15.03.2012

Vom Abfall zum Wertstoff

Das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz – Auswirkungen auf die Kommunen

Vom Abfall zum Wertstoff

Das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz – Auswirkungen auf die Kommunen

Hat das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz den Konkurrenzkampf um den Abfall beendet? | © Martina Berg - Fotolia
Hat das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz den Konkurrenzkampf um den Abfall beendet? | © Martina Berg - Fotolia

Hat das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz den Konkurrenzkampf um den Abfall beendet?

Die „gewerbliche Sammlung” von Haushaltsabfällen zur Verwertung war das zentrale Konfliktthema des nunmehr abgeschlossenen Gesetzgebungsverfahrens für ein neues Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG). Nachdem der Bundestag am 28. 10. 2011 – nach einer Verständigung mit den Kommunalen Spitzenverbänden und dem VKU – hierzu eine gegenüber dem ursprünglichen Gesetzesentwurf des Bundesregierung bereits deutlich kommunalfreundlichere Regelung verabschiedet hatte, haben die Kommunen im nachfolgenden Vermittlungsverfahren weitere Verbesserungen ihrer Rechtsposition erreichen können.

In seiner Sitzung vom 8. Februar 2012 hat sich der Vermittlungsausschuss auf eine Neufassung der Regelungen zu der „gewerblichen Sammlung” verständigt (Beschlussempfehlung Drs. 17/8568). Die Neuformulierungen in der maßgeblichen Bestimmung des § 17 Abs. 3 KrWG kommen den Kommunen weit entgegen und führen im Ergebnis dazu, dass die gewerbliche Sammlung von Haushaltsabfällen entgegen der ursprünglichen Absicht der Bundesregierung nicht ausgeweitet wird. Die sog. „überwiegenden öffentlichen Interessen”, die einer gewerblichen Sammlung entgegengehalten werden können, sind nunmehr im Gesetz deutlich akzentuiert worden und für den praktischen Gesetzesvollzug geeignet.


Die Neuformulierung durch den Vermittlungsausschuss

Das neue KrWG definiert die „überwiegenden öffentlichen Interessen”, die einer gewerblichen Sammlung von Haushaltsabfällen entgegenstehen können, in § 17 Abs. 3 zunächst dahingehend, dass Funktionsfähigkeit, Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers geschützt werden.

Eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und der Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers ist nach § 17 Abs. 3 Satz 3 KrWG dabei insbesondere dann anzunehmen, wenn durch die gewerbliche Sammlung Abfälle erfasst werden, für die der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger oder der von diesem beauftragte Dritte eine haushaltsnahe oder sonstige hochwertige getrennte Erfassung und Verwertung der Abfälle durchführt, die Stabilität der Gebühren gefährdet wird oder die diskriminierungsfreie und transparente Vergabe von Entsorgungsleistungen im Wettbewerb erheblich erschwert oder unterlaufen wird.

Umstritten war jedoch, ob die genannten Schutzgüter als „öffentliche Interessen” dann verdrängt werden, wenn die gewerbliche Sammlung „höherwertig” ist, also ein „höheres Dienstleistungsniveau” aufweist. Ein solcher Regelungsansatz war ursprünglich von der Bundesregierung vorgesehen worden.

Nach der vom Vermittlungsausschuss beschlossenen Formulierung, die Eingang in das Gesetz gefunden hat, werden die Sätze 4 bis 6 in § 17 Abs. 3 KrWG nun wie folgt gefasst:

„Satz 3 Nummer 1 und 2 gilt nicht, wenn die vom gewerblichen Sammler angebotene Sammlung und Verwertung der Abfälle wesentlich leistungsfähiger ist als die von dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger oder dem von ihm beauftragten Dritten bereits angebotene oder konkret geplante Leistung. Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit sind sowohl die in Bezug auf die Ziele der Kreislaufwirtschaft zu beurteilenden Kriterien der Qualität und der Effizienz, des Umfangs und der Dauer der Erfassung und Verwertung der Abfälle als auch die aus Sicht aller privaten Haushalte im Gebiet des öffentlich-rechtlichen Entsorgungs- trägers zu beurteilende gemeinwohlorientierte Servicegerechtigkeit der Leistung zugrunde zu legen. Leistungen, die über die unmittelbare Sammel- und Verwertungsleistung hinausgehen, insbesondere Entgeltzahlungen, sind bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit nicht zu berücksichtigen.”

Durch diese Formulierungen hat sich die Rechtsstellung der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger und der kommunalen Entsorgungsunternehmen gegenüber gewerblichen Sammlern deutlich verbessert. Dies folgt insbesondere daraus, dass die in § 17 Abs. 3 Satz 3 KrWG konkretisierten Schutzgüter, durch die die öffentlichen Interessen ausgefüllt werden, nur in wenigen Fällen durch eine gewerbliche Sammlung überwunden werden können.

Gewerbliche Sammlung muss wesentlich leistungsfähiger sein

Die Schutzgüter „hochwertige kommunale Sammlung” und „Gebührenstabilität” kommen nur dann nicht zum Tragen, wenn die gewerbliche Sammlung „wesentlich leistungsfähiger” ist. Nach der Begründung des Vermittlungsausschusses müssen hierzu messbare und gewichtige Leistungsvorteile vorliegen. Der Vergleichsmaßstab hat sich damit zu Gunsten der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger verschoben, die nur unwesentliche Verbesserungen eines gewerblichen Dienstleistungsangebots nicht als Zulassungsgrund für eine gewerbliche Sammlung akzeptieren müssen.

Auftragnehmer der Kommune wird umfassend geschützt

Darüber hinaus ist von Bedeutung, dass das Schutzgut eines wettbewerblichen Ausschreibungsverfahrens auch durch wesentlich leistungsfähigere gewerbliche Sammlungen nicht ausgehebelt werden kann. Unabhängig von der Qualität und der Leistungsfähigkeit einer gewerblichen Sammlung ist also stets danach zu fragen, ob durch eine gewerbliche Sammlung ein wettbewerbliches Ausschreibungsverfahren erheblich erschwert oder unterlaufen wird, wie es in der Vergangenheit häufig der Fall war. Der mehrfach geübten Praxis privater Entsorgungsunternehmen, nach Verlust des kommunalen Auftrags die Sammeltätigkeit als „gewerblicher Sammler” fortzuführen, ist damit ein Riegel vorgeschoben.

Sammler muss höhere Leistungsfähigkeit darlegen

Von nicht zu unterschätzender praktischer Bedeutung ist der Hinweis in der Begründung des Vermittlungsausschusses, dass die Darlegungs- und Beweislast für die höhere Leistungsfähigkeit der gewerblichen Sammlung deren Träger trägt. Diese Darlegungs- und Beweislast des gewerblichen Sammlers wird man im Zusammenhang sehen können mit dem nunmehr stark formalisierten Anzeigeverfahren für Sammlungen nach § 18 KrWG.

Will ein gewerblicher Sammler vermeiden, dass ihm die Schutzgüter – hochwertige kommunale Erfassung, Gebührenstabilität, wettbewerbliches Ausschreibungsverfahren – entgegengehalten werden, so wird er regelmäßig bereits mit der Anzeige nach § 18 KrWG den Nachweis der wesentlich höheren Leistungsfähigkeit erbringen müssen.

Reiner Kostenwettbewerb wird ausgeschlossen

Eine wesentliche Modifizierung der Kriterien des Leistungsvergleichs ist dadurch erfolgt, dass die Kriterien der Qualität, der Effizienz, des Umfangs und der Dauer nunmehr in Bezug auf die Ziele der Kreislaufwirtschaft zu beurteilen sind. Dabei ist der Zweck des Gesetzes nach § 1 KrWG, die Kreislaufwirtschaft zur Schonung der natürlichen Ressourcen zu fördern und den Schutz von Mensch und Umwelt bei der Erzeugung und Bewirtschaftung von Abfällen sicherzustellen.

Entscheidend sind damit die ökologischen Ziele des Kreislaufwirtschaftsgesetzes, nicht hingegen rein wirtschaftliche Kriterien. Dies ist deshalb bedeutsam, weil nach der ursprünglichen Gesetzesbegründung der Bundesregierung auch die Kosteneffizienz in den Leistungsvergleich einzubeziehen war. Nunmehr wird man unter Effizienz allein die ökologische Effizienz im Sinne der Ressourceneffizienz zu prüfen haben. Ein geringeres Tarifniveau eines gewerblichen Sammlers kann damit nicht mehr im Sinne einer höheren Kosteneffizienz Berücksichtigung finden.

Räumlich begrenzte Serviceverbesserungen reichen nicht aus

Die gemeinwohlorientierte Servicegerechtigkeit der zu vergleichenden Leistungen ist nunmehr aus der Sicht aller privaten Haushalte zu beurteilen. Nach der Begründung des Vermittlungsausschusses wird damit sichergestellt, dass es für den Leistungsvergleich nicht allein auf die vom Sammler gegebenenfalls gezielt angesteuerten ertragreichen Gebiete ankommt. Damit ist stets das gesamte Gebiet des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers im Rahmen des Leistungsvergleichs in den Blick zu nehmen. Selbst wenn danach ein gewerblicher Sammler für bestimmte Siedlungsgebiete einen besseren Service anbietet, wird dies die höhere Leistungsfähigkeit dann nicht begründen können, wenn in anderen Siedlungsgebieten allein die Kommune ein entsprechendes Entsorgungssystem vorhält.

Die zu vergleichenden Sammelsysteme des gewerblichen Sammlers einerseits und des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers andererseits müssen also stets daraufhin untersucht werden, welchen Service sie für sämtliche Haushalte des Gebietes des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers bieten. Hiermit wird ausgeschlossen, dass ein höheres Dienstleistungsniveau allein in verdichteten Siedlungsgebieten die Zulässigkeit einer gewerblichen Sammlung begründen kann.

Von einer gewerblichen Sammlung wird regelmäßig Flächendeckung zu fordern sein

Insgesamt gewinnt durch die Formulierungen des Vermittlungsausschusses der Gesichtspunkt der Flächendeckung ein deutlich größeres Gewicht, zumal auch der Umfang der jeweiligen Sammlungen zu berücksichtigen ist. Da es demnach sowohl auf den Umfang der Sammlung als auch auf den Service für sämtliche Haushalte des Entsorgungsgebietes ankommt, wird eine gewerbliche Sammlung bereits dann kaum zulassungsfähig sein, wenn sie kein flächendeckendes Entsorgungsangebot macht. Da der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger den Nachweis der Flächendeckung – in welcher Systemausgestaltung auch immer – regelmäßig wird erbringen können, werden sich räumlich begrenzte gewerbliche Sammlungen kaum als wesentlich leistungsfähiger darstellen lassen. Gerade durch die Kriterien des Umfangs und der flächendeckenden Servicegerechtigkeit wird einer gewerblichen Rosinenpickerei wirksam Einhalt geboten.

Gewerbliche „Bonus-Leistungen” bleiben unberücksichtigt

Ebenfalls zu begrüßen ist, dass solche Serviceangebote eines gewerblichen Sammlers unberücksichtigt bleiben, die mit der eigentlichen Sammel- und Verwertungsleistung hinsichtlich der betreffenden Abfallfraktion nichts zu tun haben. Eine gewerbliche Altpapiersammlung wird also zum Beispiel nicht durch eine hiermit verknüpfte Stellplatzreinigung zu einer höherwertigen Dienstleistung.

In diesem Zusammenhang ist ferner hervorzuheben, dass auch Entgeltzahlungen des gewerblichen Sammlers an die privaten Haushalte außer Betracht zu bleiben haben. Dies ist zum Beispiel bedeutsam für die rechtliche Beurteilung von sog. „Papierbanken”, die für die Anlieferung von Altpapier ein mengenabhängiges Entgelt auszahlen. Auch solche Zahlungen können nicht dafür ins Feld geführt werden, dass der gewerbliche Sammler einen höheren Service bietet.

Fazit

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass alle Versuche, mittels der „gewerblichen Sammlung” eine Liberalisierung der Hausmüllentsorgung durchzusetzen, gescheitert sind. Obwohl mit § 3 Abs. 18 KrWG der restriktive Sammlungsbegriff des Bundesverwaltungsgerichts aus seinem Altpapierurteil vom 18. 06. 2009 wieder außer Kraft gesetzt wird, sind die Hürden für gewerbliche Sammlungen in § 17 Abs. 3 KrWG so hoch, dass im Ergebnis von einem Erhalt des Status quo gesprochen werden kann.

Die gewerbliche Sammlung bleibt somit ein sehr eng umgrenzter Ausnahmetatbestand von der grundsätzlich geltenden Überlassungspflicht für Abfälle aus privaten Haushaltungen. Auf Grund der im Vermittlungsverfahren weiter präzisierten Formulierungen ist nunmehr auch ein Niveau an Rechtssicherheit erreicht, das den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern eine verlässliche Planungssicherheit bei der Weiterentwicklung ihrer Erfassungs- und Recyclingstrukturen gewährleistet.

 

Dr. Holger Thärichen

Geschäftsführer der Sparte Abfallwirtschaft und Stadtreinigung VKS des VKU e.V., Berlin
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