28.02.2019

Neue Konzepte und Strategien

(Un-)Sicherheit bei Großveranstaltungen

Neue Konzepte und Strategien

(Un-)Sicherheit bei Großveranstaltungen

Ausgewählte Ereignisse mit kriminellem Hintergrund und Veranstaltungsbezug (Terror, AMOK und konkrete Anschlagsvorbereitungen). | © Marcel Kuhlmey
Ausgewählte Ereignisse mit kriminellem Hintergrund und Veranstaltungsbezug (Terror, AMOK und konkrete Anschlagsvorbereitungen). | © Marcel Kuhlmey

Der Terroranschlag am 19.12.2016 auf den Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz war eines der auslösenden Ereignisse, welches zu einem wesentlichen Umdenken in der Veranstaltungssicherheit hinsichtlich des Schutzes vor Terroranschlägen führte. Die Anschläge der vergangenen Jahre haben gezeigt, wie anfällig auch Veranstaltungen durch kriminelle Täter sein können. Das erste große Umdenken in der Veranstaltungssicherheit begann bereits mit dem Loveparade Unglück am 24.07.2010, bei dem 21 Besucher starben und über 500 Personen verletzt wurden. Die Anstrengungen in den darauffolgenden Jahren fokussierten sich jedoch in erster Linie darauf, dass aus den Mängeln der Loveparade gelernt und „best practice“ für künftige Veranstaltungen entwickelt wurden. Auch wenn selbstverständlich bereits in der Vergangenheit kriminelle Handlungen in der Risikoanalyse und somit in den Sicherheitskonzepten Eingang fanden, so waren Ereignisse wie in Paris, Berlin und Manchester für alle Akteure der Veranstaltungssicherheit fern jeglicher Vorstellungskraft.

Rückblick auf die Ereignisse

Die Ereignisse der letzten Jahre haben gezeigt, dass Sicherheit kein Nebenprodukt sein darf. Veranstaltungen können klein und gefährlich, aber auch groß und ungefährlich sein. Daher gilt es die Risiken zu identifizieren, zu minimieren und das Schadensausmaß möglichst gering zu halten. Eine adäquate und professionelle Reaktion ist die Prävention und die Vorbereitung auf entsprechende Ereignisse. Trotz aller Bemühungen und Anstrengungen werden dennoch immer Restrisiken bleiben. Bundesweit werden jährlich circa 393 Millionen Besucher auf Veranstaltungen gezählt. Alleine in Berlin fanden im Jahr 2017 17.358 polizeilich relevante Veranstaltungen statt. Im Fokus des Handelns der Verantwortlichen stehen nicht nur die direkten Risiken, sondern auch die indirekten Risiken, die durch einen Terroranschlag entstehen können. Die Auswertungen der bisherigen Tathandlungen bieten Ansätze für die Prävention und das künftige operative sowie konzeptionelle Handeln. Veranstalter und Sicherheitsbehörden haben hierzu die ersten Maßnahmen getroffen. Damit ist zu konstatieren, dass die Veranstaltungssicherheit in Deutschland trotz der Ereignisse als hoch einzustufen ist.

Anprallschutz/Überfahrschutz bei Veranstaltungen

Spätestens nach dem Terroranschlag am Breitscheidplatz werden Veranstaltungen je nach Gefährdungslage mit einem Anprall- oder Überfahrschutz gesichert. Der Anprallschutz bietet überall dort zusätzliche Sicherheit, wo eine erhöhte Unfall- oder Kollisionsgefahr besteht. Der Überfahrschutz dient in erster Linie der Terrorabwehr und soll das gezielte und ungehinderte Einfahren von Kraftfahrzeugen in einen Bereich wirksam verhindern.


Überdenken des bisherigen Sicherheitsverständnisses

Während eine wirksame Maßnahme der Anprall- und Überfahrschutz darstellt, so sind auch sichere Personen- und Behältniskontrollen ein weiterer Baustein in der Sicherheitsarchitektur. Hierzu gehört die Kontrolle oder auch das Verbot, Rucksäcke und Gepäckstücke in einer Veranstaltung mitzuführen sowie die Personenkontrolle mittels Torsonden oder anderen technischen Möglichkeiten durchzuführen. Das Verständnis für derartige intensive Kontrollen ist bei den Besuchern noch nicht zu durchgängig gegeben. Auch sind die Besucher noch nicht ausreichend sensibilisiert, selbst Gefahrensituation und verdächtige Personen zu erkennen und den Sicherheitskräften umgehend zu melden.

Neue Konzepte

Die erhöhten Sicherheitsmaßnahmen haben dazu geführt, dass Personen nicht mehr ungehindert und unkontrolliert gefährliche Gegenstände in den Veranstaltungsbereich einbringen können. Daher richtete sich das Anschlagsziel von Terroristen aufgrund der hohen Personendichten zunehmend an die Besucher im Einlass- und Auslassbereich. Durch mehrstufige und vorgelagerte Kontrollen sowie eine Erhöhung der Zu- und Ausgänge könnten Ansammlungen verhindert und damit das Risiko minimiert werden. Das Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Effektivität sowie Effizienz wäre allerdings aufzulösen.

Darüber hinaus sollte der Einsatz von zivilen Sicherheitskräften sowie Videoüberwachung erhöht werden, um frühestmöglich Auffälligkeiten feststellen (Vorfeld- und Umfeldbeobachtung) und situationsgerecht handeln zu können.

Qualifizierung

Die Sicherheit bei Großveranstaltungen erfordert bestmöglich ausgebildetes Personal. Dies gilt nicht nur für die Sicherheitsbehörden, sondern auch für das private Sicherheitspersonal. Derzeit sieht das Unterrichtungsverfahren sowie die Sachkundeprüfungen nach § 34 a GewO nicht die Vermittlung von Inhalten der Veranstaltungssicherheit vor. Da sich die Aufgaben zwischen der Polizei und dem Sicherheitsdienstleister nur marginal unterscheiden, ist eine weitere Qualifizierung der Sicherheitsmitarbeiter in der Sicherheitswirtschaft zwingend erforderlich. Auch sie müssen in der Lage sein, die Kontrollen in der erforderlichen Tiefe durchzuführen und im Ereignisfall professionell handeln zu können.

Forschung

Im Rahmen der szenarienorientierten Sicherheitsforschung des Sicherheitsforschungsprogramms der Bundesregierung wurde in der Themenausschreibung „Schutz und Rettung von Menschen“ das Verbundprojekt „BaSiGo – Bausteine für die Sicherheit von Großveranstaltungen“ durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Die Projektziele von „BaSiGo“ waren unmittelbar geleitet durch die Absicht, Innovationspotenziale im Zusammenhang mit der Sicherheit von Großveranstaltungen aufzudecken und praktikable sowie zukunftsfähige Lösungen für alle beteiligten Akteure zu schaffen.

Als ein weiteres Projekt zur Erhöhung der Veranstaltungssicherheit ist das im Rahmen des Forschungsprogramms „Forschung für die zivile Sicherheit“ der Bundesregierung durchgeführte Verbundprojekt „ProVOD: Professionalisierung des Veranstaltungsordnungsdienstes (VOD)“ zu nennen.

Verändertes Vorgehen der Sicherheitsbehörde

Nach dem Anschlag auf den Breitscheidplatz hat die Berliner Polizei die Ereignisse und das eigene Handeln ausgewertet. In einem Schlussbericht (NaKOm) wurden wesentliche Folgerungen für die künftige polizeiliche Einsatzbewältigung für vergleichbare Einsatzanlässe gezogen, um das Handeln zu optimieren und zu professionalisieren. Auch die Berliner Feuerwehr hat den Anschlag ausgewertet und ihr Tätigwerden angepasst. Vergleichbare Diskussionen gab es auch auf der Ebene der Konferenz der Innenminister und -senatoren, die zu einer Überarbeitung von wesentlichen bundesweit geltenden Polizeidienstschriften führt.

Herausforderungen und Ausblick

Die gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse sowie die sofort getroffenen Maßnahmen sind nunmehr in die Veranstaltungssicherheit zu implementieren. Die bundesweit angestoßene Diskussion hat zu einem Umdenken bei den Sicherheitsakteuren und der privaten Sicherheit geführt. Es gilt aber auch weitere Risiken zu betrachten und Lösungen für Szenarien zu finden. Hierzu gehören sicherlich die Drohnenproblematik sowie die CBRN-Gefahren im Zusammenhang mit Veranstaltungen.

 

Prof. Marcel Kuhlmey

Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR), Berlin
 

Heike Nagora

Polizeioberrätin und Polizeibeamtin des höheren Polizeivollzugsdienstes der Berliner Polizei. Ausbildungsleiterin an der Polizeiakademie Berlin für den mittleren, gehobenen und höheren Polizeivollzugsdienst. Dozentin an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin.

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