15.10.2013

Neue Regeln für Bauprodukte

Orientierungsmarken im neuen Bauproduktenrecht

Neue Regeln für Bauprodukte

Orientierungsmarken im neuen Bauproduktenrecht

Für Bauprodukte gilt seit 01.07.2013 vollumfänglich die neue EU-Bauproduktenverordnung. | © Marco2811 - Fotolia
Für Bauprodukte gilt seit 01.07.2013 vollumfänglich die neue EU-Bauproduktenverordnung. | © Marco2811 - Fotolia

Für Bauprodukte gilt seit 01. 07. 2013 vollumfänglich die neue EU-Bauproduktenverordnung.

Weil die europäische Verordnung (EU) Nr. 305/2011 zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten und zur Aufhebung der Richtlinie 89/106/EWG (sog. Bauproduktenverordnung) seit dem 01. 07. 2013 vollumfänglich Geltung beansprucht und damit jene Übergangsperiode abgelaufen ist, in der Bauprodukte noch rechtmäßig in Verkehr gebracht werden konnten, wenn sie mit der bereits aufgehobenen Richtlinie 89/106/EWG (sog. Bauproduktenrichtlinie) übereinstimmten, gibt diese Zäsur Anlass, das geltende Bauproduktenrecht in der Europäischen Union (EU) und in Deutschland in den Fokus des Interesses zu rücken.

Während der Wechsel von der Richtlinie zur Verordnung und damit in der Rechtssetzungstechnik augenfällig ist, wird die Prägung des neuen Bauproduktenrechts durch das im Jahr 2008 erlassene Maßnahmenpaket zur Reform des europäischen Warenvertriebsrechts namens „New Legislative Framework“ (NLF) erst auf den zweiten Blick sichtbar: Namentlich die klare Zuweisung von auf die jeweilige Rolle der bauproduktenrechtlichen Wirtschaftsakteure (Hersteller, Bevollmächtigte, Importeure und Händler) zugeschnittenen Pflichten in den Artt. 11 ff. der Bauproduktenverordnung geht auf die Musterbestimmungen aus Anhang I des zum NLF rechnenden Beschlusses Nr. 768/2008/EG zurück. Mit diesen Musterbestimmungen wird das Ziel einer einheitlicheren Rechtsgestaltung im europäischen Warenvertriebsrecht verfolgt.


Das europäische Bauproduktenrecht rechnet zum besonderen Produktsicherheitsrecht, indem es das Inverkehrbringen von Bauprodukten bzw. deren Bereitstellung auf dem Markt rechtlichen Voraussetzungen unterwirft. Als Bestandteil des Produktsicherheitsrechts dient Bauproduktenrecht der Verwirklichung des freien Warenverkehrs innerhalb der EU, indem als Kehrseite der europäischen Harmonisierung zugleich ein bunter Flickenteppich jeweils nationaler Anforderungen an Bauprodukte in Gestalt von Produktnormen, technischen Zulassungen sowie anderen technischen Spezifikationen und Bestimmungen vermieden wird. Demgegenüber ist der klassische Zweck des Produktsicherheitsrechts, das ist der Schutz der Benutzer (sowie unbeteiligter Dritter) vor unsicheren Produkten, im Bauproduktenrecht nach wie vor unterbelichtet: Die originäre Sicherheit von Bauprodukten spielt im Bauproduktenrecht nur insoweit eine (mittelbare) Rolle, als sie sich auf die Sicherheit von Bauwerken, also Bauten des Hochbaus als auch des Tiefbaus, auswirken. Aus diesem Grund ist nach wie vor sorgfältig zu prüfen, ob und wenn ja, welche produktsicherheitsrechtlichen Bestimmungen neben der Bauproduktenverordnung anwendbar sind.

Wenn hier und im Folgenden von Bauprodukten die Rede ist, wird damit der Rechtsbegriff in Bezug genommen. Nach Art. 2 Nr. 1 VO (EU) Nr. 305/2011 ist Bauprodukt „jedes Produkt oder jeder Bausatz, das beziehungsweise der hergestellt und in Verkehr gebracht wird, um dauerhaft in Bauwerke oder Teile davon eingebaut zu werden, und dessen Leistung sich auf die Leistung des Bauwerks im Hinblick auf Grundanforderungen an Bauwerke auswirkt“.

Harmonisierte und nicht-harmonisierte Bauprodukte

Grundlegend für das Bauproduktenrecht ist die Unterscheidung von harmonisiertem und nicht harmonisiertem Bereich: Das europäische Bauproduktenrecht weist zwar der sog. Leistungserklärung und der CE-Kennzeichnung eine zentrale Rolle zu, knüpft diese beiden Institute aber an die Existenz harmonisierter (technischer) Normen und Europäischer Technischer Bewertungen (ETB). Die harmonisierten Normen und die ETB wiederum werden als harmonisierte technische Spezifikationen legal definiert.

Wenn und soweit nun solche harmonisierten technischen Spezifikationen vorliegen, rechnen Bauprodukte zum europäisch-harmonisierten Bereich und unterfallen dem Regelungsregime der Bauproduktenverordnung. Andernfalls handelt es sich um nicht harmonisierte Bauprodukte, deren Inverkehrbringen sich dementsprechend nach nationalen Vorschriften richtet. In Deutschland können nicht harmonisierte Bauprodukte mittels Antrags auf Erteilung einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung beim Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) zugelassen werden.

Grundanforderungen an Bauwerke als maßgeblicher Bezugspunkt für Bauprodukte

Im Einklang mit dem das geltende Produktsicherheitsrecht prägenden Neuen Konzept (engl. „New Approach“), wonach sich Harmonisierungsrechtsvorschriften der Europäischen Union in der Statuierung wesentlicher Anforderungen erschöpfen, während die Konkretisierung dieser Anforderungen den drei europäischen Normungsorganisationen CEN, CENELEC und ETSI in Gestalt der von diesen erarbeiteten harmonisierten Normen überantwortet wird – deren freiwillige Beachtung zur sog. Konformitätsvermutung oder Vermutungswirkung führt –, regelt das Bauproduktenrecht zum einen „Wesentliche Merkmale von Bauprodukten“ und zum anderen „Grundanforderungen an Bauwerke“.

Zentrale Bedeutung kommt den zuletzt genannten Grundanforderungen an Bauwerke zu: Sie sind nicht nur die Grundlage für die Ausarbeitung von Normungsaufträgen und harmonisierten technischen Spezifikationen, sondern auch der maßgebliche Bezugspunkt für die „Wesentlichen Merkmale von Bauprodukten“, da diese in harmonisierten technischen Spezifikationen dezidiert in Bezug auf die „Grundanforderungen an Bauwerke“ festgelegt werden.

Zu den Grundanforderungen an Bauwerke gehören gemäß Anhang I der Bauproduktenverordnung die mechanische Festigkeit und Standsicherheit, der Brandschutz, Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz, Sicherheit und Barrierefreiheit bei der Nutzung, Schallschutz, Energieeinsparung und Wärmeschutz sowie die nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen. Damit erweist sich Bauproduktenrecht als – im Vergleich zu den meisten anderen produktsicherheitsrechtlichen CE-Richtlinien – vielschichtigere Materie: Es dient nicht nur dem klassischen Zweck des Produktsicherheitsrechts, die Sicherheit und Gesundheit von Menschen vor bestimmten Produktgefahren zu schützen, sondern statuiert auch umwelt- und energiepolitische Ziele.

Leistungserklärung

Das zentrale Institut des Bauproduktenrechts ist die Leistungserklärung. Diese Erklärung gibt gemäß Art. 6 Abs. 1 der Bauproduktenverordnung die Leistung von Bauprodukten in Bezug auf die „Wesentlichen Merkmale“ dieser Produkte gemäß den anwendbaren harmonisierten technischen Spezifikationen an. Das Muster einer Leistungserklärung, das in der Praxis der Erstellung zu verwenden ist, ist in Anhang III der Bauproduktenverordnung abgedruckt.

Was den Inhalt dieser Erklärung anbelangt, hat der Verordnungsgeber in Art. 6 i. V. m. Anhang III detaillierte Vorgaben statuiert: So muss die Leistungserklärung etwa den eindeutigen Kenncode des Produkttyps, die Typen-, Chargen- oder Seriennummer oder ein anderes Kennzeichen zur Identifikation des Bauprodukts, den vom Hersteller vorgesehenen Verwendungszweck des Bauprodukts und die Herstellerdaten beinhalten. Zur Vermeidung leerer Leistungserklärungen ist die Leistung von mindestens einem der „Wesentlichen Merkmale des Bauprodukts“, die für den erklärten Verwendungszweck bzw. die erklärten Verwendungszwecke relevant sind, zu erklären.

Mit der Erstellung der Leistungserklärung übernimmt der Hersteller die Verantwortung für die Konformität des in Verkehr zu bringenden Bauprodukts mit der erklärten Leistung. Im Regelfall gehen die Behörden der EU-Mitgliedstaaten davon aus, dass die Leistungserklärungen „genau und zuverlässig“ sind.

Im Zusammenhang mit der Leistungserklärung darf erstens nicht übersehen werden, dass es sich hierbei um ein Dokument handelt, welches das betreffende Bauprodukt als Abschrift in gedruckter oder elektronischer Weise begleiten muss. Dabei kann der Abnehmer die gedruckte Form verlangen. Und zweitens muss die Leistungserklärung in der Sprache bzw. den Sprachen zur Verfügung gestellt werden, die von dem Mitgliedstaat, in dem das Produkt bereitgestellt wird, vorgeschrieben wird. In Deutschland ist dies gemäß § 6 S. 1 des neuen Bauproduktengesetzes (BauPG) die deutsche Sprache.

CE-Kennzeichnung

Die CE-Kennzeichnung steht und fällt mit der Leistungserklärung. Im Ergebnis darf ein Bauprodukt nur mit der CE-Kennzeichnung versehen werden, wenn und soweit der Hersteller eine Leistungserklärung erstellt hat. Andernfalls darf eine CE-Kennzeichnung nicht angebracht werden.

Was die CE-Kennzeichnung anbelangt, gelten insbesondere die Allgemeinen Grundsätze der CE-Kennzeichnung aus der sog. Marktüberwachungsverordnung (EG) Nr. 765/2008. Damit obliegt das Anbringen der CE-Kennzeichnung dem Hersteller oder seinem Bevollmächtigten, Art. 30 Abs. 1 VO (EG) Nr. 765/2008. Abweichend von der üblichen Bedeutung der CE-Kennzeichnung im europäischen Produktsicherheitsrecht gibt der Hersteller mit der Kennzeichnung im Bauproduktenrecht an, dass er die Verantwortung für die Konformität des Bauprodukts mit dessen erklärter Leistung übernimmt.

Im Übrigen ist die CE-Kennzeichnung „gut sichtbar, leserlich und dauerhaft“ auf dem Bauprodukt oder – gleichberechtigt – einem daran befestigten Etikett anzubringen. Hinter der CE-Kennzeichnung sind gemäß Art. 9 Abs. 2 der Bauproduktenverordnung diverse Informationen wie namentlich die letzten beiden Ziffern des Jahres, in dem die CE-Kennzeichnung zuerst angebracht wurde, die Herstellerdaten oder die Bezugsnummer der Leistungserklärung anzubringen.

Reform des deutschen Bauproduktenrechts

Flankiert werden die europäischen Entwicklungen in Deutschland durch das am 01. 07. 2013 in Kraft getretene BauPG. Das neue BauPG ist als Gesetz zur Durchführung der Bauproduktenverordnung angelegt und kommt als solches spürbar verschlankt mit nunmehr neun Paragraphen aus.

Gegenstände des BauPG sind die Bestimmung des DIBt als Technische Bewertungsstelle i. S. d. Bauproduktenverordnung sowie das sog. Notifizierungsrecht (vgl. §§ 1–4 BauPG). Daneben finden sich Bestimmungen zur Marktüberwachung und zu den bauprodukterechtlichen Sanktionen.

Marktüberwachung

Die Marktüberwachung von Bauprodukten erfolgt in Deutschland über das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG). Damit gelten namentlich die §§ 24 ff. des ProdSG auch für die Bereitstellung von Bauprodukten auf dem Markt. Den Marktüberwachungsbehörden steht somit insbesondere das Instrumentarium aus § 26 Abs. 2, 4 ProdSG mit den dort normierten ausdifferenzierten Marktüberwachungsmaßnahmen zur Verfügung. Vor diesem Hintergrund genügt in § 5 Abs. 1 BauPG die Regelung, welche Bestimmungen des ProdSG (als Ausnahmefall) nicht auf die Marktüberwachung der europäischen Bauproduktenverordnung anwendbar sein sollen.

Ordnungswidrigkeiten und Straftaten

Erhebliche Bedeutung kommt schließlich § 8 BauPG mit den Bußgeldvorschriften zu: Namentlich § 8 Abs. 2 BauPG sieht einen umfangreichen Katalog von Ordnungswidrigkeiten für den Fall von Verstößen gegen die europäische Bauproduktenverordnung vor, die mit einer Geldbuße von entweder bis zu 50.000 € oder bis zu 10.000 € sanktioniert werden können (§ 8 Abs. 3 BauPG). Auffällig an diesem Katalog ist die dominierende Bezugnahme auf Verstöße gegen formelles Bauproduktenrecht wie z. B. die technische Dokumentation, die Produkt-Kennzeichnung oder Aufbewahrungs- und Bereithaltungspflichten in Bezug auf eine technische Unterlage oder eine Leistungserklärung. Bestimmte vorsätzliche Handlungen können (unter weiteren Voraussetzungen) sogar als Straftat qualifiziert werden (§ 9 BauPG).

 

Dr. Carsten Schucht

Rechtsanwalt, Noerr LLP, München
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