15.10.2015

Vielfalt der Akteure erhalten!

Motor Energiegenossenschaften: Perspektiven für neue Geschäftsmodelle

Vielfalt der Akteure erhalten!

Motor Energiegenossenschaften: Perspektiven für neue Geschäftsmodelle

Perspektiven für die Weiterentwicklung Erneuerbarer Energien: Pioniere braucht das Land. | © aekkorn - Fotolia
Perspektiven für die Weiterentwicklung Erneuerbarer Energien: Pioniere braucht das Land. | © aekkorn - Fotolia

Seit etwa zehn Jahren boomen die erneuerbaren Energiegenossenschaften in Deutschland. Zuletzt aber stockte die Entwicklung. Der Grund: Das neue EEG und die drohende Finanzmarktbürokratie.

Gründungszahlen nehmen weiter zu, aber mit sinkender Rate

Es sind beeindruckende Zahlen: Seit dem Jahr 2006 wurden etwa 800 Energiegenossenschaften gegründet. Ihr Anteil an den Genossenschaften in Deutschland ist mittlerweile auf rund 10 Prozent gewachsen. 1,67 Milliarden Euro wurden in Erneuerbare Energien investiert – zumeist in Photovoltaik und Wind, aber auch in Nahwärmenetze und Energieeffizienzmaßnahmen. Das ist im Vergleich zu den Gesamtinvestitionen in Erneuerbare Energien in Deutschland überschaubar. Aber hinter dieser genossenschaftlichen Gruppe stehen 150.000 Menschen, die Mitglied in einer neuen Energiegenossenschaft geworden sind.

Im vergangenen Jahr sind allerdings deutlich weniger Energiegenossenschaften gegründet worden. Gegenüber dem Vorjahr ist die Gründungszahl um 60 Prozent auf lediglich 54 Genossenschaften zurückgegangen. Die Halbjahreswerte für 2015 setzen diesen negativen Trend fort. Vor allem die Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) hat sich stark bremsend auf die Initiativen ausgewirkt. Viele etablierte Geschäftsmodelle für Energiegenossenschaften sind mittlerweile nicht mehr rentabel umzusetzen.


So ist beispielsweise das solare Grünstromprivileg gestrichen worden. Bis dahin wurde Strom aus einer Photovoltaikanlage, wenn dieser an einen Kunden verkauft wurde, nur mit einem reduzierten Beitrag zur EEG-Umlage belastet. Viele Energiegenossenschaften haben etwa auf Schul- oder Sporthallendächern eine Solaranlage installiert und beliefern direkt die Schule oder Gemeinde. Seit der Neuregelung ist der Strom aber so teuer, dass sich diese Geschäftstätigkeit zumeist nicht mehr rechnet.

Finanzmarktregulierung hemmt genossenschaftliche Entwicklung

Neben den verringerten Geschäftsmöglichkeiten durch die EEG-Reform haben in den vergangenen Monaten auch die drohenden Regulierungskosten einer BaFin-Aufsicht durch das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) viele potenzielle Gründer verunsichert. Die Frage, ob das KAGB mit seinen prohibitiv hohen administrativen Belastungen auch für Genossenschaften gilt, hatte zu einer großen Zurückhaltung bei den Gründungsinteressierten geführt. Neben den Gründungszahlen sind auch die Investitionen deutlich zurückgegangen. Allein im Jahr 2014 wurden rund 290 Millionen Euro an regionalen Investitionen aufgrund des KAGB zurückgehalten.

Strittig war die Frage, ob (Energie-)Genossenschaften einer „operativen Tätigkeit” nachgehen oder ob sie wie ein Alternativer Investmentfonds (AIF) Geld von Anlegern einsammeln, um Investitionen in Renditeobjekte zu tätigen. Zwischenzeitlich hatte die BaFin unter anderem die allgemeine Beteiligungsklausel, die in den meisten Satzungen von Genossenschaften steht, als Indiz für eine Investmentfondstätigkeit angesehen. Ohne Streichung der jeweiligen Satzungsregelung wären 7.000 genossenschaftliche Unternehmen de facto als Fonds eingestuft worden.

Die Folge: Energiegenossenschaften hätten sich bei der BaFin als Investmentfonds registrieren und unter anderem einen Vorstand bestellen müssen, der im Investmentbereich der Erneuerbaren Energien mehrjährige Erfahrungen aufweist. Es hätte zudem folgende absurde Situation entstehen können: Als „offiziell registrierter” AIF hätte die Genossenschaft nur noch Geldanlage betreiben und keine operative Tätigkeit wie etwa die Lieferung von Strom ausüben dürfen. Das KAGB-Problem wurde dank einer Neuauslegung seitens der BaFin gelöst. Es bahnt sich auch eine gesetzliche Klarstellung an.

Die Argumentation lautet, dass Genossenschaften kooperative Unternehmen sind, die ihre Mitglieder direkt fördern. Diese Förderzweckstrategie ist grundverschieden zu der im KAGB formulierten „festgelegten Anlagestrategie”. Im Rahmen des OGAW-V-Umsetzungsgesetzes soll dies nun im KAGB klargestellt werden.

Ausschreibungen bedrohen Akteursvielfalt

Dennoch drohen den Energiegenossenschaften weiterhin verschärfte Rahmenbedingungen. Vor allem die in der jüngsten EEG-Novelle eingeführten Ausschreibungsverfahren, die auch für kleine Marktakteure gelten, werden die Aktivitäten der Energiegenossenschaften weiter bremsen. Die Ergebnisse der ersten Ausschreibungsrunden für Photovoltaik-Freiflächenanlagen zeigen, dass vor allem große Unternehmen zum Zuge kommen.

So hat beispielsweise bei der ersten Ausschreibungsrunde ein einzelnes Projektierungsunternehmen den Zuschlag für 40 Prozent der ausgeschriebenen Menge erhalten. Kleine Akteure wie Genossenschaften sind nicht zum Zuge gekommen. Auch bei der zweiten Runde haben Genossenschaften keinen Zuschlag erhalten. Akteursvielfalt sieht anders aus.

Zukünftig ist auch für den Ausbau der Windenergie ein Ausschreibungsverfahren vorgesehen. Damit kleinere Unternehmen wie Energiegenossenschaften zum Zuge kommen, schlägt die Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften beim DGRV eine Übertragungsregel für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) vor.

Das Problem für diese Akteure ist, dass sie in der Regel nur ein Projekt dieser Größenordnung in ihrer Region umsetzen. Wenn sie bei der Ausschreibung nicht zum Zuge kommen, können sie den Verlust der investierten Projektierungskosten nicht durch andere Projekte kompensieren. Deswegen muss eine Lösung für dieses Zuschlagsrisiko gefunden werden.

Der DGRV-Vorschlag sieht vor, dass Unternehmen, die die Kriterien der offiziellen europäischen KMU-Definition erfüllen, ihre Projekte ohne die riskante Beteiligung am Ausschreibungsverfahren umsetzen können. Für sie soll allerdings auch der wettbewerblich ermittelte Preis aus dem regulären Bieterverfahren gelten. Dadurch würden keine höheren Kosten für das Gesamtsystem entstehen. Der Vorschlag berücksichtigt auch, dass z. B. die von der Regierung geplante Ausbaumenge an Erneuerbaren Energien nicht gefährdet wird. Mit diesem Modell der Preisübertragung könnte somit die gleitende Umstellung auf Ausschreibungen und der Erhalt der Akteursvielfalt gleichermaßen erreicht werden. Ein solcher fairer Wettbewerb muss von der Politik und dem BMWi aber auch entsprechend unterstützt werden.

Weitere Geschäftsmodelle für Energiegenossenschaften

Eine erfreuliche Entwicklung: Immer mehr Energiegenossenschaften entwickeln sich strategisch weiter. Mit Photovoltaikprojekten gestartet, liegt die Zukunft bei vielen Akteuren im Bereich der Windenergie. 4 Prozent der Genossenschaften betreiben laut einer DGRV-Umfrage bereits eigene Windenergieanlagen. Darüber hinaus sind 15 Prozent mit durchschnittlich 544.000 Euro an Windprojekten beteiligt. Gut ein Drittel der Energiegenossenschaften plant weitere Investitionen in diesen Bereich.

Zudem werden neue Geschäftsmodelle wie Stromdirektlieferung an Endkunden entwickelt oder Dachgenossenschaften zur Stromvermarktung gegründet. Viele Genossenschaften liefern bereits heute PV-Strom vom Dach direkt an den Gebäudenutzer. Erfreulich ist auch, dass genossenschaftliche Nahwärmenetze in den vergangenen Jahren deutlich im Kommen sind. In diesen Gemeinschaftsprojekten schließen sich die Bewohner eines Dorfes oder Stadtteils zusammen, um das Heizungsnetz zu betreiben und ihre Häuser anzuschließen. Dabei kann die Abwärme einer Biogasanlage genutzt oder aber ein eigenes Blockheizkraftwerk betrieben werden. Deutschlandweit gibt es bereits über 150 dieser Genossenschaften.

Neben den Bereichen der Energieproduktion und -versorgung planen immer mehr Energiegenossenschaften, sich im Bereich der Energieeffizienz zu engagieren. Mit Energiegenossenschaften können beispielsweise die Einsparmaßnahmen von Unternehmen oder öffentlichen Einrichtungen – etwa energetische Gebäudesanierungen oder die Umstellung der öffentlichen Beleuchtung auf LED-Technik – vorfinanziert werden. Begrenzt werden diese Aktivtäten allerdings durch die oben beschriebene Thematik der „operativen Tätigkeit” bzw. der sog. „Förderzweckbeziehung” der Genossenschaft zu ihren Mitgliedern.

Die DGRV-Umfrage hat ebenfalls ergeben, dass Energiegenossenschaften die regionale Wirtschaft fördern und ihre Geschäftspolitik auf die Zusammenarbeit mit Unternehmen und Instituten vor Ort ausgerichtet ist. Ein Indiz hierfür ist Kooperation mit dem Volksbanken und Raiffeisenbanken: Drei Viertel aller Energiegenossenschaften finanzieren mit einer Genossenschaftsbank. Zumeist wird auch mit örtlichen Handwerks- und Serviceunternehmen zusammengearbeitet.

Zur Jahresumfrage: www.genossenschaften.de/dgrv-jahresumfrage-unter-energiegenossenschaften-zeigt-einbruch-bei-gr-ndungszahlen

Zum Ausschreibungsmodell: www.genossenschaften.de/windausschreibungen

 

Dr. Andreas Wieg

Leiter der Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften,
Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband e. V. DGRV), Berlin
n/a