15.10.2013

Was der Spaß kostet …

Chaos und Ordnung: Facebook-Partys – Gefahrenabwehr und Kostenrecht

Was der Spaß kostet …

Chaos und Ordnung: Facebook-Partys – Gefahrenabwehr und Kostenrecht

Allein die Müllbeseitigung nach Massen-Partys kommt die Kommunen oft teuer zu stehen. | © Tom Bayer - Fotolia
Allein die Müllbeseitigung nach Massen-Partys kommt die Kommunen oft teuer zu stehen. | © Tom Bayer - Fotolia

Was im Fall „Thessa“ aus Hamburg – dem medialen „Präzedenzfall“ dieser Thematik – als harmlose Einladung eines Teenagers begann, endete buchstäblich im Chaos. Massen von versehentlich geladenen Usern aus der Facebook-Community belagerten das Haus der unfreiwilligen Gastgeberin, die kaum gewusst haben dürfte, wie ihr geschieht. Seit diesem von einem Aufschrei aller möglichen Fachrichtungen begleiteten Ereignis ist viel geschehen, vieles erklärt, gefordert, geplant und kritisiert worden. In rechtlicher Hinsicht ist die Thematik dennoch keinesfalls endgültig geklärt.

Unliebsame Kosten in Zeiten angespannter Haushalte

Obwohl die Diskussion in den Medien weitgehend verklungen ist, haben die Kommunen – als „Schauplätze“ und Träger der Ordnungsbehörden – und die Länder als Träger der Polizeibehörden nach wie vor und immer wieder mit dem Phänomen „Massenparty“ praktisch zu tun, so dass es durchaus angebracht erscheint, die Debatte erneut ein wenig in Schwingung zu versetzen. Im Internet initiierte Partys sind mittlerweile zum Alltagsphänomen geworden. Facebook stellt dabei nur eine von vielen Plattformen dar, auf denen entsprechende Einladungen lanciert werden können. Unter dem hier interessierenden Phänomen der sog. „Facebook-Party“ kann man dabei jede über ein soziales Netzwerk organisierte nicht kommerzielle private Veranstaltung verstehen, die in unkontrollierte Massenzusammenkünfte münden – dann häufig auch auf öffentlichen Flächen, etwa im örtlichen Stadtpark.

Dabei kann sich die Einladung – wie im Fall Thessa – unbeabsichtigt oder auch beabsichtigt an einen unbestimmt großen Teilnehmerkreis richten. Schon dieser Definitionsversuch macht deutlich, dass es keine einheitliche Phänomenologie von Facebook-Partys gibt, sondern das Bild in der Praxis so unterschiedlich ist wie die User. Die Folgen der Feiern indes, mit denen die Sicherheitsbehörden während und nach den Veranstaltungen regelmäßig konfrontiert werden, bilden ein unschönes Déjà-vu: der Massenansturm auf Privatgrundstücke, Straftaten wie Haus- oder Landfriedensbruch, Sachbeschädigung und Beleidigungsdelikte, vor allem aber die ggf. erhebliche Verschmutzung öffentlicher Flächen zwingen die Behörden, entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen, und verursachen hohe Kosten, die nicht nur vermeidbar erscheinen, sondern in Zeiten angespannter öffentlicher Haushalte nur umso schwerer zu verschmerzen sind.


Regelwerk für Spaßveranstaltungen

Wegen der zusammenhängenden Regelungsstruktur von Gefahrenabwehr-, Verwaltungsvollstreckungs- und Kostenrecht müssen rechtliche Überlegungen eine in toto brauchbare und konsistente Lösung anbieten. Reine „Spaßveranstaltungen“ fallen nicht unter das Versammlungsrecht, sodass man sich – unabhängig von dessen Sperrwirkung – auf dem Boden des allgemeinen Sicherheitsrechts bewegt. In dessen Rahmen stehen den Polizei- und Ordnungsbehörden die üblichen Instrumente der Gefahrenabwehr zur Verfügung, von Veranstaltungsverboten im Vorfeld – in aller Regel auf Grundlage der Generalklausel – bis hin zu Standardmaßnahmen während der Feier. Während Letztere regelmäßig unproblematisch sein dürften, ist die rechtliche Begründbarkeit von Vorfeldmaßnahmen mit weitaus größeren Schwierigkeiten behaftet. Denn von der dort vorausgesetzten Gefahr im Rechtssinne kann nur bei einer Sachlage ausgegangen werden, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintreten wird. Natürlich sind Konstellationen denkbar, etwa bei Aufrufen zu Gewalt o. Ä., wo ohne Weiteres eingeschritten werden kann.

Annahme einer Gefahr und Gefahrverdacht

Allein die Befürchtung, dass sich eine Internet-Party – von der die Behörden auch erst einmal früh genug erfahren müssen – zu einer unkontrollierten Massenveranstaltung ausweiten wird, reicht für die Annahme einer Gefahr allerdings zunächst nicht aus. Schädigungen der geschützten Rechtsgüter müssen vielmehr hinreichend wahrscheinlich sein, was sich in der Mehrzahl der problematischen Fälle im Veranstaltungsvorfeld aber kaum prognostizieren lässt. Wie viele User wird die Einladung tatsächlich erreichen, wie viele von eventuell vorhandenen Zusagen werden tatsächlich eingehalten, wie werden sich die Besucher vor Ort verhalten, werden sie auf eventuelle Überfüllung besonnen reagieren und die Örtlichkeit wieder verlassen? Sind diese und ähnliche Fragen im Vorfeld nicht mit hinreichender Sicherheit aufklärbar, kann schlechterdings nur von einem Gefahrenverdacht gesprochen werden, bei dem eine Gefahr zwar möglich, aber (noch) nicht hinreichend wahrscheinlich ist, und der zwar weitere Aufklärung erlaubt, nicht jedoch zu endgültigen Maßnahmen ermächtigt, damit erlaubte Grundrechtsbetätigungen wie ein Partyaufruf oder -besuch nicht von vornherein durch Verbote sicherheitsrechtlich erstickt werden.

Aus ähnlichen Gründen muss auch der Erlass ordnungsbehördlicher Verordnungen in aller Regel unterbleiben. Nur bei eindeutigen Indizien für einen späteren chaotischen Verlauf ist den Behörden daher eine Unterbindung der Party zu empfehlen – mit der Einschränkung, dass die im Netz bereits ausgelöste Eigendynamik sich häufig auch über entsprechende Absagen und Verbote hinwegsetzen dürfte und sogar Gegenreaktionen im Sinne eines „jetzt erst recht“ zu befürchten sind. Flankierend zu Verboten sollte daher in jedem Falle darauf geachtet werden, einen deeskalierend wirkenden hohen Transparenz- und Begründungsstandard einzuhalten.

Verantwortlichkeit und Kostenersatz

Ist es zu einer Massenparty und entsprechendem behördlichem Einschreiten gekommen, stellt sich im Nachhinein meist nur noch die Kostenfrage. Bereits die schlichte Polizeipräsenz vor Ort stellt einen erheblichen Kostenfaktor dar. Noch hinzu kommen meist Kosten insbesondere für die Müllbeseitigung, die in der Regel durch die städtischen Entsorgungsunternehmen bewältigt wird. Wollen Land oder Kommune diese Kosten von den Störern erstattet bekommen, ist hierfür dem Vorbehalt des Gesetzes entsprechend eine passgenaue Ermächtigung vonnöten – Kostenersatz ist nicht selbstverständlich. In Nordrhein-Westfalen werden die Kosten der reinen behördlichen Präsenz von keinem Kostentatbestand erfasst und verbleiben somit beim Steuerzahler, weil diese als staatlich zu garantierende Grundaufgabe der Sicherheitsbehörden begriffen wird. Diese Konsequenz lässt sich auch nicht durch die Beauftragung privater Sicherheitsdienste umgehen, deren Einsatz letztlich nur ein Surrogat für behördliche Präsenz bleibt und nach denselben Erstattungsregeln zu beurteilen ist. Im Übrigen lassen sich nur Regelungen zur Erstattung von Ersatzvornahmekosten fruchtbar machen, die sich z. T. auch im Straßenrecht finden. Passende Gebührentatbestände finden sich nicht. Da einzelne Verunreinigungen kaum einzelnen Verursachern zuzuordnen sind, muss man sich an den Veranstalter halten. Will oder kann dieser eine Müllbeseitigung nicht übernehmen, wird stattdessen der Weg einer sicherheits- bzw. straßenrechtlichen Ersatzvornahme beschritten werden. Ob an jenen allerdings auch ein belastbarer Kostenbescheid ergehen kann, hängt im Wesentlichen davon ab, wie seine gefahrenabwehrrechtliche Verantwortlichkeit zu beurteilen ist. Die Qualifikation als sog. Zweckveranlasser, dessen Verantwortlichkeit über seine mittelbare Verursachung vermittelt wird, bildet den einzigen Ansatz, ist aber mit schwierigen Wertungsfragen verbunden. Letztlich wird man, um diese rein dogmatische Figur nicht zu überdehnen, in den meisten Fällen eine Verantwortlichkeit ablehnen müssen, schließlich ist der Veranstalter oft genug selbst mehr Gestörter denn Störer. Im Ergebnis besteht damit für die Sicherheitsbehörden häufig die prekäre Lage, auf das Chaos mit massiver Präsenz antworten zu müssen, ohne jedoch – ähnlich wie bei Fußballspielen – ihre Kosten abwälzen zu können. Um zumindest die Frage der Müllbeseitigungskosten zu klären, könnten rechtspolitische Änderungen der entsprechenden Regelungsregime angedacht und ggf. eine Veranstalterverantwortlichkeit implementiert werden, da aktuell bestehende Konstruktionen regelmäßig nicht ausreichend belastbar sind.

Hinweis der Redaktion: Weitere Ausführungen zu diesem Thema finden Sie in dem Aufsatz „Was der Spaß kostet – Die gefahrenabwehr- und kostenrechtliche Situation bei Facebook-Partys“, Zeitschrift Ausbildung/Prüfung/Fachpraxis (apf), Oktober-Ausgabe 2013, 289 ff.

 

 

Carl Georg Müller

Finanzreferent des Städte- und Gemeindebundes NRW
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