15.10.2013

Nach der NSA-Affäre

Impulse für die Debatte zur Vorratsdatenspeicherung

Nach der NSA-Affäre

Impulse für die Debatte zur Vorratsdatenspeicherung

Vorsicht, Abhörgefahr! | © Tom-Hanisch.de - Fotolia
Vorsicht, Abhörgefahr! | © Tom-Hanisch.de - Fotolia

Anfang Juni 2013 sorgten die Enthüllungen des ehemaligen Mitarbeiters der US-amerikanischen Geheimdienste CIA und NSA, Edward Snowden, für einen Skandal. Snowden berichtete aus als „top secret“ eingestuften Unterlagen, dass sowohl die USA als auch das Vereinigte Königreich seit Jahren großflächig Daten aus Telekommunikation und Internet global überwachen und auf Vorrat speichern. Zu den Ausgespähten zählt unter anderem Deutschland. Das Ausmaß dieser Überwachungsaffäre muss auch Auswirkungen auf die Debatte zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland haben. Diese wurde trotz einer verbindlichen EU-Richtlinie aus datenschutzrechtlichen Gründen bislang nicht in nationales Recht umgewandelt.

Das Ausmaß der Enthüllungen Snowdens

Während die Affäre um die Abhörmaßnahmen der NSA auch neben den aktuellen Landtags- und Bundestagswahlen in Deutschland die Medien beherrschen, sind die Proteste bislang überschaubar. Erst im September fand eine größere organisierte Protestaktion statt. In Berlin demonstrierten ca. 15.000 Menschen gegen die Methoden der NSA. Insofern fiel der gesellschaftliche und politische „Aufschrei“ deutlich leiser aus als anzunehmen wäre. Denn allein in Deutschland soll die NSA rund 500 Millionen Datensätze über Telefonate und Internetbenutzung pro Monat erfasst haben. Nach Angaben von Snowden sollen die Daten über Telekommunikations- und Online-Dienste erfasst und gespeichert worden sein. Dies betreffe E-Mails, Fotos, Dokumente und Chats aus direktem Zugriff u. a. auf die Server von Microsoft, Apple, Google, Facebook, Skype, was diese allerdings bislang dementieren. Können Snowdens Angaben bewiesen werden, stellen die Maßnahmen, neben den angeprangerten Spionagetätigkeiten, eine sehr ausgeprägte Form der Vorratsdatenspeicherung dar, die bislang in Deutschland nicht zulässig ist.

Rechtliche Dimension und die Problematik der Vorratsdatenspeicherung

Die von Edward Snowden geschilderten Methoden könnten eine Verletzung des Briefgeheimnisses sowie des Post- und Fernmeldegeheimnisses gem. Art. 10 GG darstellen.


Die gesetzlich verbürgte Unverletzlichkeit beinhaltet ein explizites Verbot des unbefugten Abhörens, Unterdrückens, Verwertens oder Entstellens von Fernmelde- (Fernschreib-, Fernsprech-, Funk- und Telegrafen-) Botschaften. Zusätzlich schützt der Wortlaut des § 88 Abs. 1 Telekommunikationsgesetz (TKG) die „unkörperliche Vermittlung von Informationen“ an die Empfänger und damit auch Verkehrs- bzw. Übertragungsdaten. Das entsprechende Verbot findet sich in § 206 Abs. 5 StGB. Allerdings zählen die Daten nach Abschluss des Kommunikationsvorgangs nicht mehr zum Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses. Auf diesen Aspekt zielte die geplante Umsetzung der EU-Richtlinie 2006/24/EG zur Einführung der Vorratsdatenspeicherung ins deutsche Recht ab. Das Bundesverfassungsgericht vertrat in seinem Urteil vom 02. 03. 2010 (1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08) allerdings eine andere Auffassung, wonach die Einschränkungen des Post- und Fernmeldegeheimnisses durch das TKG und die StPO über die Vorratsdatenspeicherung mit Art. 10 Abs. 1 GG nicht vereinbar sind.

Die europäische Sicht

Während die EU Richtlinie 2006/24/EG zur Vorratsdatenspeicherung in fast allen europäischen Ländern in nationales Recht umgesetzt wurde, steht Deutschland nach Aufhebung der deutschen Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung durch das Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 02. 03. 2010 recht alleine da. Bisher wurde, obwohl das Urteil eine verfassungskonforme Umsetzung nicht ausschließt, die Richtlinie in Deutschland noch nicht umgesetzt. Dies führte schließlich zu einer Klage der EU-Kommission, die die datenschutzrechtlichen Bedenken des Bundesverfassungsgerichts nicht teilt, gegen Deutschland im Mai 2012 vor dem Europäischen Gerichtshof. Inhaltlich begründet wurde die Klage auch mit der Behinderung der Polizeiarbeit und negativen Folgen für den EU-Binnenmarkt. Bis zur Übertragung der Richtlinie muss die Bundesregierung bei Verurteilung ein tägliches Zwangsgeld in Höhe von 315.036,54 Euro zahlen – einen der höchsten Beträge, den die Kommission je in einem Verfahren zur Innenpolitik beantragt hat.

NSA-Methoden als Diskussionsimpuls?

Während sich Netzaktivisten und Demonstranten durch die Darstellungen Snowdens bestätigt sehen, 2010 gegen die eingeführte Vorratsdatenspeicherung vorgegangen zu sein, fordern Kriminalisten in Deutschland eine neue und nüchterne Debatte zur Vorratsdatenspeicherung. Denn entgegen dem weitläufigen Verständnis, es handele sich um die Überwachung und Speicherung sämtlicher Daten durch die Sicherheitsbehörden, geht es um eine Zwischenspeicherung auf den Servern der Provider von Verkehrs- sprich Verbindungsdaten ihrer Kunden für mindestens 6 Monate. Diese können von Sicherheitsbehörden nur anlassbezogen und mit entsprechendem richterlichem Beschluss eingesehen werden. Es geht also nicht um die großflächige Speicherung und Sichtung durch deutsche Sicherheitsbehörden, sondern um individuelle Herausgabe von Verbindungsdaten unter richterlichem Vorbehalt durch den Anbieter bei Vorliegen einer Katalogtat nach § 100 a Abs. 2 StPO an die Ermittlungsbehörden. Kriminalisten fordern die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung, die in keinem Verhältnis zu den Maßnahmen steht, wie die NSA sie ergriffen haben soll. Doch müsste dies der Öffentlichkeit transparent vermittelt werden, um so eine sachliche Debatte zu führen.

 

Prof. Dr. Dorothee Dienstbühl

Professorin an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV) Nordrhein Westfalen
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