14.02.2019

Vorsteueraufteilung bei einer gemischt-genutzten Sportanlage

… von tatsächlichen Nutzungszeiten abhängig

Vorsteueraufteilung bei einer gemischt-genutzten Sportanlage

… von tatsächlichen Nutzungszeiten abhängig

Muss der Rotstift angesetzt werden? | © beermedia - stock.adobe.com
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Bundesfinanzhof, Urteil vom 26.4.2018 – V R 23/16, „www.bundesfinanzhof.de“

Sachverhalt

Die S-GmbH, eine als gemeinnützig anerkannte staatlich genehmigte Ersatzschule, errichtete in den Jahren 2006 bis 2008 (Streitjahre) eine Sporthalle und einen Sportplatz. 2008 wurde die Sportanlage erstmalig teilweise für steuerfreie eigenschulische und teilweise für steuerpflichtige Vermietungszwecke genutzt. Die S-GmbH bezieht von den Schülern Aufnahmeentgelte und ein laufendes Schulgeld.

Für die Jahre 2006 und 2007 reichte die S-GmbH eine Jahressteuererklärung ein, in der keine Vorsteuerbeträge aus dem Bezug von Leistungen für die Sporthalle und den Sportplatz enthalten waren. Erst mit Abgabe der USt-Erklärung 2008 reichte sie geänderte Erklärungen für 2006 und 2007 sowie eine erstmalige Erklärung 2008 ein, in denen Vorsteuerbeträge enthalten waren.


In den geänderten Steuererklärungen ging die S-GmbH aufgrund einer Jahresbetrachtung von einer steuerpflichtigen Verwendung von 77,34 % aus. Diesen Anteil berechnete sie, in dem sie einen täglichen Zeitraum von 8:00 Uhr bis 22:00 Uhr in eine vorsteuerschädliche Nutzung durch die Schule von 8:00 Uhr bis 15:00 Uhr in den Schulzeiten und die gesamte verbleibende Zeit (15:00 Uhr bis 22:00 Uhr in der Schulzeit und 8:00 Uhr bis 22:00 Uhr an Wochenenden und in den Ferienzeiten) für die Vermietung aufteilte.

Das Finanzamt vertrat zunächst die Rechtsaufassung, dass es für 2006 und 2007 an einer rechtzeitigen Zuordnungsentscheidung fehle und in der tatsächlichen Nutzung ab 2008 durch steuerpflichtige Vermietung eine Änderung der Verhältnisse i.S.d. § 15 a UStG anzunehmen sei, und gewährte den Vorsteuerabzug entsprechend den tatsächlichen Verwendungsverhältnissen im ersten Jahr (2008) von 6,6 % für den Sportplatz und 0,87 % für die Sporthalle. Später – u.a. nach Durchführung einer Außenprüfung für die Folgejahre (2009 bis 2013) – erkannte jedoch das Finanzamt einen anteiligen Vorsteuerabzug ausgehend von einer außerschulischen Auslastung von 70 % abzüglich der Zeiten für schulische Sonderveranstaltungen an, woraus sich insgesamt ein abziehbarer Vorsteueranteil von 55 % in allen Streitjahren ergab. Es sei nicht die abstrakt mögliche, sondern die realistisch zu erwartende Vermietungszeit zugrunde zu legen.

Die S-GmbH macht jedoch geltend, ihr sei ein weiterer Vorsteuerabzug zu gewähren. Die Klage, mit der die S-GmbH eine Erhöhung von 55 % anerkannter Vorsteuern auf 76 % begehrte, wies das erstinstanzliche Finanzgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 13.4.2016, EFG 2016 S. 1032) jedoch ab.

Leitsätze

1. Die stundenweise Überlassung einer Sportanlage an Vereine stellt keine nach § 4 Nr. 12 a UStG steuerfreie Grundstücksvermietung dar, sondern ist insgesamt steuerpflichtig (vgl. BFH, Urteil vom 31.5.2001, BStBl. II 2001 S. 658, und Urteil vom 10.11.2011, BStBl. II 2017 S. 869).

2. Bei einer zeitlich abwechselnden Nutzung desselben Gebäudes zu steuerfreien und steuerpflichtigen Zwecken führt die Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach den Nutzungszeiten zu einer präziseren wirtschaftlichen Zurechnung nach § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG als der (unternehmensbezogene oder objektbezogene) Umsatzschlüssel.

 

Zunächst führte der BFH aus, dass sich im Streitfall die Frage der Versäumung der Zuordnungsfrist nicht stelle. Eine Zuordnungsentscheidung sei nur zu treffen, wenn es sich bei der nichtwirtschaftlichen Tätigkeit um den Sonderfall einer Entnahme für private Zwecke i.S.v. Art. 6 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie handele. Vorliegend erbringe die S-GmbH als Unternehmer eine insgesamt wirtschaftliche Tätigkeit, bei der die Überlassung der Halle und des Sportplatzes einer als Ersatzschule anerkannten Schule an ihre Schüler nach § 4 Nr. 21 a Doppelbuchstabe aa UStG steuerfrei ist, während die entgeltliche stundenweise Überlassung an Vereine keine nach § 4 Nr. 12 a UStG steuerfreie Grundstücksvermietung, sondern nach der Rechtsprechung des BFH steuerpflichtig sei.

Danach stellte der BFH fest, dass die Aufteilung der Vorsteuerbeträge durch das vorinstanzliche Finanzgericht bzw. durch das Finanzamt zu Recht anhand der Nutzungszeiten erfolgt sei. Verwende der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, sei gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Nach Satz 2 dieser Vorschrift könne der Unternehmer die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln.

Hinsichtlich der Regelung in § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG führte der BFH aus, dass diese unionsrechtskonform auszulegen sei: Eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, sei nur zulässig, wenn keine andere – präzisere – wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. Bei einer zeitlich abwechselnden Nutzung desselben Gebäudes zu steuerfreien oder steuerpflichtigen Zwecken führe die Aufteilung der Vorsteuern nach den Nutzungszeiten zu einer präziseren wirtschaftlichen Zurechnung. In den unterschiedlichen Nutzungszeiten drücke sich die Zuordnung des Gebäudes zu den mit ihm ausgeführten Umsätzen aus, sei damit verwendungsbezogen und führe zu sachgerechteren Ergebnissen als der (unternehmensbezogene oder objektbezogene) Umsatzschlüssel. Eine Vorsteueraufteilung anhand des objektbezogenen Flächenschlüssels komme im Streitfall nicht in Betracht, weil dieser die getrennte Nutzung verschiedener feststehender Funktionsbereiche eines Gebäudes voraussetze. Vorliegend gehe es aber nicht um die gleichbleibende Nutzung verschiedener Funktionsbereiche, sondern um die zeitlich abwechselnde Nutzung derselben Gebäudeteile zu steuerfreien oder steuerpflichtigen Zwecken.

Der BFH betonte dann, dass es für die Frage der wirtschaftlichen Zurechnung nach Zeitanteilen entscheidend auf die tatsächlichen Nutzungszeiten ankomme. Die von der S-GmbH favorisierte Aufteilung nach Nutzungsblöcken, in die sowohl die Zeiten der tatsächlichen Nutzung als auch die Leerstandszeiten eingehen, komme im Streitfall nicht in Betracht. Eine solche Aufteilung könnte nur dann als sachgerechter Maßstab anzuerkennen sein, wenn die sich unterschiedlich auswirkenden Nutzungen zeitlich strikt getrennt werden und dies anhand substanziierter Aufzeichnungen – mindestens über einen repräsentativen Zeitraum – für das Finanzamt und das Finanzgericht nachvollziehbar sei. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall nicht erfüllt. Zu Lasten der S-GmbH wirke sich insbesondere aus, dass keine Belegungspläne für die Sportanlagen vorgelegt werden konnten.

Für den Vorsteuerabzug während der Planungs- und Bauphase (Streitjahre 2006 und 2007) sei mangels tatsächlicher Verwendung auf die durch objektive Anhaltspunkte belegte Verwendungsabsicht zur Ausführung steuerpflichtiger Umsätze abzustellen. Diese Prognose der zukünftigen Verwendung richte sich bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nach den Nutzungszeiten, die nach dem gewöhnlichen Ablauf zu erwarten seien. Es komme also nicht auf lediglich erwünschte, baurechtlich maximal erlaubte und unter günstigen Umständen theoretisch erreichbare Vermietungszeiten an.

Nach diesen Grundsätzen sei die Entscheidung des Finanzgerichts, im Rahmen einer realistischen Vermietungsprognose in der Planungs- und Bauphase der Streitjahre 2006 und 2007 von dem durchschnittlichen Anteil der (tatsächlichen) gewerblichen Umsätze bzw. Nutzungszeiten der Folgejahre (2009 bis 2011) auszugehen, nicht zu beanstanden. Für diese Jahre habe sich ein steuerpflichtiger Vermietungsanteil von 38,15 % bzw. 40,65 % (bei Berücksichtigung einer Nutzung des „Schulblocks“ von nur 90 %) ergeben, die beide jeweils unterhalb des vom Finanzamt bereits anerkannten Anteils von 55 % lagen.

Im Streitjahr 2008 könne es dahinstehen, ob auch hier die Verwendungsabsicht bei Leistungsbezug oder stattdessen die tatsächliche Verwendung im Jahr 2008 für den Vorsteuerabzug maßgebend sei. Wenn das Finanzgericht hier nicht die vom Finanzamt ermittelte tatsächliche Vermietungsquote von 7,2 %, sondern zugunsten der S-GmbH auch für dieses Jahr eine prognostizierte Vermietungsquote von 40,65 % angesetzt habe und damit im Ergebnis die vom Finanzamt bereits gewährte Quote von 55 % unberührt geblieben sei, sei dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

 

Anmerkung

Klägerin im oben dargestellten BFH-Verfahren war eine (gemeinnützige) GmbH, die eine staatlich anerkannte Ersatzschule betrieb und darüber hinaus eine Sportanlage, die auch für schulische Zwecke genutzt wurde, an Dritte (Vereine) vermietete. Die vom BFH in diesem Urteil aufgestellten Grundsätze zur Vorsteueraufteilung gelten selbstverständlich auch für andere Betreiber von Sportanlagen (z.B. Gemeinden).

Im Streitfall ging der BFH von einer gemischten Nutzung der Sportanlagen aus: eine nach § 21 a Doppelbuchstabe aa UStG umsatzsteuerfreie Verwendung für schulische Zwecke und eine insgesamt steuerpflichtige Vermietung an Dritte (Vereine). Dabei wies der BFH auf seine in den letzten Jahren ergangene Rechtsprechung hin, nach der die stundenweise Überlassung einer Sportanlage (Sporthalle und Sportplatz) an Vereine keine nach § 4 Nr. 12a UStG steuerfreie Grundstücksvermietung, sondern insgesamt steuerpflichtig ist.

Für die Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG ist nach Aussage des BFH auf die tatsächlichen Nutzungszeiten abzustellen. Insbesondere kommt es nicht auf lediglich erwünschte, baurechtlich maximal erlaubte und unter günstigen Umständen theoretisch erreichbare Vermietungszeiten an.

Stellt man – wie der BFH – bei der Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG auf die tatsächlichen Nutzungszeiten ab, bedeutet dies aber auch, dass Leerstandszeiten weder der steuerfreien noch der steuerpflichtigen Verwendung der Sportanlage zugeordnet werden können.

 

Prof. Thomas Maier

Rechtsanwalt / Steuerberater,
Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl

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