16.12.2021

»Bad Bank« der WestLB haftet für Steuerschulden aus der Cum-Ex-Affäre

Urteil des Landgericht Frankfurt a. M.

»Bad Bank« der WestLB haftet für Steuerschulden aus der Cum-Ex-Affäre

Urteil des Landgericht Frankfurt a. M.

Zerschlagung der WestLB war unabwendbar.  | © andyller - stock.adobe.com
Zerschlagung der WestLB war unabwendbar.  | © andyller - stock.adobe.com

Zwei aus der WestLB hervorgegangene Unternehmen stritten sich um die Zahlung von Steuerschulden aus den Cum- Ex-Geschäften. Das Landgericht Frankfurt a. M. urteilte, dass die »Bad Bank« der WestLB für eine Steuerschuld von rund einer Milliarde Euro haftet.

Im Zuge der Finanzmarktkrise 2007 und 2008 hatte auch die – mittlerweile zerschlagene – WestLB AG mit Fehlspekulationen erhebliche Verluste zu verbuchen. Wie auch andere Landesbanken, bemühte sich die WestLB aufgrund der verheerenden Bilanzen um eine Neustrukturierung. Sie gründete dazu im Jahr 2009 auf Grundlage des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes als erste deutsche Bank eine sog. »Bad Bank«. Die Erste Abwicklungsanstalt (EEA) diente der Übernahme risikoreicher Wertpapiere und gehört – noch heute – zu 48 % dem Land Nordrhein-Westfalen. Daneben wird die EEA zu 50 % von zwei nordrhein-westfälischen Verbänden der Sparkassen und zu 1 % vom Landschaftsverband Rheinland und Westfalen-Lippe gehalten.

Aus WestLB wird Portigon AG

Am 30.06.2012 wurde die WestLB dann komplett aufgelöst und in drei Teile aufgegliedert. Neben der Ersten Abwicklungsanstalt (EAA) wurde die WestLB auf die Portigon AG und die Verbundbank NRW aufgeteilt. Die Portigon AG gilt als Rechtsnachfolgerin der WestLB und ist in der alleinigen Hand des Landes Nordrhein- Westfalen.


Finanzamt fordert rund eine Milliarde Euro zurück

Im Jahr 2016 leitete die Staatsanwaltschaft Düsseldorf gegen frühere Vorstände der WestLB Ermittlungsverfahren wegen der sog. Cum-Ex-Geschäfte ein. Bei dieser strafbaren Praxis wurde bewusst die Erstattung der Kapitalertragssteuer mehrfach herbeigeführt, obwohl sie nur einmal gezahlt wurde. Im Zuge dessen verlangte das Finanzamt von der Portigon AG – als Rechtsnachfolgerin der WestLB – die zu viel gezahlte Kapitalertragssteuer zurück. Mit mehreren Bescheiden aus den Jahren 2019 und 2020 forderte sie für die Jahre 2005 bis 2008 eine Rückzahlung von rund einer Milliarde Euro. Für die Veranlagungszeiträume 2009 bis 2011 wird eine Nachberechnung noch vorgenommen. Diese Steuerrückforderung versuchte die Portigon AG teilweise von der Ersten Abwicklungsanstalt einzuholen.

Portigon AG klagt Steuerschuld aus Cum-Ex-Geschäften bei EEA ein

Das Landgericht Frankfurt a. M. stellte fest, dass die Erste Abwicklungsanstalt für die Steuerschulden aus den Cum-Ex-Geschäften einzustehen hat.[1] Nach Auslegung der Vertragswerke und der Erklärungen der Parteien stehe fest, dass die EEA eine Übernahme aller steuerlichen Risikopositionen gewollt habe. Ausdrücklich hätten die Parteien in dem Vertragswerk vereinbart, dass die EEA Risikopositionen übernehmen solle, wenn sie einem nicht-Strategie-notwendigen Unternehmensbereich zuzuordnen wäre. Die Cum-Ex-Geschäfte als Grundlage der Steuerforderung seien Teil des Kapitalmarktgeschäfts gewesen. Dieses war aber für die WestLB gerade nicht notwendig, wie die Richter entschieden.

Aufklärungspflicht über Cum-Ex- Geschäfte nicht verletzt

Die Abwicklungsanstalt könne sich auch nicht darauf berufen, dass die WestLB sie bei der Zerschlagung im Jahr 2012 nicht über die Cum-Ex-Geschäfte aufgeklärt habe. Das Gericht argumentierte, dass eine Verletzung der Aufklärungspflicht der WestLB jedenfalls dahinstehen kann, da zumindest kein Schaden vorliege. Dies sei darauf zurückzuführen, dass die Zerschlagung der WestLB unabwendbar gewesen sei. Demzufolge wären selbst bei vollständiger Aufklärung durch die WestLB die steuerlichen Risiken auf die Abwicklungsanstalt übergegangen. Darüber hinaus seien die Cum-Ex-Geschäfte seinerzeit straf- wie auch steuerrechtlich nicht kritisch gesehen worden. Deswegen könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die WestLB einen größeren Eigenkapitalstock erhalten hätte, wenn über die Praxis der Cum-Ex- Geschäfte aufgeklärt worden sei.

Besprochen in RdW 2021, Heft 22, Rn. 424

 

[1] Landgericht Frankfurt a. M., Urteil vom 29.09.2021 – 2-27 O 328/20

 
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