15.11.2011

Kommunaler Winterdienst

Rechtliche Rahmenbedingungen und Haftungsfragen

Kommunaler Winterdienst

Rechtliche Rahmenbedingungen und Haftungsfragen

Kommunaler Winterdienst: Wir räumen den Weg frei. | © Ingo Bartussek - Fotolia
Kommunaler Winterdienst: Wir räumen den Weg frei. | © Ingo Bartussek - Fotolia

Mit Beginn des Winters und dem Fallen der ersten Schneeflocken stellt sich jedes Jahr aufs Neue die Frage, wer für Durchführung des gemeindlichen Winterdienstes zuständig ist und wer im Falle eines Unfalles infolge unzureichender Streu- und Räumdienste zu haften hat. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit dem kommunalen Winterdienst. Dieser stellt für die Gemeinden dabei einen kostenträchtigen Posten dar, der als Verkehrssicherungs- und Amtspflicht auch umfangreiche Haftungstatbestände, Tätigkeits- und Kontrollpflichten mit sich bringt. Die rechtlichen Voraussetzungen, Anforderungen und Risiken werden im Folgenden näher dargestellt.

Kostenfaktor Winterdienst

Der Winterdienst belastet den Haushalt der Gemeinden nicht unerheblich. Neben den allgemeinen Kosten für die Räumung, wie beispielsweise Personal, Fahrzeugflotte, Treibstoffe, Streumittel sowie deren Lagerung und Vorhaltung, ergeben sich auch Folgekosten.

So sind nach Ende der schneereichen Zeit die Straßen von Splitt oder anderen Streumitteln zu reinigen und insbesondere auch die Winterschäden zu beseitigen. Hierzu zählt besonders die Ausbesserung von Straßenschäden und Schlaglöchern. Auch die Intensität und konkrete Art der Räumung entscheidet über die Kostenhöhe. Das „Weißräumen“, bei dem Streumittel auf dem verfestigten Schnee aufgebracht werden, ist hierbei kostengünstiger als das „Schwarzräumen“, bei dem der Schnee annähernd vollständig von den jeweiligen Straßen- und Wegflächen entfernt wird. Eine Möglichkeit der Gemeinden, Kosten zu sparen, besteht in der Kooperation kommunaler Bauhöfe. Dies kann beispielweise in Form der kommunalen Arbeitsgemeinschaft bzw. öffentlicher-rechtlicher Kooperationsverträge erfolgen. Die Zusammenarbeit öffentlicher Stellen erfordert hier im Regelfall auch keine förmliche und europaweite Ausschreibung. Eine solche Kooperation kann die gemeinsame Beschaffung und Bevorratung von Streumitteln oder auch die gemeinsame Benutzung von Streufahrzeugen und Personal beinhalten.


Umfang des Winterdienstes

Der Winterdienst zählt zu den Verkehrssicherungspflichten der Gemeinde und letztlich auch zu deren Amtspflichten. Sein Umfang richtet sich dabei grundsätzlich nach der Leistungsfähigkeit der jeweiligen Gemeinde. Die Aufrechterhaltung der Sicherheit und des Verkehrs steht damit in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Allerdings besteht kein subjektiv-öffentliches Recht der Straßenbenutzer auf ordnungsgemäße Erfüllung des Winterdienstes. Ansprüche gegen die Gemeinde ergeben sich erst im konkreten Schadensfall, da erst hierdurch das Individualinteresse des Einzelnen vorliegt.

Ablauf und Organisation

Der Inhalt der Verkehrssicherungspflicht richtet sich nach der konkreten Gefährdungslage, also dem konkreten Einzelfall. Hierbei sind Art und Bedeutung des Verkehrsweges genauso wie die potenzielle Gefährlichkeit und der zu erwartende Verkehr zu berücksichtigen. Diese Parameter bestimmen für die Gemeinde den Zeitpunkt und auch die Häufigkeit der Winterdiensttätigkeit. Die grundsätzliche Prognose, wie „hart“ der Winter werden wird und wie viel Streumittel und Gerätschaften erforderlich sind, obliegt dabei den Gemeinden. Zudem können diese die Reihenfolge der Straßenzüge, die geräumt werden sollen, selbst festlegen. Es obliegt der Gemeinde, Räumgebiete und Prioritäten der Räumarbeiten zu bestimmen. Hierbei sind primär verkehrswichtige und gefährliche Straßen (hohes Verkehrsaufkommen, Kurven, starkes Gefälle, etc.) zu berücksichtigen. Es besteht kein Anspruch von Anwohnern und Straßenbenutzern auf eine bestimmte zeitliche Reihenfolge der Streu- und Räumarbeiten oder auch die Räumung einer bestimmten Straße.

Übertragung auf Bürger und private Räumdienste

Die Gemeinden können Räum- und Streupflichten in ihren Satzungen auf die Bürger bzw. Grundstückseigentümer übertragen. Die Räum- und Streupflicht für die Fahrbahnen innerstädtischer Straßen obliegt aber nach wie vor den Gemeinden. Auch steht es den Gemeinden frei, ihre eigenen Winterdienstpflichten mittels Vertrag auf einen privaten Schneeräumdienst zu übertragen. Eine vollständige Befreiung vom Winterdienst bedeutet dies nicht. Erfolgt eine Übertragung oder Beauftragung, bleiben entsprechende Kontroll- und Überwachungspflichten bei der Gemeinde. Diese muss kontrollieren und auch sicherstellen, dass den Räum- und Streupflichten Genüge getan wird. Andernfalls können auch aus der Verletzung der Kontroll- und Überwachungspflichten im Schadensfalle Schadensersatz- bzw. Amtshaftungsansprüche gegen die Gemeinde erwachsen.

Umweltbelange und Umweltauswirkungen beachten

Gerade Streusalz und ähnliche Stoffe können zu erheblichen Schäden und Beeinträchtigung der Flora und Fauna im Gemeindegebiet führen. Deswegen wird zunehmend die Nutzung von abstumpfenden Streumitteln wie Splitt, Sand, Lavagemische oder Granulate empfohlen. Wird Salz als auftauendes Streumittel verwendet, erfolgt dies mittlerweile meist in Form von verdünnten Salzlösungen bzw. Feuchtsalzen. Reines Streusalz oder Salzlösungen kommen kaum mehr zum Einsatz. Zwar schont die Verwendung anderer Stoffe die Tier- und Pflanzenwelt mehr, jedoch müssen diese alternativen Streumittel nach der Wintersaison zusammengekehrt und entsorgt werden. Sie lassen sich durch den Abrieb meist nicht erneut verwenden. Welches Streugut verwendet wird, liegt im Ermessen der Gemeinde. Hierbei wird im Regelfall die Auswahl anhand der konkreten Notwendigkeit und Wirksamkeit erfolgen, wobei Umweltbelange vermehrt Beachtung finden.

Verkehrssicherungspflichten und Haftungsrisiken

Den Gemeinden obliegt die Verkehrssicherungspflicht. Bei Verletzungen dieser Pflichten können erhebliche Haftungsfolgen eintreten. Ersatzansprüche gegen die Gemeinde wurden abgelehnt, wenn bereits aufgebrachte Streumittel aufgewirbelt werden und zu Schäden an Kraftfahrzeugen führen. Die Gemeinde haftet hier nicht; der Fahrer hätte seine Geschwindigkeit der Straßenlage und der Streusituation anpassen müssen. Haftungsrisiken können jedoch dann bestehen, wenn Streumittel bei dem Betrieb des Streufahrzeuges ausgebracht werden und hierbei Schäden an fahrenden oder stehenden Fahrzeugen entstehen. Allgemeine Schadensersatz- und Amtshaftungsansprüche bestehen ferner, wenn es wegen nicht ordnungsgemäß durchgeführtem Winterdienst zu Personen- oder Sachschäden kommt. Die Gemeinde haftet hier aus der Verletzung der ihr obliegenden Verkehrssicherungspflichten. Haftungsrisiken können sich nicht nur aus den unmittelbaren Winterdienstpflichten, sondern auch aus Folgeerscheinungen (Schlaglöcher, Rohrleitungsschäden) ergeben. Auch das Aufhängen von Warnschildern mit dem Hinweis, dieser Weg werde nicht geräumt, befreit grundsätzlich nicht von der Verkehrssicherungspflicht und damit der Haftung. Amtshaftungs- und Schadensersatzansprüche bestehen daher sowohl bei nicht ordnungsgemäß durchgeführtem Winterdienst durch die Gemeinde selbst als auch bei der Verletzung der den Gemeinden obliegenden Kontroll- und Überwachungspflichten sowie der allgemeinen Straßenverkehrssicherungspflicht. Neben den Schadensersatzansprüchen gibt es auch das strafrechtliche Risiko, das sich neben Sachbeschädigungen auch bei Körperverletzungen, insbesondere aber bei Todesfällen ergeben kann.

Fazit

Die Gemeinden sind zur Durchführung des Winterdienstes entsprechend ihrer jeweiligen Leistungsfähigkeit verpflichtet. Sie können diese Pflichten teilweise auf ihre Einwohner übertragen. Auch wenn der kommunale Winterdienst einen nicht unerheblichen Anteil der kommunalen Ausgaben ausmachen kann, sollte beachtet werden, dass Räum- und Streudienste gerade in schneereichen Gebieten eine wichtige Serviceleistung für die Einwohner und auch potenzielle Neubürger darstellen. Eine schneereiche Gemeinde kann durch einen umfangreichen Streu- und Räumdienst auch ihre (winter-)touristische Attraktivität steigern. Insbesondere dient der Winterdienst vor allem dem Schutz vor Unfällen und Schäden. Nicht zuletzt wegen der ggf. bestehenden erheblichen Haftungsrisiken sollte den kommunalen Winterdienstpflichten stets genügt werden, wobei Umfang und Intensität sich je nach Gemeinde unterscheiden und letztlich auch juristisch im Einzelfall zu beurteilen sind.

 

Dr. Bastian Hirsch

Fachbereichsleiter der Bauaufsicht einschließlich der Unteren Denkmalschutzbehörde sowie der Unteren Immissionsschutzbehörde des Hochtaunuskreises
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