15.11.2011

Swap-Schäden: Kämmerer im Focus

Innenministerium Sachsen rät zur Prüfung von Schadensersatzansprüchen

Swap-Schäden: Kämmerer im Focus

Innenministerium Sachsen rät zur Prüfung von Schadensersatzansprüchen

Den Kommunen wurden – trotz Spekulationsverbot – intransparente Produkte angeboten. | © hans12 - Fotolia
Den Kommunen wurden – trotz Spekulationsverbot – intransparente Produkte angeboten. | © hans12 - Fotolia

Als erstes Bundesland hat Sachsen seinen Kommunen empfohlen, Schadensersatzklagen wegen Swap-Geschäften prüfen zu lassen. So zurückhaltend sich diese Empfehlung auch anhört – im Bundesvergleich ist Sachsen damit Vorreiter und nimmt klar Stellung.

Das Land unterstützt die Kommunen und damit auch die Steuerzahler, die hinter den Kommunen stehen. Hier wird das Ende der unberechtigten Vorwürfe von der „Zockerei der Kommunen“ eingeläutet.

Der Hintergrund

Worum geht es konkret? In der Vergangenheit sind zuletzt besonders in den Jahren 2007/2008 sogenannte spekulative Finanzderivate an Kommunen verkauft worden. Kommunen, die zu diesem Zeitpunkt schon im starken Zwiespalt zwischen Haushaltskonsolidierung und hohen Zinsen standen, wurden mit dem Argument der Zinsoptimierung geradezu geködert. Das Prinzip war relativ simpel – man nutzte einen bereits bestehenden Kontakt von Seiten des Finanzinstituts als Türöffner, schickte also den Kundenberater ins Haus der Kommunen mit dem Vorschlag, man könne Zinsen sparen. Dieser meist langjährige Kontakt zur Bank war häufig von Vertrauen geprägt, das missbraucht wurde – und das ganz bewusst. Nach dem vertrauten Bankberater kamen dann „Spezialisten“ – auf kommunale Bedürfnisse getrimmte Berater, die ein Produkt aus dem Hut zauberten, das sie meist selbst nicht verstanden.


Produkte waren undurchsichtig

Die Produkte sind so komplex, dass sie häufig nur von versierten Finanzmathematikern zu verstehen sind. Es handelt sich um verschleierte Wetten, bei denen viele Hebel wirken, die sich auf unterschiedlichste Faktoren beziehen – beispielsweise auf die Entwicklung der Zinsen. Dies ist allerdings nur eine Bezugsgröße von oft sehr vielen. Erkennen und einschätzen kann die Wirkung nur der, der diese „toxischen“ Produkte entwickelt hat – der Strukturierer in der Bank.

Die Kämmerer standen mit dem Rücken zur Wand. Sie wurden in spekulative Finanzderivate hineinberaten. Sie sind keine Zocker. Sie haben – vertrauend auf die Empfehlung der Bank – versucht, ihren Kommunen Entlastung zu bringen, und nicht, verantwortungslos das Geld der Kommunen zu verspielen. Sie durften vertrauen, denn schließlich wurden ihnen in den meisten Fällen die Produkte von Landesbanken angeboten, oft unter Beteiligung der örtlichen Sparkassen – zumindest in Sachsen.

Es kam, wie es kommen musste: Die Entwicklungen verliefen so, dass eine große Anzahl von Kommunen und kommunalen Versorgungsunternehmen jetzt vor dem Scherbenhaufen der Empfehlungen steht. Einen Forderungsausfall für die Banken gibt es nicht, denn hinter der Kommune steht der Steuerzahler. Norbert Emmerich, der ehemalige stellvertretende Vorstandsvorsitzender der WestLB (also auch einer Landesbank), brachte es bereits 2007 auf den Punkt:

„Das Finanzierungsgeschäft für die Kommunen ist heiß umkämpft. Der Wettbewerb ist hier noch intensiver als im Mittelstandsgeschäft, weil letztlich der Steuerzahler hinter den Kommunen steht. Das Ausfallrisiko ist somit vernachlässigbar. Das Geld wird nicht mit den Krediten, sondern mit Zusatzgeschäften verdient. Dazu zählen die Absicherung von Zinsrisiken mit Derivaten und die Beratungsleistungen.“ (zitiert aus Handelsblatt Nr. 046 vom 06. 03. 2007, Seite 26).Das Kind ist in den Brunnen gefallen, so viel steht fest. Auch in Sachsen gibt es eine Vielzahl von Kommunen, die Swap-Schäden erlitten haben. Jetzt mit dem Finger auf Kämmerer zu zeigen, ist nicht lösungsorientiert. Die Kommunen zu unterstützen in ihrem Bestreben, die Schäden so gering wie möglich zu halten oder gar gegen die Banken vorzugehen, ist konstruktiv und damit auch im Sinne des Steuerzahlers.

BGH-Urteil erhöht Chancen der Kommunen

Die Chancen für Kommunen stehen seit März 2011 sehr gut. Am 22. 03. 2011 hatte der Bundesgerichtshof ein Urteil gegen die Deutsche Bank gesprochen. (Der Autor dieses Beitrags ist Rechtsanwalt der Kanzlei, die dieses BGH-Urteil erstritten hat).

Hier wurde die Bank zur Zahlung von 100 % Schadensersatz an den Kunden verurteilt. Dieser Fall ist auch für Kommunen richtungsweisend.

Die Empfehlung des Landes Sachsen hat für die Kämmerer weitgehende Bedeutung. Wer jetzt untätig bleibt, muss sich im Klaren sein, dass er sich den Vorwurf der Untreue durch Unterlassung gefallen lassen muss. Es besteht die Gefahr, dass Opfer zu Tätern werden.

Rechtslage und Früherkennung

Die vom BGH im Urteil vom 22. 03. 2011 aufgestellten Anforderungen an die anleger- und anlagegerechte Beratung gelten selbstverständlich auch bei Abschluss von Swapgeschäften mit Kommunen und kommunalen Betrieben. Denn unabhängig von der Frage, ob die Geschäfte bereits wegen Verstoßes gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften nichtig sind, liegen auch hier (zumindest stillschweigend geschlossene) Beratungsverträge vor. Aus diesen Beratungsverträgen ergeben sich klare Pflichten.

Kommunen gelten nach der Feststellung der BaFin vom 25. 06. 2010 nicht als „professionelle Kunden“. Insofern sind keine niedrigeren Anforderungen an die Erfüllung der Beratungspflichten zu stellen, als dies beispielsweise bei einer Privatperson der Fall wäre. Im Rahmen der anlegergerechten Beratung steht fest, dass gerade Kommunen derartige Swap-Verträge noch nicht einmal hätten angeboten werden dürfen.

Ein Finanzprodukt, das nicht nur ein theoretisches Verlustrisiko beinhaltet, sondern real und ruinös sein kann, entspricht nicht dem Risikoprofil einer Kommune. Die Kommune unterliegt dem Spekulationsverbot. Die Bank kann demgegenüber auch nicht behaupten, dieses Risikoprofil nicht gekannt zu haben. Denn sie ist verpflichtet, vor der Empfehlung die Risikobereitschaft zu erfragen, die bei Kommunen keinesfalls Spekulationsgeschäfte umfasst. Kein Kämmerer hätte bei genauer Kenntnis der Produkte und vor allen Dingen des Risikos solche Geschäfte abgeschlossen. In diesem Zusammenhang geht es nicht um Menschen, die aus zu viel eigenem Geld noch mehr Geld machen wollen, sondern um Politiker, die in der Zwickmühle standen zwischen Haushaltskonsolidierung und hoher Zinsbelastung. Letztlich versuchten sie zu sparen, hohe Zinszahlungen von ihren Kommunen abzuwenden und die Steuerzahler zu entlasten. Und genau mit dem Wissen um die schwierige Problematik haben die Banken agiert und ihre Produkte im Rahmen eines „kommunalen Schuldenmanagements“ und zur „Zinsoptimierung“ ganz gezielt angeboten.

Wissensdefizit der Kommunen wurde ausgenutzt

Den Banken ist die rechtliche Bindung der Kommunen bekannt und sie wussten um das Empfehlungsverbot. Um die spekulative Struktur der Swapgeschäfte zu verschleiern, wurden diese Geschäfte falsch deklariert. Zudem wurden Kommunen bisher in keinem bekannten Fall aufgeklärt über den sogenannten anfänglichen „negativen Marktwert“. Dieses Wissensdefizit (Asymmetrie des Wissens) wurde bewusst ausgenutzt – tatsächliche Risiken wurden verschwiegen, der schwerwiegende Interessenkonflikt auf Seiten der beratenden Bank wurde pflichtwidrig nicht offenbart.

Verjährung beachten

Abschließend kann man sagen, dass die Ansprüche der Kommunen aus Falschberatung noch nicht verjährt sind. Sie sollten umgehend geprüft und die Geltendmachung der Ansprüche sofort betrieben werden. Ein Vergleich macht lediglich dann Sinn, wenn nicht auf Forderungen verzichtet wird.

Der BGH hat verlauten lassen, neben der Aufklärungspflicht über sogenannte Kick-backs eine zweite Fallgruppe gebildet zu haben, die sich mit der „Aufklärung über Grund und Höhe von verdeckten Marktwerten“ befasst. Damit wird klar, dass die Entscheidung vom 22. März des Jahres keine Einzelfallentscheidung war.

Unseriöse Offerten der Banken sind relativ einfach zu identifzieren. Schaut man sich die Verkaufsargumente der Bank an, wird hier meist von der „Schaffung von Spielraum durch kreative Lösungen mittels Derivaten“, von „Zinsoptimierung“ oder „Einsparung von Zinsen“ oder auch von „Flexibilität durch Derivate“ gesprochen.

Ein weiterer „Marketingtrick“ der Bank sind positive Schlagworte bei der Namensgebung dieser Produkte. Neben Produkten mit dem verheißungsvollen Namen „Harvest“ oder gar „FIRST“, die neben der Suggestion von Erträgen auch noch eine Exklusivität versprechen, finden sich „Zinsswaps mit Chance“ oder auch „Swaps mit bedingter Prämie“.

Fazit

Grundsätzlich ist das kommunalrechtliche Spekulationsverbot von den Banken bei deren Beratung zu berücksichtigen. Spekulative Finanzderivate sind für Kommunen und kommunale Betriebe nicht geeignet. Nur die Bank als Strukturierer hat die originären Kenntnisse über den spekulativen Charakter der Produkte. Eine unterlassene Aufklärung darüber begründet Schadensersatzansprüche.

 

Dr. Jochen Weck

Seniorpartner Rössner Rechtsanwälte, München
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