15.03.2012

Achtung: Vorfahrt für Vergaberecht!

Bei Verstoß droht Rückforderung von Investitionszuschüssen

Achtung: Vorfahrt für Vergaberecht!

Bei Verstoß droht Rückforderung von Investitionszuschüssen

Bei der Verwirklichung von geförderten Vorhaben ist das Vergaberecht genauestens einzuhalten. | © Andreas F. - Fotolia
Bei der Verwirklichung von geförderten Vorhaben ist das Vergaberecht genauestens einzuhalten. | © Andreas F. - Fotolia

Die Rückforderung von Zuwendungen auf Grund vergaberechtlicher Verstöße ist in den vergangenen Jahren immer mehr in den Blickpunkt der Rechtspraxis geraten. Im Zusammenhang mit der Auferlegung von Vergabepflichten in Allgemeinen Nebenbestimmungen (ANBest) für Zuwendungen gab es bereits in den letzten Jahren einige viel beachtete Gerichtsentscheidungen mit zum Teil erheblichen finanziellen Konsequenzen für Zuwendungsempfänger. Nunmehr hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 17. 11. 2011 (Az.: III ZR 234/10) die Rückforderung eines Investitionszuschusses als rechtmäßig erachtet, weil der Zuwendungsempfänger bei der Verwirklichung des geförderten Projekts gegen Vergaberecht verstoßen hat.

Hintergrund

Das Vergaberecht und das Zuwendungs- bzw. Subventionsrecht sind grundsätzlich getrennte Rechtsmaterien. Während die Öffentliche Hand bei der Auftragsvergabe für ihre Geldleistungen eine bestimmte Gegenleistung bekommt, stellen Fördermittel freiwillige – wenngleich zweckgebundene – vermögenswerte Leistungen des Staates zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben dar, ohne dass dem ein Leistungsaustausch zu Grunde liegt. Schnittmengen zwischen Zuwendungs- und Vergaberecht ergeben sich jedoch dann, wenn Zuwendungsempfänger zur Einhaltung vergaberechtlicher Vorschriften verpflichtet sind. Eine solche Verpflichtung liegt in zwei Fallkonstellationen vor:

  • Zum einen werden gemäß § 98 Nr. 5 GWB auch Personen des Privatrechts bei überwiegender öffentlicher Finanzierung als öffentlicher Auftraggeber behandelt, wenn sie für bestimmte Bauvorhaben von öffentlichen Auftraggebern Mittel erhalten, mit denen diese Bauvorhaben zu mehr als 50 % finanziert werden.
  • Zum anderen sehen ANBest für Zuwendungen als Teil der Verwaltungsvorschriften zu § 44 BHO bzw. den §§ 44 ff. Haushaltsordnungen der Länder vor, dass ab einer bestimmten Schwelle bei der Vergabe von Aufträgen die Bestimmungen der VOB/A bzw. VOL/A anzuwenden sind.

Bei genauerer Betrachtung verfolgen § 98 Nr. 5 GWB und ANBest für Zuwendungen indes unterschiedliche rechtliche Zielstellungen, die im Zusammenhang mit der vom BGH entschiedenen Problemstellung von Bedeutung sind. Die Vorschrift des § 98 Nr. 5 GWB erweitert nämlich den personalen Anwendungsbereich des Vergaberechts, während ANBest für Zuwendungen nicht Teil des Vergaberechts, sondern des Zuwendungsrechts sind. Als Verwaltungsvorschriften entfalten letztere keine Außenwirkung; rechtliche Verbindlichkeit im Außenverhältnis erlangen sie erst als ANBest zum Zuwendungsbescheid bzw. Bewilligungsschreiben.


Sachverhalt

Der Zuwendungsempfänger beantragte beim zuständigen Wirtschaftsministerium eines Bundeslandes Investitionszuschüsse für die Durchführung mehrerer Bauvorhaben. Diese Zuschüsse wurden von der landeseigenen Investitionsbank, einer Anstalt des Öffentlichen Rechts, gewährt und ausbezahlt. Die hiermit verbundenen Auflagen und Hinweise forderten vom Zuwendungsempfänger bei der Auftragsvergabe die Beachtung der VOB/A und der VOL/A. Nach einem in dem Bewilligungsschreiben näher bezeichneten Erlass des Finanzministeriums können Zuwendungen bei Verstößen gegen Vergaberecht von der Bewilligungsbehörde ganz oder teilweise zurückgefordert werden. Sofern ein schwerer Verstoß gegen Vergaberecht vorliege, sei in der Regel eine vollständige Rückforderung der Zuwendung angezeigt. Ein schwerer Verstoß käme den Zuwendungsbedingungen zufolge insbesondere dann in Betracht, wenn gegen die zutreffende Vergabeart verstoßen werde. In einer weiteren Ziffer der Zuwendungsbedingungen war außerdem festgelegt, dass das Rechtsverhältnis zwischen der Investitionsbank und dem Zuwendungsempfänger dem privaten Recht unterliege.

Nach einer Überprüfung der Auftragsvergaben stellte sich heraus, dass der Zuwendungsempfänger „Beschränkte Ausschreibungen” durchgeführt hatte, obwohl jeweils die Wahl des „Offenen Verfahrens” geboten gewesen wäre. Darin erkannte die Prüfbehörde einen schweren Verstoß gegen die Zuwendungsbedingungen und forderte die vollständige Rückzahlung der gewährten Zuschüsse.

Auffassung des Berufungsgerichts

Das Berufungsgericht hat einen Anspruch auf Rückzahlung der Investitionszuschüsse wegen Verstoßes gegen die Vergabevorschriften noch verneint. Diese Verpflichtung sei als Auflage zu den jeweiligen Bewilligungen der Fördermittel zu bewerten, so dass es sich nicht um rechtsgeschäftliche Vereinbarungen von Vertragspartnern handele. Da im Zeitpunkt der Bewilligung der Zuwendungen die Bauvorhaben bereits teilweise durchgeführt worden waren, habe der Zuwendungsempfänger gegen die Auflage der Beachtung des Vergaberechts nicht verstoßen. Eine Auflage entfalte nämlich erst Außenwirkung mit der Bekanntgabe des Bescheids. Des Weiteren stehe dem Rückforderungsanspruch entgegen, dass der Zuwendungsgeber sein Ermessen nicht ausgeübt habe und dieses im gerichtlichen Verfahren nicht nachgeholt werden könne.

Entscheidung des BGH

Der BGH vertritt anders als die Vorinstanzen die Auffassung, dass es sich bei der zwischen der Investitionsbank und dem Zuwendungsempfänger geschlossenen Vereinbarungen um einen privatrechtlichen Vertrag handelt. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, es liege eine Auflage im Sinne des § 36 VwVfG NRW vor, so dass die Beachtung des Vergaberechts mangels ausdrücklicher Anordnung keine rückwirkende Kraft entfalten könne, sei daher rechtsfehlerhaft. Die verwendeten Nebenbestimmungen und Auflagen stellten vielmehr Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) dar, welche nach zivilrechtlichen Maßstäben auszulegen seien. Dass die Investitionsbank sich zudem ihres Ermessens bewusst gewesen sei, zeige die Formulierung im Rückforderungsschreiben, welche die Rückforderung als „angezeigt” bewertete. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass ein schwerer Verstoß gegen Vergabevorschriften vorliege und daher die Rückforderung gerechtfertigt sei.

Nach Auffassung des BGH kommt grundsätzlich bei jedem Verstoß gegen Vergabegrundsätze eine (teilweise) Rückforderung der Zuschüsse in Betracht. Die Besonderheit eines schweren Verstoßes bestehe lediglich darin, dass hier eine Rückforderung die Regel sei.

VGH Baden-Württemberg entscheidet in ähnlicher Weise

Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 28. 09. 2011 (Az.: 9 S 1273/10) ebenfalls festgestellt, dass die teilweise Rückforderung von Zuwendungen rechtmäßig ist, wenn der Zuwendungsempfänger gegen vergaberechtliche Vorschriften verstoßen hat. Im entschiedenen Fall hatte ein Unternehmen, das für die Verlegung seines Betriebs Fördermittel in Millionenhöhe erhalten hatte, Aufträge freihändig vergeben, ohne dass es hierfür sachliche Gründe anführen konnte. Der Zuwendungsempfänger war jedoch im Zuwendungsbescheid auf die „Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung” hingewiesen worden, welche die Verpflichtung enthielten, bei der Vergabe von Aufträgen die Vorgaben der VOB/A und der VOL/A einzuhalten.

Fazit und Praxishinweise

Die Entscheidung des BGH und des VGH Baden-Württemberg sind keine Überraschung. Zuwendungsempfängern ist daher dringend zu raten, bei der Verwirklichung von geförderten Vorhaben das Vergaberecht genauestens einzuhalten. Dies gilt umso mehr für solche Zuwendungsempfänger, die grundsätzlich keine öffentlichen Auftraggeber sind und denen das Vergaberecht in der Regel wenig vertraut sein dürfte. Nach der Rechtsauffassung des BGH können nämlich sogar Verstöße gegen das Vergaberecht, die in der Vergangenheit liegen, die Rückforderung von gewährten Zuwendungen begründen. Dies gilt jedenfalls dann, sofern die zugrunde liegende Vereinbarung dem Privatrecht unterfällt. Ob es sich bei den dem Bewilligungsschreiben beigefügten ANBest um AGB oder um verwaltungsrechtliche Auflagen handelt, ist jeweils im Einzelfall zu ermitteln.

Ein Problem, das in der Regel durch die Erlasse der zuständigen Ministerien begründet ist, dürfte die Praxis bei der Rückforderung gewährter Zuschüsse künftig ebenfalls beschäftigen: Eine vollständige Rückforderung von Zuwendungen ist in der Regel gerechtfertigt, sofern ein „schwerer” Verstoß gegen des Vergaberecht vorliegt. Zwar lässt sich noch einsehen, nicht jeden Verstoß gegen das Vergaberecht mit der vollständigen Rückforderung zu sanktionieren; die „Schwere” eines Verstoßes ist hierfür jedoch eine gänzlich untaugliche Kategorie. Zum einen gibt es im Vergaberecht keine solche Einordnung. Zum anderen ist es für die Praxis nicht zweckmäßig, auf die abstrakte „Schwere” des Vergaberechtsverstoßes abzustellen, sondern darauf, ob der Zuwendungszweck hierdurch gefährdet worden ist. Der Zuwendungszweck liegt in der Regel darin, die Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit zu wahren. Wenn das wirtschaftlichste Angebot bezuschlagt wurde, ist diesem Zweck auch dann Rechnung getragen, wenn (später) ein Vergabeverstoß festgestellt wird.

 

Dr. Beatrice Fabry

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Vergaberecht
Menold Bezler Rechtsanwälte Partnerschaft mbB
 

Dr. Martin Ott

Rechtsanwalt, Menold Bezler Rechtsanwälte Partnerschaft, Stuttgart
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