15.04.2013

Rückforderung von Zuwendungen

BVerwG und Obergerichte: Strenge Linie bei Vergaberechtsverstößen

Rückforderung von Zuwendungen

BVerwG und Obergerichte: Strenge Linie bei Vergaberechtsverstößen

Zuwendungen für Fernwäme: Zwingender Widerruf bei schwerwiegenden Vergaberechtsverstößen. | © Cornelia Wohlrab - Fotolia
Zuwendungen für Fernwäme: Zwingender Widerruf bei schwerwiegenden Vergaberechtsverstößen. | © Cornelia Wohlrab - Fotolia

Viele Zuwendungen werden anteilig zurückgefordert, weil Zuwendungsempfänger gegen das Vergaberecht verstoßen haben. Dafür sorgen seit einigen Jahren eine strenge Erlasslage seitens der Finanzministerien und dahingende Kontrollen von LRH und RPA . Die Erlasslage sieht bei schwerwiegendem Vergaberechtsverstoß i.d.R. die vollständige Rückforderung bzgl. der betroffenen Gewerke vor.

Viele Behördenentscheidungen tragen freilich dieser Erlasslage in ihren weit reichenden Konsequenzen noch nicht Rechnung, sondern beschränken sich auf einen nur kleinen Anteil der Fördersumme. In einem in NRW verorteten Verfahren hat sich jedoch gezeigt, dass auch „100%-Rückforderungen“ gerichtsfest sein können. Während die erste Instanz – wie vereinzelt auch andere VG in den letzten zwei bis drei Jahren – der Zuwendungsempfängerin noch Recht gegeben hatte, hat das OVG Münster seinen bisherigen, strengeren Kurs im April 2012 erneut bekräftigt und wurde darin vom Bundesverwaltungsgericht in einer aktuellen Entscheidung bestätigt. Auch in den meisten anderen Bundesländern ergingen in 2011 und 2012 obergerichtliche Entscheidungen, die die Regel-Rückforderung gerade auch bei Vorliegen eines Vergaberechtverstoßes bestätigen.

OVG Münster: Der Fall

In dem vom OVG Münster (Urt. v. 20.04.2012 – 4 A 1055/09, NV wZ- RR 2012, 671) entschiedenen Fall hatte eine Stadtwerke-Aktiengesellschaft im Jahre 1996 für die Errichtung einer Fernwärmeübernahmestation eine Zuwendung in Form einer fünfzehnprozentigen Anteilsfinanzierung in Höhe von rund 1 Mio. DM erhalten. Dem Bescheid war, wie üblich, die Vergabe-Nebenbestimmung beigefügt.


Die Zuwendungsempfängerin vergab 16 Aufträge im Wert von zwischen 75.000 und 2,5 Mio. DM im Wege einer beschränkten Ausschreibung (davon 12 nach öffentlichem Teilnahmewettbewerb). Nach Abgabe der Angebote fanden durchweg Preisverhandlungen statt.

Nach Prüfungen durch das Rechnungsprüfungsamt stellte die Bezirksregierung als Bewilligungsbehörde schwerwiegende Vergaberechtsverstöße bei 11 Aufträgen fest und widerrief unter ausführlicher Ermessensausübung den Zuwendungsbescheid insoweit vollständig, insgesamt in Höhe von rund 360.000 €.

Die erstinstanzliche Rechtsprechung

Das VG Düsseldorf hatte in 2009 der Klage der Zuwendungsempfängerin stattgegeben, weil es Ermessensfehler insb. darin erkannte, dass die Behörde die in 1996 und 1997 angeblich noch nicht gefestigte vergaberechtliche Rechtsmeinung nicht ausreichend zu Gunsten der Zuwendungsempfängerin berücksichtigt hätte. Ähnlich hatten bereits andere, allerdings nur vereinzelte erstinstanzliche Urteile als „schwerwiegend“ im Sinne des Erlasses nicht bereits jede falsche Verfahrenswahl angesehen; vielmehr dürfe die Anwendung des Vergaberechts „nicht mehr vertretbar“ sein bzw. der Vergaberechtsverstoß müsse „offensichtlich und eindeutig“ sein.

OVG Münster: Das Urteil

Das OVG Münster gab der Bewilligungsbehörde auf deren Berufung hin Recht und bestätigte damit seine bisherige, rückforderungsfreundliche Linie. Mit diesem Urteil dürfte (nunmehr endgültig) feststehen, dass

  • es sich bei Ziff. 3 ANB est-P um eine inhaltlich hinreichend bestimmte und auch ansonsten rechtmäßige Nebenbestimmung handelt (und dies gilt auch, wie im entschiedenen Fall, gegenüber Sektorenauftraggebern; im Falle der geltend gemachten Rechtsunsicherheit hätte sich die Zuwendungsempfängerin notfalls bei der Bewilligungsbehörde erkundigen müssen);
  • keine Rechtsunsicherheit darüber besteht, dass Ziff. 3 ANB est-P (a.F.) zur Beachtung des Teils A der Verdingungsordnungen und bei Aufträgen unterhalb des EU -Schwellenwerts zur Anwendung von deren Basisparagrafen verpflichtet;
  • „formalisiert“ begonnene Vergabeverfahren, bei denen sodann entgegen § 24 der Verdingungsordnungen Preisverhandlungen durchgeführt werden, als freihändige Vergabe und im konkreten Fall als Vergaberechtsverstoß zu qualifizieren sind;
  • ein solcher Auflagenverstoß nicht unter der zusätzlichen Voraussetzung steht, dass die Zuwendung unwirtschaftlich verwendet worden ist (der bloße, auch nicht-schwerwiegende Verstoß gegen die Verdingungsordnung stellt bereits einen Auflagenverstoß dar, und die zusätzliche Auflage der wirtschaftlichen und sparsamen Mittelverwendung in Ziff. 1.1 ANB est-P ist für den Widerrufstatbestand ohne Belang);
  • an der Rechtsprechung festzuhalten ist, dass bei vorliegendem, intendierten Ermessen auf eine Begründung der Ermessensausübung im Regelfall verzichtet werden kann; das intendierte Ermessen wird noch dadurch verstärkt, dass bei Kofinanzierung durch die EG auch die finanziellen Interessen der Gemeinschaft für den Widerruf streiten;
  • der Runderlass des FM ermessensbindende Bedeutung auch insofern hat, als er die fehlerhafte Wahl der Vergabeart grds. als schwerwiegenden Vergaberechtsverstoß definiert mit der Regelfolge, dass die verstoßbehafteten Ausgaben vollständig von der Förderung auszuschließen sind (im entschiedenen Fall bestätigt das OVG , dass ein Grund für eine beschränkte Ausschreibung auch nicht entfernt vorlag; entgegen der Vielzahl klägerischerseits vorgetragener Einwände verpflichtet es die Zuwendungsempfänger auf die regelmäßige Beachtung des Vorrangs der öffentlichen Ausschreibung);
  • grundsätzlich nur durch eine öffentliche Ausschreibung unter Ausnutzung des Leistungswettbewerbs und aller Chancen am Markt das günstigste Angebot erzielt werden kann (das OVG deutet hier an, es sei „allenfalls zu erwägen“, dem Zuwendungsempfänger den Nachweis zu ermöglichen, dass kein zuwendungsrechtlich relevanter Nachteil entstanden sei – was praktisch auszuschließen ist, denn das OVG hält ausdrücklich an seiner Rechtsprechung fest, dass mangels einer öffentlichen Ausschreibung gerade nicht festgestellt werden kann, ob bei ihrer Durchführung ein günstigeres Angebot abgegeben worden wäre; deshalb fügt das OVG auch hinzu, dass ein solcher Nachweis auch nicht den Verstoß gegen Ziff. 3, sondern nur gegen Ziff. 1.1 widerlegen würde);
  • die im Erlass angelegte Reduzierung der Rückforderung wegen erheblicher Härte nicht nur den vollständigen oder sehr weit gehenden Förderausschluss voraussetzt (hier fraglich, denn ein Drittel der Zuwendung verblieb der Zuwendungsempfängerin), sondern auch zusätzlich eine erhebliche Härte, d.h. ernsthafte Zahlungsschwierigkeiten (die hier gleichfalls nicht vorlagen).

Die obergerichtliche Rechtsprechung in anderen Bundesländern

Das OVG Münster befindet sich mit dieser bereits vor Jahren begründeten Rechtsprechung auf einer Linie mit den neuesten Entscheidungen der Obergerichten anderer Bundesländer:

  • Bay VGH : Schwerer Verstoß erfordert weder einen konkret unwirtschaftlichen Umgang mit Zuwendungsmitteln noch eine sich bereits aus dem Wortlaut ergebende Eindeutigkeit.
  • OVG Magdeburg: Intendiertes Ermessen erfordert keine zusätzlichen Ermessenserwägungen; zweckentsprechende Verwendung der Fördermittel ist kein außergewöhnlicher Umstand, der das Absehen vom Widerruf rechtfertigt.
  • OVG Schleswig und OVG Koblenz: Die Forderung nach Wettbewerb steht gleichberechtigt neben dem Ziel sparsam zu wirtschaften; erst durch Wettbewerb kann ein vernünftiger Umgang mit Haushaltsmitteln erfolgen; die Wahl des falschen Vergabeverfahrens ist nicht nur Wettbewerbsverstoß, sondern mittelbar auch Wirtschaftlichkeitsverstoß.
  • VGH BW : Vergabe-Nebenbestimmung dient nicht nur der Wirtschaftlichkeit, sondern auch dem fairen Wettbewerb und der Transparenz; öffentliche Ausschreibung ist Kerninstrument des Vergaberechts, der richtigen Verfahrenswahl kommt zentrale Bedeutung zu.
  • OVG Lüneburg: Widerruf kann nicht nur im Falle eines schweren Verstoßes erfolgen, sondern auch bei geringeren Verstößen; Absehen von der erforderlichen Vergabe im offenen Verfahren ist objektiv schwerwiegender Verstoß.

Die Bestätigung durch das Bundesverwaltungsgericht

In seinem noch unveröffentlichten Beschluss vom 13.02.2013 – 3 B 58.12 hat das Bundesverwaltungsgericht im hier beschrieben Verfahren entschieden, die Revision der Zuwendungsempfängerin nicht zuzulassen. In seiner relativ knappen Begründung trifft es einige Grundsatzaussagen zur Unterstützung der vom OVG Münster bestätigten stringenten Rückforderungspraxis der Bewilligungsbehörden:

  • Der Runderlass des Finanzministeriums bietet eine „generalisierende Regelbeurteilung“, von der je nach den konkreten Umständen des Einzelfalls abgewichen werden darf. Mit dieser Aussage stellt er „fraglos eine zulässige Konkretisierung des in § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwVfG eingeräumten Widerrufsermessens“ dar.
  • Durch die Vergaberechts-Auflage kann gewährleistet werden, dass bei der Verwendung der Zuwendung das haushaltsrechtliche Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit eingehalten wird. Es liegt nahe, die falsche Verfahrenswahl im Regelfall als schwerwiegend einzuordnen.
  • Diese Regelannahme entbindet nicht davon, die Umstände des Einzelfalls zu würdigen.

Résumé

Zusammenfassend ist zweierlei festzuhalten: Die stringent ausgestaltete Erlasslage, die im Falle schwerwiegender Vergaberechtsverstöße zum regelmäßigen Widerruf zwingt, hat vor den Obergerichten und dem Bundesverwaltungsgericht Bestand, und zwar auch in Gestalt von 100%-Rückforderungen; die meisten „Nebenkriegsschauplätze“, die die Zuwendungsempfänger vor den Instanzgerichten gern aufsuchten, dürften in Zukunft verwaist sein. Andererseits ist deutlich, dass die Bewilligungsbehörden keine Automatismen kultivieren dürfen, sondern dass stets eine abgewogene Einzelfall-Begründung anzustellen ist.

 

Prof. Dr. Thorsten Attendorn

Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW, Dortmund
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