15.07.2016

Stromüberschüsse – Stromdefizite

Kostenreduzierung beim Ausbau der Erneuerbaren Energien

Stromüberschüsse – Stromdefizite

Kostenreduzierung beim Ausbau der Erneuerbaren Energien

Stromüberschüsse – Stromdefizite
Wie kann Stromüberschuss vernünftig genutzt werden? | © vencav - Fotolia

Am 8. Juni 2016 hat die Bundesregierung eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes beschlossen, die die Kosten der EEG-Förderung reduzieren soll:

  • Grundsätzlich soll es zukünftig keine gesetzlich festgelegten EEG-Vergütungen mehr geben, sondern in Ausschreibungsverfahren sollen die kostengünstigsten Anbieter für die einzelnen erneuerbaren Energieträger ermittelt werden mit Ausnahme von kleineren Photovoltaikanlagen. Bei Windenergie an Land erhalten lokale Bürgerenergiegesellschaften gezielte Erleichterungen innerhalb der Ausschreibung.
  • Für Windenergie an Land (Onshore) sollen für Neuanlagen und für Bestandsanlagen (Repowering) ab 2017 jährlich 2,8 GW ausgeschrieben werden (2,9 GW ab 2010) statt des bisherigen unverbindlichen Ziels von 2,5 GW (2014 wur-den tatsächlich 4,3 GW installiert, 2015 3,6 GW). Für neue Windenergieanlagen, die noch nicht der Mengensteuerung durch die Ausschreibung unterliegen, erfolgt zum 01.07.2016 eine Reduzierung der EEG-Festvergütung von einmalig 5 %.
  • Bei Windenergie auf See (Offshore) soll es beim verbindlichen Ausbauziel von insgesamt 15 GW bis 2030 bleiben. Von 2021 bis 2030 sollen jährlich 0,73 GW ausgeschrieben werden.
  • Für Photovoltaikanlagen sollen jährlich 0,6 GW ausgeschrieben werden. Kleinere Anlagen bis 750 kW (z.B. auf Wohn- und Gewerbeimmobilien) erhalten weiterhin eine feste EEG-Vergütung. Ab einer insgesamt installierten Leistung von 52 GW (2015 waren bereits rund 40 GW installiert) soll es für Photovoltaik keine Förderung mehr geben.
  • Für Biomasseanlagen sollen für Neuanlagen und für Bestandsanlagen (Auslaufen der Alt-Förderung) ab 2017 jährlich 0,15 GW ausgeschrieben werden, ab 2020 bis 2022 jährlich 0,2 GW.
  • Zukünftig sollen nicht nur deutsche Anlagen, sondern auch Anlagen in anderen EU-Ländern an den Ausschreibungsverfahren teilnehmen können, und zwar im Umfang von 5 % der jährlich zu installierenden Leistung.

Die Bundesregierung hat – im Widerspruch zu den Zielen der Energiewende – letztlich eine Verlangsamung des Ausbaus der erneuerbaren Energien beschlossen. Es ist zudem fraglich, ob durch die avisierten Maßnahmen tatsächlich eine Kostenreduzierung erreicht wird.

Kostenreduzierungspotenziale

Der eigentliche Kostentreiber ist nicht der Ausbau der erneuerbaren Energien, sondern der Weiterbetrieb von konventionellen Kraftwerken, insbesondere auch von Kohlekraftwerken zeitgleich zu hoher erneuerbarer Stromproduktion. Dieser unnötige Parallelbetrieb von konventionellen und erneuerbaren Kraftwerken steht nicht nur im Widerspruch zur Energiewende, sondern führt auch zu unnötigen Erhöhungen der von den Stromverbrauchern zu bezahlenden EEG-Umlage und Netzentgelten:


  • Zum einen werden dadurch die Börsenstrompreise künstlich verringert und damit die Differenz zu den garantierten EEG-Einspeisepreisen für erneuerbaren Strom erhöht. Dies führt zu einer Erhöhung der EEG-Umlage, aus der diese Differenz bezahlt wird, und zwar auch ohne weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien.
  • Zum zweiten werden beim geplanten weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien durch eine weitgehend unveränderte Kohlestromeinspeisung immer häufiger die vorhandenen Netze überlastet. Energiewende heißt aber: mehr erneuerbare Energien, weniger Kohlestrom. Der deshalb erforderliche Netzausbau ist also nicht etwa für die erneuerbaren Energien erforderlich, sondern für den dann resultierenden immer höheren Kohlestromexport.

Hier gibt es erhebliche Kostenreduzierungspotenziale, die endlich angegangen werden sollten. Gleichzeitig stellen sich eine Reihe von Fragen bei der Umsetzung der Energiewende, die im Folgenden erläutert werden und die mit Blick auf eine Kostenreduktion angegangen werden sollten.

Schon heute übersteigt die momentane Stromproduktion immer häufiger den Stromverbrauch im nördlichen Deutschland, zukünftig sogar deutschlandweit:

  • Wie kann dieser Stromüberschuss vernünftig genutzt werden?

Es gibt aber auch Zeiten ohne Wind- und Sonnenstrom:

  • Wie können diese Dunkelflauten überbrückt werden, damit die Lichter nicht ausgehen?
  • Benötigen wir für eine gesicherte Stromversorgung weiterhin auch Kohlekraftwerke?

Der aktuelle Netzentwicklungsplan mit Zieljahr 2025 fordert fast 10.000 km neue Stromleitungen bei Investitionskosten von über 25 Mrd. €:

  • Sind diese Leitungen tatsächlich für erneuerbaren Strom erforderlich?

Ausgangspunkt der Untersuchungen zur Beantwortung dieser Fragen ist der grundlegende Umbau der deutschen Energieversorgung, den die deutsche Bundesregierung beschlossen hat:

  • Bis 2023 soll das letzte Kernkraftwerk vom Netz gehen.
  • Deutschland soll 2050 nur noch halb so viel Energie wie 2008 verbrauchen.
  • Ab 2050 sollen mindestens 80 % des Stromverbrauchs mit erneuerbarem Strom gedeckt werden.

Stark schwankende erneuerbare Stromproduktion:

Die erneuerbare Stromproduktion ist von der aktuellen Wettersituation abhängig und schwankt deshalb sehr stark mit manchmal extremen Anstiegen und Rückgängen:

  • Es gibt Tage und sogar Wochen ohne nennenswerte Wind- und Sonnenstromproduktion.
  • An windstarken und sonnigen Tagen hingegen ist zukünftig die momentane erneuerbare Stromproduktion immer häufiger höher als der momentane Stromverbrauch.
  • Deshalb sind sowohl momentane Stromüberschüsse als auch momentane Stromdefizite zu erwarten.

Zur Synchronisierung von Stromverbrauch und Stromproduktion ist ein Maßnahmenmix erforderlich:

  • Anpassung der konventionellen Stromproduktion,
  • Ausgleich durch Stromspeicher,
  • Ausgleich durch Stromhandel,
  • Anpassung des Stromverbrauchs.

Reservekraftwerke:

In der Öffentlichkeit wird der Eindruck erweckt, dass Reservekraftwerke insbesondere für die Absicherung der süddeutschen Stromversorgung bei Dunkelflauten erforderlich seien. Untersuchungen der Bundesnetzagentur zum Reservekraftwerksbedarf zeigen aber, dass in den nächsten Jahren Reservekraftwerke nicht bei niedriger erneuerbarer Stromproduktion erforderlich sind, sondern vielmehr ausschließlich zur Absicherung des Kohlestromexports bei einem Stromüberschuss.

Netzausbau:

Es muss geprüft werden, ob für den Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion ein Netzausbau erforderlich ist. Dieser Netzausbau muss optimiert werden nach dem Motto: Nicht zu viel und nicht zu wenig.

Zum Ausgleich von Stromtransportbedarf und zulässigem Stromtransport stehen grundsätzlich folgende Maßnahmen zur Verfügung:

  • Maßnahmen zur Reduzierung des Stromtransportbedarfs,
  • Maßnahmen zur Erhöhung des zulässigen Stromtransports ohne Leitungsneubau,
  • Maßnahmen zur Erhöhung des zulässigen Stromtransports mit Leitungsneubau.

Überregionaler Netzausbau:

Im Süden werden die Kernkraftwerke stillgelegt, im Norden und Osten wird Wind- und Sonnenenergie zugebaut, und deshalb benötigen wir dringend viele neue Stromleitungen. Klingt überzeugend, ist aber unbelegt und für die von Ostdeutschland nach Bayern geplanten Stromleitungen nachweislich falsch.

Der aktuelle Netzentwicklungsplan mit Zieljahr 2025 fordert einen überregionalen Netzausbau (380 kV und HGÜ) für den Export von Kohlestrom zeitgleich zu hoher erneuerbarer Stromerzeugung. Wenn man aber die erneuerbaren Energien ausbaut und die konventionellen Kraftwerke, wie geplant, auch bei hoher erneuerbarer Stromproduktion weiter einspeisen lassen will, ist offensichtlich ein laufend wachsender überregionaler Netzausbau erforderlich:

  • Der aktuelle Netzentwicklungsplan von Februar 2016 verlangt einen Leitungsneubau von 9.700 km.
  • Davon waren im Bundesbedarfsplangesetz von 2013 nur gut 6.700 km Leitungsneubau enthalten.
  • Der überregionale Netzausbaubedarf hat sich also innerhalb von knapp 3 Jahren um fast 3.000 km erhöht.

Diese Leitungen sind nach den im Netzentwicklungsplan gemachten Angaben ganz überwiegend nicht für die Inte-gration von erneuerbarem Strom erforderlich. Das Stromnetz sollte aber nur für die Integration von erneuerbarem Strom ausgebaut werden. Bisher wurde allerdings noch gar nicht untersucht, welcher überregionale Netzausbau für die Integration des erneuerbaren Stroms erforderlich wäre. Vielmehr basieren alle Untersuchungen zum Netzausbau auf einer Kohlestromeinspeisung zeitgleich zu hoher erneuerbarer Stromerzeugung. Erst nach einer entsprechenden Neuberechnung des Netzentwicklungsplans 2025 wissen wir, ob und in welchem Umfang neue überregionale Stromleitungen für die Energiewende erforderlich sind.

Durch den vorgeschlagenen weit überhöhten Netzausbau würden die Energiewende behindert sowie Umwelt und betroffene Anlieger unnötig belastet. Die deutschen Stromverbraucher müssten diesen überhöhten Netzausbau, der über 25 Mrd. € kosten wird, durch weitere Strompreiserhöhungen bezahlen.

Regionaler Netzausbau:

Der überregionale Netzausbau ist wesentlich durch die Einspeisung von Kohlestrom zeitgleich zu hoher erneuerbarer Stromerzeugung verursacht. Der regionale Netzausbau (110 kV) hingegen ist fast ausschließlich durch den massiven Ausbau der erneuerbaren Energien in einer Region verursacht. Wie viele neue Stromleitungen in einer Region zur Integration der erneuerbaren Energien benötigt werden, hängt wesentlich von den Möglichkeiten zur besseren Ausnutzung und Verstärkung bestehender Leitungen ab.

Beim regionalen Stromnetzausbau muss für jeden Einzelfall eine Abwägung zwischen einer Verstärkung bestehender Leitungen und einem Leitungsneubau vorgenommen werden. Dabei muss für eine ganz konkrete regionale Netzausbauplanung untersucht werden, ob bei einem weiteren massiven Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion in dieser Region tatsächlich eine neue 110-kV-Leitung erforderlich und sinnvoll ist oder ob nicht besser Alternativen realisiert werden sollten:

  • Dafür muss zuerst der regionale Stromtransportbedarf bestimmt werden.
  • Anschließend muss untersucht werden, inwieweit eine bestehende 110-kV-Leitung besser genutzt und ggf. verstärkt und dadurch deren zulässiger Stromtransport ausreichend erhöht werden kann.
  • Abschließend müssen die Ergebnisse angemessen bewertet werden und eine Abwägung zwischen Verstärkung bestehender Leitungen einerseits und Bau einer neuen Leitung andererseits vorgenommen werden. Ein Neubau muss im Regelfall als Erdkabel ausgeführt werden.

Wer Genaueres über die harten Fakten und die daraus resultierenden Ergebnisse erfahren will, findet diese Informationen in den entsprechenden Kapiteln des kürzlich erschienenen Buchs: Integration von erneuerbarem Strom – Stromüberschüsse und Stromdefizite, mit Netzentwicklungsplan 2025 – erhältlich als Hardcover (ISBN 978-3-95645-797-5) sowie als Softcover (ISBN 978-3-95645-796-8).

Hinweis: Nähere Informationen zu der Buchveröffentlichung bzw. zur Energiewende und zum Netzausbau sind abrufbar unter www.JARASS.com

Anna Jarass

Anna Jarass

Dipl. Volkswirtin, ATW-Forschung GmbH, Wiesbaden
Prof. Dr. Lorenz Jarass

Prof. Dr. Lorenz Jarass

M.S. (Stanford University, USA). Hochschule RheinMain, Wiesbaden
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