06.12.2021

Urlaubsanspruch bei Kurzarbeit wegen Corona-Pandemie

Urteil des Landesarbeitsgericht Düsseldorf vom 12.03.2021 – 6 Sa 824/20

Urlaubsanspruch bei Kurzarbeit wegen Corona-Pandemie

Urteil des Landesarbeitsgericht Düsseldorf vom 12.03.2021 – 6 Sa 824/20

Ein Beitrag aus »RdW Kurzreport« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
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Befindet sich ein Angestellter in Kurzarbeit, hat er keinen ungekürzten Urlaubsanspruch. Zu diesem Urteil ist das Landesarbeitsgericht Düsseldorf gekommen. Gesetzliche Normen, die einer Kürzung des Urlaubsanspruchs infolge der Vereinbarung konjunktureller Kurzarbeit entgegenstehen, gibt es nicht.

Eine Verkaufshilfe war gegen eine Vergütung in Höhe von 9,35 € brutto pro Stunde bei einem Unternehmen beschäftigt. Sie arbeitete an drei Tagen pro Woche. Arbeitsvertraglich stand ihr ein Urlaubsanspruch von 28 Werktagen pro Kalenderjahr zu. Als Folge der Corona-Pandemie wurde im Betrieb der Arbeitgeberin Kurzarbeit eingeführt und diese mit den Belegschaftsmitgliedern individuell vereinbart. So kam es dazu, dass sich die Verkaufshilfe im Jahr 2020 in den Monaten Juni, Juli und Oktober durchgehend in Kurzarbeit »Null« befand. Im November und Dezember 2020 hatte sie insgesamt an fünf Tagen gearbeitet. Vom Unternehmen wurde der Urlaubsanspruch für das Jahr 2020 auf elf Tage umgerechnet.

Die Verkaufshilfe war nun der Auffassung, ihr stünde aufgrund der vereinbarten Drei-Tage-Woche für das Jahr 2020 ein ungekürzter Urlaubsanspruch von 14 Urlaubstagen zu. Für die Reduzierung des Urlaubsanspruchs fehle es an einer Rechtsgrundlage. Demgegenüber vertrat ihre Arbeitgeberin die Auffassung, dass die Kürzung des Urlaubes für drei Monate im Jahr 2020 gerechtfertigt sei. Die Situation sei mit der von Teilzeitarbeitnehmern vergleichbar, und die Kürzungsmöglichkeit stünde im Einklang mit EU-Recht. Das Arbeitsgericht gab der Arbeitgeberin Recht. Die Berufung der Verkaufshilfe beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf1 blieb erfolglos.


Urlaubsanspruch auch ohne Arbeit

Nach Berechnung des Landesarbeitsgerichts stand der Verkaufshilfe im Jahr 2020 maximal ein Urlaubsanspruch von elf Tagen zu. Zwar setze ein Urlaubsanspruch – dem Grunde nach – allein das Bestehen des Arbeitsverhältnisses voraus. Der Urlaubsanspruch erfordere nicht, dass der Arbeitnehmer im Bezugszeitraum eine Arbeitsleistung erbracht habe. Eine Bedingung dieser Art sei im Bundesurlaubsgesetz nicht vorgesehen. Vielmehr könne nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses der volle Urlaubsanspruch geltend gemacht werden.

Berechnung des Mindesturlaubs

Davon zu trennen sei aber die Frage, wie hoch der Urlaubsanspruch sei. § 3 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz bestimme die Zahl der Urlaubstage des gesetzlichen Mindesturlaubs in Abhängigkeit von der Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht. Die Vorschrift unterstelle eine an sechs Kalendertagen bestehende Arbeitspflicht (= Sechs-Tage-Woche) und gewährleiste unter dieser Voraussetzung einen gesetzlichen Mindesturlaub von 24 Werktagen im Kalenderjahr, was umgerechnet vier Wochen entspreche. Bei einer Verteilung der Arbeit auf weniger oder mehr Wochentage vermindere oder erhöhe sich der Urlaubsanspruch entsprechend.

Um für alle Arbeitnehmer eine gleichwertige Urlaubsdauer zu gewährleisten, sei die Anzahl der Urlaubstage unter Berücksichtigung der für das Urlaubsjahr maßgeblichen, vertraglich vorgesehenen Verteilung der Arbeitszeit auf Basis der Wochentage mit Arbeitspflicht zu ermitteln. Da hier die Mitarbeiterin nur an drei statt der gesetzlich vorausgesetzten sechs Werktage pro Woche arbeite, sei die Formel 28 Urlaubstage : 6 Wochenarbeitstage × 3 tatsächliche Arbeitstage zugrunde zu legen und errechneten sich so 14 Urlaubstage pro Kalenderjahr. Wechsele die Anzahl der Arbeitstage unterjährig, sei unter Berücksichtigung der einzelnen Zeiträume eine Umrechnung vorzunehmen. Dies gelte auch dann, wenn für einzelne Zeiträume eine komplette Befreiung von der Arbeitspflicht, also eine Arbeitszeit „Null“ vorkomme. Auch die Berücksichtigung von solchen Zeiten stehe mit Unionsrecht grundsätzlich im Einklang. Die Umrechnung gelte auch nach der deutschen Rechtsprechung zur Freistellungsphase einer Altersteilzeit, bei Vorlage eines Sozialplans und unter Inanspruchnahme von Transfer-Kurzarbeitergeld und richtigerweise bei konjunktureller Kurzarbeit, auch bei einer Pandemie. Genau dann einigten sich die Arbeitsvertragsparteien auf eine vorübergehende Suspendierung der Arbeitspflicht. Während deren Dauer müsse der betreffende Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung erbringen, und es habe grundsätzlich eine jahresbezogene Umrechnung seines Urlaubsanspruchs zu erfolgen.

Gesetzliche Normen, die einer Kürzung des Urlaubsanspruchs infolge der Vereinbarung konjunktureller Kurzarbeit entgegenstünden, gäbe es nicht. Aus dem Sozialrecht, wonach vor der Bewilligung von Kurzarbeitergeld vorrangig Urlaub einzusetzen sei, sei ein solches Verbot nicht abzuleiten. Unerheblich sei der Einwand der Klägerin, dass Kurzarbeit keine planbare Freizeit beinhalte. Auch sei ihr Hinweis, Kurzarbeit erfolge allein im Interesse der Arbeitgeberin, nicht zutreffend. Schließlich bezwecke Kurzarbeit auch den Erhalt des Arbeitsplatzes und diene damit auch dem Interesse der Arbeitnehmerin.

Praxistipp

Die Herabsetzung des jährlichen Urlaubsanspruchs kann hiernach für volle Kalendermonate erfolgen. Im vorliegenden Fall hatte die Verkaufshilfe bei drei wöchentlichen Arbeitstagen und 4,33 Wochen pro Kalendermonat durchschnittlich insgesamt 12,99, aufgerundet 13 Arbeitstage pro Monat tätig zu sein. Die für neun Monate tatsächlicher Tätigkeit in 2020 berechneten 117 Arbeitstage waren ins Verhältnis zu 312 möglichen Arbeitstagen zu setzen. Nach der Formel 28 Urlaubstage × 117 tatsächliche Arbeitstage : 312 mögliche Arbeitstage ergab sich somit ein Urlaubsanspruch von 10,5, aufgerundet 11 Arbeitstagen.

 

1 Urteil des Landesarbeitsgericht Düsseldorf vom 12.03.2021 – 6 Sa 824/20

Besprochen in RdW 2021, Heft 12, Randnummer 230.

 

Christian Vetter

Rechtsanwalt
n/a