Wandel in der öffentlichen Verwaltung gestalten
Ein „Quick Guide“ mit 10 Empfehlungen für erfolgreiches Change Management
Wandel in der öffentlichen Verwaltung gestalten
Ein „Quick Guide“ mit 10 Empfehlungen für erfolgreiches Change Management
Auch die öffentliche Verwaltung ist permanentem Wandel ausgesetzt. Um diesen erfolgreich zu gestalten, sind einige Grundsätze zu beachten.
„Nichts ist beständiger als der Wandel“ – dieses Heraklit von Ephesos (circa 520–460 v. Chr.) zugeschriebene Zitat hat auch rund 2.500 Jahre später weiterhin Gültigkeit. Die gegenwärtige, vielzitierte „VUCA-Welt“ (Akronym der englischen Wörter für Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit) hat auch erhebliche Auswirkungen auf die öffentliche Verwaltung. Change-Anlässe von außen – Megatrends wie Demografie, Digitalisierung, Globalisierung oder Wertewandel – gibt es ebenso wie von innen, beispielsweise die Einführung eines neuen IT-Systems oder ein Führungswechsel an der Spitze einer Verwaltung. Um Wandel erfolgreich begegnen und gestalten zu können, sind einige wichtige Grundsätze zu beachten.
1. Change Management proaktiv angehen
Idealerweise sollten auch öffentliche Verwaltungen nicht mit Change-Maßnahmen warten, bis diese unausweichlich sind, sondern proaktiv auf absehbare Veränderungen reagieren. Beispiele dafür, dass Wandel im Kerngeschäft zu spät eingeleitet wurde, gibt es zuhauf (in der Unternehmenswelt beispielsweise sind Kodak oder Nokia besonders bekannte Fälle). Proaktiv vorzugehen erweist sich zumeist auch für Verwaltungen als zielführender als reaktiv.
2. Entscheidungen nicht allein oben treffen
Insbesondere bei Entscheidungen, welche die Mitarbeiter einer Verwaltung direkt persönlich betreffen, sollten Entscheidungen nicht allein „von oben“ von der Verwaltungsspitze, sondern unter Einbindung der Mitarbeiter erfolgen. Dieses erhöht sowohl die Akzeptanz als auch die Wahrscheinlichkeit, dass diese Entscheidungen dann später erfolgreich umgesetzt werden.
3. Ziele klar machen und kommunizieren
Seneca (circa 1–65 n. Chr.) soll einmal gesagt haben: „Wer den Hafen nicht kennt, in den er segeln will, für den ist kein Wind der richtige.“ Um Wandel erfolgreich gestalten zu können, gilt es, die nach Einbindung der Mitarbeiter festgelegten konkreten Ziele in die Verwaltung hinein zu kommunizieren. Und dann auch Andere von diesen Zielen, auf die gemeinsam hingearbeitet werden soll, zu überzeugen. Die Klarheit dieser Ziele ist eine wichtige Prämisse für Wandel.
4. Organisationsdiagnose als Basis nehmen
Bevor es an die Umsetzung von Change-Management-Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele geht, ist eine Organisationsdiagnose für die betroffene Verwaltung empfehlenswert. Jede Organisation ist ein komplexer und sensibler Organismus, den es erst genauer zu erforschen gilt, bevor Eingriffe darin vorgenommen werden sollten. Selbst langjährige Führungskräfte in der Verwaltung, die ihren „Apparat“ sehr gut zu kennen glaubten, sollen schon äußerst überrascht darüber gewesen sein, welche Erkenntnisse eine solche Organisationsdiagnose durch Befragung ihrer Mitarbeiter hervorbrachte. Eine Organisationsdiagnose kann je nach Größe der Verwaltung entweder durch Befragung eines repräsentativen Querschnittes der Mitarbeiter (bei größeren Verwaltungen empfehlenswert) oder mittels einer Vollerhebung (bei kleineren Verwaltungen empfehlenswert) erfolgen. Wichtig ist dabei, nicht lediglich nach Schwachstellen, sondern explizit auch nach Stärken der jeweiligen Verwaltung zu fragen, um nicht versehentlich auch Dinge zu verändern, die keiner Veränderung bedürfen.
5. Vertrauen langfristig aufbauen
Gerade bei anstehenden Veränderungen ist Vertrauen ein Schlüsselfaktor, um alle Beteiligten mitzunehmen und für diese Veränderungen zu gewinnen. Es muss zum Zeitpunkt des Eintritts von Wandel bereits vorhanden sein und kann nicht lediglich zu diesem Zweck kurzfristig aufgebaut und dann „per Knopfdruck“ abgerufen werden. Zugleich kann Vertrauen bekanntlich im Gegensatz zu dessen Aufbau in sehr kurzer Zeit nachhaltig wieder zerstört werden. Das ist auch beim Einsatz von externen Beratern, welche auf der einen Seite neues Know-how einbringen können, auf der anderen Seite aber meist nicht über die gleiche Vertrauensbasis verfügen (können), in Change-Management-Prozessen zu berücksichtigen.
6. Vertrauen zu Komplexitätsreduktion nutzen
Wenn (berechtigtes) Vertrauen einmal vorhanden ist, besteht auch die Bereitschaft, sich auf höhere Risiken einzulassen. Der deutsche Gesellschaftstheoretiker und Soziologe Niklas Luhmann (1927–1998) hat den Begriff von Vertrauen als einem „Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität“ geprägt. Change-Management-Prozesse sind in der Regel mit höheren Risiken verbunden. Ohne Vertrauen sind diese wenn, dann nur deutlich schwerer erfolgreich umzusetzen. Daher sollten Führungskräfte in der Verwaltung Vertrauen bewusst einsetzen, um dadurch Komplexität zu reduzieren und „mit ihrem guten Namen“ für die Ziele einzustehen.
7. Kaltstarts vermeiden
Sind die Entscheidungen unter Beteiligung der Mitarbeiter gefallen, stehen die Change-Management-Ziele fest und sind adäquat in die Verwaltung kommuniziert und ist notwendiges Vertrauen vorhanden, ist es dennoch wichtig, Kaltstarts bei der Umsetzung zu vermeiden. Schon für Maschinen ist bekannt, wie sehr Kaltstarts das System strapazieren können. Umso mehr gilt das für Menschen als komplexe, soziale Lebewesen mit Langzeitgedächtnis. Es gilt daher, sich bei Veränderungen genügend Zeit zu nehmen, den Mitarbeitern der Verwaltung Veränderungen angemessen und klar näher zu bringen und diese dabei „mitzunehmen“.
8. Widerstand als Chance sehen
Auch wenn dieser zunächst eher hinderlich erscheint, so bietet ersichtlicher Widerstand im Rahmen von Change-Management-Prozessen in Verwaltungen auch die Chance, diesen aufzugreifen und eigene Vorgehensweisen und Ziele (noch) besser zu erklären. Zudem kann und sollte versucht werden, der Ursache von solchem Widerstand, der oft lediglich ein Symptom darstellt, genauer auf den Grund zu gehen. So kann beispielsweise Angst vor Überforderung die eigentliche Ursache für die Ablehnung von Maßnahmen im Bereich Digitalisierung und IT-Systemen darstellen. Sofern Widerstand nicht komplett destruktiv und in Totalverweigerung auftritt, bietet er die Möglichkeit, eigene Ziele nochmals abzuwägen und bei positivem Ausgang weitere Argumente und Gründe für die gesetzten Ziele zu erarbeiten.
9. Rolle von Führungskräften neu definieren
Die Rollen von Führungskräften ist im Wandel auch in Verwaltungen anders zu definieren als in „Normalzeiten“. Damit Change-Management-Maßnahmen gelingen können, müssen Führungskräfte hierbei insbesondere als Berater und Coach auftreten und mehr Entscheidungskompetenzen auf Gruppen, beispielsweise die Mitarbeiter ihrer Abteilung oder Projektteams, delegieren. Führungskräften kommt im Wandel nun stärker die Rolle von „Systemarchitekten“ zu, welche bei Auftreten von Fehlern das System auf Schwächen hin analysieren und durch Verbesserungen auf Dauer Abhilfe schaffen. Ziel ist es, eine Verwaltung hin zu einer kontinuierlich lernenden Organisation zu entwickeln.
10. „Lessons Learned“ sinnvoll dokumentieren
Organisationen wie Verwaltungen werden auch in Zukunft einem ständigen Wandel ausgesetzt sein. Um für zukünftige Change-Management-Projekte auf Erfahrungen der bereits absolvierten Projekte aufbauen zu können, ist es wichtig, deren „Lessons Learned“ auch zu dokumentieren. So wird verhindert, dass wertvolle Erfahrungen der jeweiligen Verwaltung dadurch verloren gehen, dass die Verantwortlichen früherer Projekte nicht mehr da sind.
Fazit: Gerade in öffentlichen Verwaltungen sind viele der in anderen Organisationen wie Unternehmen verfügbaren Gestaltungsmittel nicht im gleichen Maße vorhanden. Daher kommt eher „weichen“ Faktoren im Bereich des Change Managements besonders hohe Bedeutung zu. Die hier aufgeführten zehn Punkte sind dabei für eine erfolgreiche Umsetzung von Wandel in öffentlichen Verwaltungen von besonders hoher Relevanz.