15.03.2012

Stadtinternes Contracting

Clever finanzieren: Maßnahmen zur Energie- und Wassereinsparung

Stadtinternes Contracting

Clever finanzieren: Maßnahmen zur Energie- und Wassereinsparung

Was der Mensch sät, das wird er ernten: Clever investieren, nachhaltig profitieren. | © Franz Pfluegl - Fotolia
Was der Mensch sät, das wird er ernten: Clever investieren, nachhaltig profitieren. | © Franz Pfluegl - Fotolia

Investitionen trotz haushaltlicher Engpässe

Die Finanzlage der Kommunen zwingt dazu, dass wirtschaftliches Denken und Handeln ein Gebot für die Kommunen auch bei der Energielieferung bleiben muss. Daher ist es wichtig, die wirtschaftlichen Aspekte auch im Energiebereich für kommunale Liegenschaften in den Vordergrund zu stellen und auch Investitionen zur Energie- und Wassereinsparung zu tätigen. Dabei sollte die Wirtschaftlichkeit durch das fachkundige Energiemanagement geprüft werden.

Prinzipiell gibt es mehrere Möglichkeiten zur Finanzierung von Maßnahmen zur Energie- und Wassereinsparung in kommunalen Gebäuden: (a) Haushalt, (b) Contracting, (c) Öffentlich-Private Partnermodelle, (d) Sonderformen. Alle Varianten sind prinzipiell denkbar und haben ihre Vor- und Nachteile, die unter den jeweiligen Randbedingungen von jeder Kommune betrachtet werden müssen. In Stuttgart wurde das stadtinterne Contracting entwickelt und in den letzten Jahren ausgebaut.

Stadtinternes Contracting – Der Ansatz

Im Modell des stadtinternen Contractings finanziert das Amt für Umweltschutz wirtschaftliche Maßnahmen in den städtischen Ämtern und Eigenbetrieben zur Energie- und Wassereinsparung vor (Bild 1). Die durch diese Maßnahmen bei den städtischen Ämtern und Eigenbetrieben eingesparten Energiekosten fließen aus dem jeweiligen Budget so lange an das Amt für Umweltschutz zurück, bis die Investition abbezahlt ist. Danach können die Ämter und Eigenbetriebe frei über die eingesparten Energiekosten verfügen.


Bild 1: Prinzip des stadtinternen Contractings

Das Amt für Umweltschutz hat von 1995–2010 mit den städtischen Ämtern und Eigenbetrieben über 270 Vereinbarungen entwickelt. Dabei handelt es sich um Projekte von wenigen 1.000 Euro bis hin zu und über 1 Mio. Euro. Neben Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz ist auch der Bau von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energieträger realisiert worden. Insgesamt entfallen 23 % der Investitionen auf den regenerativen Bereich. Bei konkurrierenden Projekten wird anhand der Kapitalrückflusszeit entschieden, welche Maßnahmen umgesetzt werden. Die durchschnittliche Kapitalrückflusszeit der vom Amt für Umweltschutz eingesetzten Finanzmittel liegt bei ca. sieben Jahren.

Ziel des 1995 in Stuttgart entwickelten Modells des stadtinternen Contractings ist es, die Anzahl an Projekten zur Energie- und Wassereinsparung deutlich zu erhöhen und zeitnah umzusetzen. Mit der Vorfinanzierung gelingt es, dass haushaltstechnische Engpässe die Umsetzung von Maßnahmen zur Energieeinsparung nicht verhindern, insbesondere wenn es sich um wirtschaftliche Maßnahmen handelt. Dadurch reduzieren sich nicht nur der Energieverbrauch, sondern auch die Ausgaben für Energiekosten. Somit verbessert die Kommune auch ihre finanzielle Handlungsfähigkeit.

Die hohe Importabhängigkeit Deutschlands und die stark steigenden Preise auf den Weltenergiemärkten erfordern verstärkte Anstrengungen einer Kommune bei der Energieeinsparung und Effizienzsteigerung. Hierzu wurde in Stuttgart mit Gründung einer Energieabteilung bereits Mitte der 70er Jahre begonnen. Zunächst wurden durch eine energetische Betreuung der stadteigenen Liegenschaften mit Hilfe von Betriebsoptimierungen Energie und Energiekosten eingespart. In den vergangenen Jahren wurde zusätzlich der Gebäudebestand systematisch analysiert. Daraus entwickelten sich investive Maßnahmen, die es umzusetzen gilt. Dafür müssen Mittel bereitgestellt oder andere Finanzierungswege ergriffen werden.

Prinzipiell muss die Kommune unterschiedliche Finanzierungsansätze prüfen. So wurde in Stuttgart immer wieder die Finanzierung mit externen Contractingpartnern untersucht. Dabei hat sich herausgestellt, dass die Realisierung in Eigenregie die bessere Lösung darstellt.

Über das stadtinterne Contracting wird jährlich mehrfach bei Tagungen oder in Veröffentlichungen berichtet. Entsprechend hoch ist die Nachfrage von anderen Kommunen. Daraus leitet sich auch die Ergänzung der Landesregierung in Baden-Württemberg ab, die seit 2010 die Einrichtung des stadtinternen Contracting im KlimaschutzPlus-Programm fördert. Das in Stuttgart entwickelte Finanzierungsinstrument wurde inzwischen von mehr als 60 Kommunen in Deutschland und in Europa erfolgreich eingesetzt.

Das stadtinterne Contracting wurde gemeinsam mit der Stadtkämmerei entwickelt, um die finanztechnische Abwicklung zu gewährleisten. Auch ist eine Bestätigung durch den Gemeinderat unabdingbar. Eine Anpassung auf Veränderungen im Finanzbereich (Umstellung auf Doppik) oder im Bereich der Ämterstruktur (z. B. Umwandlung eines Amtes in einen Eigenbetrieb) ist kontinuierlich zu leisten.

Bilanz und Einsparungen

Neben den Kosteneinsparungen wurden durch das stadtinterne Contracting die in Bild 2 dargestellten Mengen an Heizenergie, Strom und Wasser eingespart.

Bild 2: Eingesparte Energie- und Wassermengen

Aus diesem Bild wird auch deutlich, dass der Schwerpunkt bisher bei der Heizenergie liegt. Mit steigenden Strompreisen werden aber auch Stromeinsparmaßnahmen wirtschaftlicher.

Das stadtinterne Contracting liefert damit auch einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Wie in Bild 3 dargestellt, führt die Summe aller Projekte inzwischen zu einer CO2-Einsparung von knapp 9.000 t pro Jahr. Insgesamt wurden durch das stadtinterne Contracting ca. 78.000 t CO2 eingespart.

Bild 3: Vermiedene CO2-Emissionen

Das stadtinterne Contracting hat sich als Instrument zur Senkung der Energie- und Wasserkosten bewährt. Durch die kurzfristige Reaktion auf Entwicklungen im Energiebereich und aufgrund der schnellen Umsetzung der Maßnahmen konnten zeitnahe Einsparungen sichergestellt werden.

Finanzierung

Bild 4: Investition mit dem stadtinternen Contracting

Bild 4 zeigt die jährlich abgeflossenen Investitionsmittel für die Ämter und Eigenbetriebe Es wird deutlich, dass das Budget nicht auf einmal zur Verfügung gestellt werden muss, sondern kontinuierlich gesteigert werden kann. Die rote Linie stellt die seit 1995 insgesamt getätigten Investitionen dar. Bis Ende 2010 wurden mit den bereitgestellten Mitteln Investitionen für Einsparmaßnahmen in Höhe von 10,5 Mio. Euro getätigt. Im Vergleich mit denen bis zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung gestellten Mitteln in Höhe von 7,6 Mio. Euro wird deutlich, dass die ursprünglich bereitgestellten Mittel bereits zum zweiten Mal für die Umsetzung von Maßnahmen eingesetzt werden.

Bild 5: Energiekosteneinsparungen durch stadtinternes Contracting

In Bild 5 sind die erreichten Energiekosteneinsparungen dargestellt. Im Jahr 2010 hat sich die jährliche Kosteneinsparung, die durch die Einführung des stadtinternen Contracting erreicht wurde, auf jährlich 1,5 Mio. Euro gesteigert. In Bild 5 ist zusätzlich die Differenz der kumulierten Einsparung mit den bereitgestellten Mitteln dargestellt. Insgesamt wurden bis 2010 12,6 Mio. Euro eingespart, sodass die Stadt mit Einführung des internen Contractings einen Nettogewinn von 5,1 Mio. Euro erzielt hat. Dabei ist nicht berücksichtigt, dass die Einsparungen der Maßnahmen aus den Vorjahren aufgrund der Energiepreissteigerungen (z. B. Heizenergie +30 % von 2005 auf 2010) deutlich höher sind.

Beispielprojekt 1: Dämmung oberster Geschossdecken

Eine technisch einfach umzusetzende Maßnahme zur Energieeinsparung ist die Dämmung der obersten Geschossdecken. Da es sich in der Regel um große Flächen handelt und die Realisierung unter bauphysikalischen Gesichtspunkten einfach zu realisieren ist, kann die Dämmung einfach umgesetzt werden. Gleichzeitig wurden fehlende Thermostatventile eingebaut, sodass die Räume nach der Dämmung nicht überheizt sind. Bisher wurden in den städtischen Liegenschaften über 30.000 m² oberste Geschossdecken gedämmt. Dadurch werden jährlich 2,5 Mio. kWh Heizenergie eingespart. Der CO2-Ausstoß wird um 514 t CO2/a reduziert.Dem Wunsch einiger Schulen, etwas zur Energieeinsparung beizutragen, konnte man mit diesem Projekt auch gerecht werden, da die Dämmung in Eigenregie durchgeführt und in den Unterricht integriert werden konnte.

Beispielprojekt 2: Einbau von Blockheizkraftwerken

Eine sehr rationelle Methode der Energieumwandlung ist der Einsatz von Blockheizkraftwerken (BHKW). Durch Nutzung der bei der Stromerzeugung anfallenden Wärme kann unter optimalen Einsatz- und Betriebsbedingungen der Primärenergieträger annähernd zu 100 % genutzt werden. Im Vergleich zum bundesdurchschnittlichen Primärenergiefaktor bei der Stromerzeugung ist dies eine Steigerung von über 60 %. Deshalb wurde bereits im Jahr 1988 eine aus zwei Modulen bestehende BHKW-Anlage zur optimalen Klärgasnutzung in einem Klärwerk installiert. Gute Erfahrungen, wirtschaftliche Abwägungen, Ressourcenschonung sowie CO2-Einsparpotentiale führten dazu, dass zwischenzeitlich nicht nur alle Klärwerke, sondern weitere Gebäude mit BHKW-Anlagen ausgestattet sind. Alle Klär- und Erdgasmodule zusammen haben eine Leistung von 2.130 kWel und 3.450 kWth.

Beispielprojekt 3: Anlagen mit erneuerbaren Energien

Neben der Reduktion des Energieverbrauchs gewinnt auch der Einsatz von erneuerbaren Energien zunehmend an Bedeutung. Daher sind in der Stadt in den vergangenen Jahren Holzhackschnitzelheizungen, Holzpelletheizungen, Wärmepumpen, Photovoltaikanlagen, Solaranlagen zur thermischen Warmwasserbereitung, Solaranlagen zur Lufterwärmung und Solarabsorber in Betrieb gegangen. Weiter wird, wie oben erwähnt, in Blockheizkraftwerken sowie in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen Klärgas zur kombinierten Strom- und Wärmeerzeugung eingesetzt. Insgesamt betreibt die Stadt derzeit über 45 Anlagen mit erneuerbaren Energieträgern.

Zusammenfassung und Fazit

Zur Umsetzung von Energiesparmaßen hat sich das stadtinterne Contracting als ein erfolgreiches Modell bewährt. Mit dessen Hilfe wurde eine Nettoeinsparung von 5,1 Mio Euro erzielt. Insgesamt konnten zu der Energie- und Kosteneinsparung 79.000 Tonnen CO2 vermieden werden und so auch ein aktiver Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden. Nach einer Aufstockung von 2,5 Mio. Euro in den Jahren 2010/11 wird das Budget um weitere 4 Mio. Euro erhöht. Durch diese Aufstockung und den Rückfluss der eingesparten Kosten in das Investitionsbudget ist eine kontinuierliche Finanzierung von wirtschaftlichen Energie- und Wassereinsparmaßnahmen sichergestellt.

 

Dr. Jürgen Görres

Abteilungsleiter Energiewirtschaft, Umweltamt der Stadt Stuttgart
 

Dipl.-Ing. Uli Obermiller

Sachgebietsleiter, Amt für Umweltschutz der Landeshauptstadt Stuttgart
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