15.09.2014

Vorteilsausgleich nach Treu und Glauben

Öffentlicher Auftrag: Verzugsschaden durch Erhöhung der Umsatzsteuer

Vorteilsausgleich nach Treu und Glauben

Öffentlicher Auftrag: Verzugsschaden durch Erhöhung der Umsatzsteuer

Mehreinnahmen aus Umsatzsteuer – kein Vorteilsausgleich mit Verzugsschadenersatz aus erhöhter Umsatzsteuer. | © pogonici - Fotolia
Mehreinnahmen aus Umsatzsteuer – kein Vorteilsausgleich mit Verzugsschadenersatz aus erhöhter Umsatzsteuer. | © pogonici - Fotolia

Wird eine Baumaßnahme zu einem Zeitpunkt fertiggestellt, in dem gesetzlich eine neue, höhere Umsatzsteuer festgelegt ist, hat der Auftraggeber, soweit vertraglich nichts anderes geregelt ist, für die gesamte Bauleistung diese höhere Umsatzsteuer zu bezahlen. Anders ist es, wenn der Auftragnehmer, die Baufirma, mit ihrer Leistung in Verzug ist und die Fertigstellung aus diesem Grund in den Geltungsbereich der neuen Umsatzsteuerregelungen fällt.

Nichteinhaltung des vereinbarten Fertigstellungstermins

Ist der Auftraggeber ein Bundesland, das die erhöhte Umsatzsteuer steuerrechtlich selbst erhält, muss es sich die zwischenzeitliche Erhöhung der Umsatzsteuer im Verhältnis zur Baufirma dennoch nicht als Vorteil anrechnen lassen, es kann die Erhöhung bei der Baufirma als Verzugsschaden geltend machen. Das hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 10. 07. 2014 (VII ZR 67/13) für folgenden Sachverhalt entschieden: Das beklagte Bundesland hatte den Kläger mit dem Ausbau einer Autobahn beauftragt. Statt zum vereinbarten Fertigstellungstermin 22. 12. 2006 wurde die Leistung erst zum 23. 02. 2007 fertig. Der Kläger rechnete seine Leistungen insgesamt mit dem ab dem 01. 01. 2007 geltenden erhöhten Umsatzsteuersatz von 19 % ab. Das beklagte Land (Beklagter zu 1) war der Auffassung, dass ihm wegen der Nichteinhaltung des vereinbarten Fertigstellungstermins ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 14.727,99 Euro zustehe, der sich aus der Erhöhung der Umsatzsteuer zum 01. 01. 2007 von 16 % auf 19 % ergebe. In diesem Umfang reduzierte es die Schlussrechnung des Klägers.

Steuermehreinnahmen – kein Vorteilsausgleich mit Verzugsschaden

In seinem Urteil hat der BGH folgenden Leitsatz formuliert:


„Hat ein Land gegen einen Werkunternehmer einen Schadensersatzanspruch aus Verzug, weil es eine aufgrund einer zwischenzeitlichen Erhöhung der Umsatzsteuer eingetretene Mehrbelastung nach der vertraglichen Vereinbarung zu tragen hat, stellen die damit verbundenen Steuermehreinnahmen keinen im Wege des Vorteilsausgleichs anzurechnenden Vermögensvorteil dar.”

Den Urteilsgründen ist Folgendes zu entnehmen:

Dem beklagten Land kann wegen der durch die Erhöhung der Umsatzsteuer eingetretenen Mehrbelastung ein nach § 634 Nr. 4, §§ 636, 280, 281 BGB ersatzfähiger Schaden entstanden sein. Zu seinen Gunsten ist in der Revision davon auszugehen, dass sich der Kläger seit dem 22. 12. 2006 mit der Ausführung der Leistungen in Verzug befand. Diese Verzögerung hat zur Folge, dass der Kläger die gesamte Leistung mit dem ab dem 01. 01. 2007 geltenden Umsatzsteuersatz von 19 % statt mit 16 % zu versteuern hatte und das beklagte Land gegenüber dem Kläger vertraglich verpflichtet war, auch diesen Mehrbetrag zu bezahlen.

Grundsätze der Vorteilsausgleichung

Auf diesen Vermögensnachteil sind die dem Land infolge der Umsatzsteuererhöhung zufließenden Steuermehreinnahmen nicht im Wege des Vorteilsausgleichs anzurechnen.

Durch die auf dem Grundsatz von Treu und Glauben beruhende Vorteilsausgleichung soll ein gerechter Ausgleich zwischen den bei einem Schadensfall widerstreitenden Interessen herbeigeführt werden. Der Geschädigte darf nicht besser gestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Andererseits sind nicht alle durch das Schadensereignis bedingten Vorteile auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen, sondern nur solche, deren Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt, das heißt, deren Anrechnung dem Geschädigten zumutbar ist und den Schädiger nicht unangemessen entlastet. Vor- und Nachteile müssen bei wertender Betrachtungsweise gleichsam zu einer Rechnungseinheit verbunden sein (vgl. BGH, Urt. v. 10. 07. 2008 – VII ZR 16/07, BauR 2008, 1877 Rn. 20; vom 28. 06. 2007 – VII ZR 81/06, BGHZ 173, 83 Rn. 18). Nach diesen Grundsätzen kann ein Vorteilsausgleich nur stattfinden, wenn der Geschädigte aufgrund des Schadensfalles einen Vorteil erlangt, den er ohne diesen nicht erhalten hätte und der sich so in seinem Vermögen niederschlägt, dass sich die endgültige Schadensbilanz in Höhe dieses Vorteils verringert.

Diese Voraussetzungen sind nach dem Urteil des BGH im Streitfall nicht gegeben: Der dem Beklagten zu 1 in Gestalt seines Umsatzsteueranteils zufließende Vorteil kann nicht zu einer Anrechnung im Wege des Vorteilsausgleichs führen. Nach § 1 Abs. 1 UStG fällt die Umsatzsteuer grundsätzlich an, wenn Leistungen durch einen Unternehmer ausgeführt werden. Diese Besteuerung des Umsatzes als eines wirtschaftlichen Verkehrsvorgangs dient wie andere Steuerarten der Deckung des Finanzbedarfs der öffentlichen Haushalte (Bund, Länder und Gemeinden). Nach ihrem Sinn und Zweck soll sie dem Staat aus jedem umsatzsteuerpflichtigen Vorgang Einnahmen erbringen, um seine Aufgaben erfüllen zu können. Während der Schaden in Form der Verpflichtung zur Zahlung einer auf der Grundlage des erhöhten Umsatzsteuersatzes erhöhten Vergütung im Bereich der Straßenbaulast aufgetreten ist und sich dort vermögensmäßig zum Nachteil des Geschädigten ausgewirkt hat, erfolgt der durch Abführung der Umsatzsteuer verursachte Vermögenszuwachs in einem ganz anderen Bereich, nämlich dem des Steueraufkommens, das dem geschädigten Land nach dem Willen des Gesetzgebers unabhängig davon zusteht, auf welchen Vorgang das umsatzsteuerpflichtige Geschäft zurückzuführen ist (vgl. BGH, Urt. v. 18. 03. 2014 – VI ZR 10/13, Rn. 16; Urt. v. 14. 09. 2004 – VI ZR 97/04, NJW 2004, 3557, 3558).

Keine Besserstellung im Vergleich zu fristgerechter Leistung

Der Einwand des Klägers, die Ablehnung einer Vorteilsausgleichung führe im Ergebnis zu einer Bereicherung des beklagten Landes, weil dieser die Umsatzsteuer wertmäßig doppelt erhalte, einmal aufgrund des Steuerverhältnisses und einmal als Schadensersatz, greift nach Auffassung des Gerichts nicht durch. Das Land erhalte mit dem Schadensersatz nicht die Umsatzsteuerdifferenz als zusätzlichen Vermögenswert. Seine Zahlungspflicht gegenüber dem Kläger werde vielmehr im Umfang der durch die Erhöhung der Umsatzsteuer eingetretenen Mehrbelastung gemindert. Das Land werde durch die Zubilligung eines Schadensersatzanspruchs in dieser Höhe im Ergebnis daher lediglich so gestellt, wie er stünde, wenn der Kläger seine Leistungen fristgerecht bis zum vereinbarten Fertigstellungstermin im Jahr 2006 erbracht hätte.

Zurückverweisung: Tatsächlicher Verzug zu prüfen

Der BGH hat den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zur Aufklärung zurückverwiesen, ob der Kläger mit seiner Leistung tatsächlich in Verzug geraten oder der Zeitverzug nicht von ihm zu vertreten war.

 

Michael Stemmer

Direktor a.D. beim Bayerischen Kommunalen Prüfungsverband, München
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