15.11.2011

Revolution in der Kinderbetreuung

Zentrale Koordination und Vergabe freier Betreuungsplätze

Revolution in der Kinderbetreuung

Zentrale Koordination und Vergabe freier Betreuungsplätze

Das Online-Portal verschafft einen Überblick über das Betreuungsangebot. | © Stadt Heidenau
Das Online-Portal verschafft einen Überblick über das Betreuungsangebot. | © Stadt Heidenau

Wenn sich Eltern bisher auf die Suche nach einem Betreuungsplatz für ihr Kind machten, sahen sie sich schnell mit einem großen Problem konfrontiert: Die Angebote sind zwar vielfältig vorhanden, aber die Suche nach freien Plätzen gestaltet sich häufig schwierig und zeitaufwändig.

Eine übergreifende Koordination und Vergabe freier Betreuungsplätze fehlt meist. Eltern melden deshalb sicherheitshalber ihr Kind oft in mehreren Einrichtungen an, um ihre Chance zu erhöhen, zum benötigten Termin einen geeigneten Platz zu erhalten. Sowohl Kommunen als auch freie Träger stehen dieser Situation vielfach hilflos gegenüber, mangelt es ihnen doch zumeist an der nötigen Infrastruktur, um Eltern einen Überblick über freie Betreuungsplätze geben zu können.

Das Problem der Mehrfachanmeldung verfälscht zudem die Bedarfsprognosen, was wiederum Planung und Vergabe erschwert. Auch wenn vereinzelt – beispielsweise durch die Einrichtung zentraler Vergabestellen – Anstrengungen unternommen werden, die Situation zu verbessern, bleibt diese für Eltern, Träger, Einrichtungen und Kommunen unbefriedigend, zeitaufwändig und intransparent.


Auch die Tatsache, dass viele Kommunen den eigentlichen Bedarf an Betreuungsplätzen erst zum Zeitpunkt der Anmeldung wirklich kennen, erschwert die Planung zusätzlich. In Verbindung mit dem ab 2013 bestehenden Rechtsanspruch der Eltern auf einen Krippenplatz stellt diese Situation viele Kommunen vor eine große Herausforderung.

Die Idee

Mit dieser unbefriedigenden Situation beschäftigten sich 2008 Sylvia Röder, Leiterin des Amts für Schule und Familie im sächsischen Heidenau, und Anke Odrig, ehemalige Projektmanagerin eines großen Softwarehauses. Sie ist selbst Mutter und hatte in Berlin größte Probleme, einen freien Betreuungsplatz für ihren Sohn zu finden. Sie hatten die Idee, eine eigenständige und umfassende Software-Lösung für Suche, Vergabe und Verwaltung von Kinderbetreuungsplätzen zu entwickeln. Im Lokalen Bündnis für Familie in Heidenau wurde im Anschluss eine Arbeitsgruppe gebildet, die diese Idee aufgriff und die gewünschten Abläufe definierte. Mit der Dresdner Agentur Wildstyle Network und Anke Odrig, inzwischen Geschäftsführerin des neu gegründeten Unternehmens „Little Bird“, entwickelten Verwaltungsmitarbeiter und Kita-Leiterinnen schließlich das Konzept für eine tragfähige Lösung. Alle städtischen und in freier Trägerschaft befindlichen Einrichtungen aus Heidenau wirkten bei der Erstellung des Anforderungsprofils mit. Unter Einbindung des Sächsischen Datenschutzbeauftragten entstand „Little Bird“, das bundesweit einzige Konzept, das die Prozesse der Kinderbetreuung – von der Suche über die Platzvergabe bis zur Verwaltung – unterstützt und in bestehende Strukturen integriert. Alle Anforderungen der Beteiligten – suchende Eltern, Einrichtungen, freie Träger oder die städtische Kita-Verwaltung – werden berücksichtigt.

Das Portal

Mit seinem Internetportal bietet „Little Bird“ Eltern die Möglichkeit, online nach einem geeigneten Betreuungsplatz für ihr Kind zu suchen. Kommunen erhalten erstmals einen tagesaktuellen Gesamtüberblick zur momentanen Auslastung sowie zu freien Kapazitäten aller Einrichtungen und Tagespflegestellen in ihrem Verwaltungsgebiet, die Betreuungsdienste anbieten.

Auch Träger und Einrichtungen profitieren von dem Portal: Sie sind nun in der Lage, jederzeit Daten zu Ist-Belegung, Bedarf und freien Plätzen zu ermitteln, und erhalten dank der technischen Unterstützung erstmals Planungssicherheit und Transparenz im Vergabeprozess. So können Kommunen, aber auch private Anbieter sämtliche Aufgabenfelder, die sich mit Planung, Verwaltung, Bedarfsermittlung und Vergabe von Kinderbetreuungsplätzen ergeben, mit nur einem einzigen Lösungspaket vollständig abdecken.

Mehr Transparenz für Eltern

Das Herzstück von „Little Bird“ bildet das Internetportal, in dem Eltern geeignete Kinderbetreuungseinrichtungen recherchieren und sich so schon im Vorfeld einen ersten Eindruck vom gesamten Betreuungsangebot ihrer Stadt verschaffen können. Ist ein Kind einmal im System angemeldet, lassen sich sämtliche Meldevorgänge einfach und bequem online bearbeiten. Um allen Anforderungen der Kommunen, Träger und Einrichtungen gerecht zu werden, besitzt das Programm außerdem ein umfangreiches Kalkulationsmodul für die vollständige Berechnung der Elternbeiträge und anderer Kostenfaktoren. Träger und Kommunen können zudem Auswertungen darüber erstellen, wie hoch die Zuschüsse für die Betreuungsplätze durch Land, Jugendämter und die Kommunen selbst sind und diese dann für ihre Abrechnungen nutzen.

Optimierte Vergabe und Verwaltung

Ein Kernelement von „Little Bird“ ist die zentrale Vormerkliste, in der alle Anfragen seitens der Eltern gespeichert und der Bedarf je Kind zusammengefasst werden. Somit können Eltern auch hier ihr Kind bei mehreren Einrichtungen anmelden und Priorisierungen vornehmen. Kommt es dann zum Vertragsabschluss, werden jedoch alle Vormerkungen des Kindes entfernt und die Vormerkliste wird so bereinigt.

Mittels der Verwaltungsfunktionen können Träger und Einrichtungen neben der Vertragsverwaltung jederzeit tagesaktuelle Ist-Belegungspläne, Anwesenheitslisten oder auch Prognosen über zukünftige Belegungen erstellen – Aufgaben, die manuell bearbeitet viel Zeit kosten.

Datensicherheit

Der Umgang mit personenbezogenen Daten erfordert ein Höchstmaß an Sicherheit. Das Thema Datenschutz hatte deshalb schon in der Entwicklungs- und Konzeptionsphase von „Little Bird“ oberste Priorität. Um den hohen Sicherheitsanforderungen gerecht zu werden, wurde das Gesamtkonzept unter anderem dem Sächsischen Datenschutzbeauftragen in einer ausführlichen Dokumentation vorgestellt und maßgeblich entsprechend dessen Vorgaben entwickelt.

Klasse bescheinigt

„Little Bird“ gehört zu den Vorzeigeprojekten in Europa. Das bestätigte jetzt das Europäische Institut für öffentliche Verwaltung (European Institute of Public Administration, EIPA) mit der Nominierung für den europäischen Preis der Öffentlichen Hand (European Public Sector Award, EPSA). „Little Bird“ steht im Finale des EPSA 2011. Die Preise werden im November im holländischen Maastricht in drei Kategorien vergeben. „Little Bird“ erreichte zusammen mit vier Wettbewerbern im Bereich „Öffnung des Öffentlichen Sektors durch gemeinschaftliche Verwaltung“ (Opening Up the Public Sector Through Collaborative Governance) diese Finalrunde – und setzte sich damit gegen 110 Projekte dieser Kategorie aus ganz Europa durch.

KURZ GEFASST: FÜNF SCHRITTE ZUM KITA-PLATZ

1. Platzanfrage: Über das Portal von „Little Bird“ können sich Eltern schnell und bequem einen Überblick über geeignete Betreuungsangebote in ihrer Nähe verschaffen, nach verschiedenen Kriterien auswählen und ihr Kind bei in Frage kommenden Einrichtungen über die zentrale Vormerkliste anmelden.

2. Planung: Anhand der über das Portal eingegangenen Anmeldungen kann jede Einrichtung genauestens planen und ihre Kapazitäten dazu abgleichen.

3. Platzvergabe: Verfügt eine Einrichtung noch über freie Plätze und erhält eine Anfrage, kann diese sofort den Eltern eine Platzzusage übermitteln.

4. Bestätigung: Nach der Platzzusage brauchen die Eltern diese nur noch zu bestätigen, um ihr Kind verbindlich anzumelden.

5. Vertragsabschluss und Bereinigung der Vormerkliste: Mit dem Vertragsschluss wird das Kind automatisch von der zentralen Vormerkliste gestrichen. Andere Einrichtungen und auch die Kommune wissen damit, dass für dieses Kind kein Platz mehr benötigt wird, und können ihre freien Kapazitäten somit Eltern zur Verfügung stellen, die noch auf der Suche nach einem Betreuungsplatz sind.

 

Sylvia Röder

Amt für Schule und Familie, Stadt Heidenau
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