214, Ziffer 4) ausdrücklich in dem Vertrag zu vereinbaren. Wann die Verlängerung aufgrund der besonderen Natur oder Merkmale der Vereinbarung sachlich gerechtfertigt ist, lässt die VOB/B allerdings offen. Das VHB gibt dem AG jedoch ein Leitfaden an die Hand, der ihm die Bemessung der Frist erleichtern soll. Mögliche Gründe für eine Verlängerung sollen danach umfangreiche Leistungsverzeichnisse, umfangreiche oder schwierige Prüfungsunterlagen (Aufmaße), Bauzeiten von mehr als 12 Monaten und Bauaufträge für die Gaststreitkräfte darstellen. Eine Verlängerung soll aber auch bei Vorliegen einer dieser Gründe in der Regel unzulässig sein, wenn es sich um einen Auftrag mit wenigen Teilleistungen, einfachen Mengeneinheiten (z.B. Stück) oder um Aufträge mit einem geschätzten Auftragswert von nicht mehr als 500.000 Euro handelt. Die Verlängerung soll bei Abschlagsrechnungen und Pauschalverträgen, bei denen die Mengen pauschaliert sind, immer unzulässig sein (vgl. VHB Richtlinie zu Formular 214).
Ob die Gründe aus dem VHB geeignet sind, eine Grundlage für die Ermittlung einer wirksamen Frist zu geben, kann noch nicht abgeschätzt werden und wird die Praxis zeigen müssen. So ist insbesondere fraglich, ob ein Bauauftrag für die Gaststreitkräfte einen sachlichen Grund für eine Verlängerung darstellen kann, da hier der Grund nicht in der Komplexität des Auftrags sondern in der Person des AGs liegt. Ratsam ist daher, von der Fristverlängerung nur restriktiv Gebrauch zu machen. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich der Folgen einer unwirksamen Vereinbarung. Denn stellt sich heraus, dass die Verlängerung der Prüffrist nicht gerechtfertigt ist, kann dies zur Folge haben, dass die VOB/B nicht mehr als Ganzes vereinbart ist und daher die AGB-rechtliche Privilegierung entfällt (Locher in Ingenstau/Korbion, VOB/B, 18. Aufl., § 16 Rn. 21). Darüber hinaus wird der AG bei einer unwirksamen Frist nicht auf die 30-Tagesfrist zurückfallen, sondern auf die gesetzliche Fälligkeitsregel nach dem BGB, so dass die Vergütung bereits mit Abnahme fällig wird (vgl. § 641 BGB).

Auswirkungen im Rahmen der Rechnungsprüfung und Zahlung

Im Rahmen der Rechnungsprüfung ist die konkret vereinbarte Frist genau zwischen den Beteiligten zu kommunizieren und Vorsorge darüber zu treffen, dass die zur Prüfung notwendigen personellen Kapazitäten zur Verfügung stehen. Bei der Planung des Prüfungsablaufs ist darauf zu achten, dass der Zahlungslauf mit in die Prüffrist einzurechnen ist und auch Feiertage nicht zu einer Verlängerung der Frist führen.
Das VHB rät daher dazu, zur Vermeidung von Verzugszinsen zunächst die Rechnung unverzüglich nach Eingang auf ihre Prüfbarkeit zu untersuchen. Ist die Rechnung prüfbar, ist sie selbstverständlich zu prüfen und der geprüfte Schlussrechnungsbetrag innerhalb der vereinbarten Frist auszuzahlen. Verzögert sich die Prüfung, so ist wie bisher zur Vermeidung von Verzugszinsen das unbestrittene Guthaben als Abschlagszahlung vorab zu zahlen (vgl. § 16 Abs. 3 Nr. 1 Satz 5 VOB/B).

Auswirkungen im Rahmen des Verzugsschadens

An den Rechtsfolgen des Verzugs hat sich nichts geändert. Verzögert sich die Prüfung der Rechnung und zahlt der AG den geprüften Rechnungsbetrag erst nach Ablauf der Frist aus, so kann der AN für die Zeit des Verzugs den Ersatz des entstandenen Verzugsschadens verlangen. Dieser umfasst die Verzugszinsen sowie weitere Kosten, die dem AN beispielsweise durch die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts entstanden sind.
Es ist zu erwarten, dass Auftragnehmer künftig häufiger Verzugsschäden beim AG geltend machen werden. Dies liegt zum einen an der einfacheren Darlegung des Verzugs und zum anderen an den Prozessrisiken im Zusammenhang mit der Mahnung, die nun entfallen. Der AN hat es insoweit leicht, da er den Verzug allein mit dem Posteingangsstempel auf dem Prüfungsrückläufer und dem Einzahlungsbeleg nachweisen kann.

 

Fazit

Die VOB/B 2012 nimmt den AG in die Pflicht und verlangt von ihm Schlussrechnungsprüfung und Zahlung innerhalb von 30 Tagen. Will er die Frist im Ausnahmefall verlängern, hat er für den Einzelfall eine ausdrückliche Verlängerung der Frist zu vereinbaren und zu prüfen, ob die Verlängerung sachlich gerechtfertigt ist. Eine unwirksame Verlängerung kann unter Umständen weitreichende unerwünschte Folgen haben. Die Prüfungsabläufe sind jedenfalls so zu planen und zu beschleunigen, dass die Prüfung in dieser kurzen Zeit durchgeführt werden kann. Schafft der AG es nicht, die Frist einzuhalten, wird er unmittelbar durch eine schärfere Verzugsregelung „bestraft“.

 

Cornelius Homann

Rechtsanwalt Kapellmann und Partner Rechtsanwälte, Frankfurt am Main
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