15.07.2016

Change-Management

Kommunen brauchen eine moderne Anwendung von Organisationsentwicklung

Change-Management

Kommunen brauchen eine moderne Anwendung von Organisationsentwicklung

Change-Management
Auch Kommunen müssen sich ständig weiterentwickeln, um ihren vielfältigen Aufgaben gerecht werden zu können. | © tashatuvango - Fotolia

Die sich permanent verändernden Umweltbedingungen und externe Einflussfaktoren – hier seien exemplarisch nur einige erwähnt – wie gesetzliche Vorgaben, der technologische Fortschritt, der demografische Wandel, Ressourcenknappheit und die zunehmende Konkurrenz zwingen alle Organisationseinheiten über Veränderungen nachzudenken. Sowohl in der privaten Wirtschaft als auch in Non-Profit-Organisationen und in Kommunen wird seit Jahren auf sehr unterschiedliche Art und Weise Organisationsentwicklung betrieben. Und genauso vielseitig wie die praktische Ausübung sind auch die fachtheoretischen Begriffsbestimmungen. Organisationsentwicklung lässt sich allgemein als Veränderungsstrategie definieren, die

  • aus dem Gesamtsystem der Organisation heraus verstanden werden muss,
  • sich unter aktiver Mitwirkung der Betroffenen vollzieht,
  • mit der Zielsetzung,
    • einerseits der Leistungsfähigkeit der Organisation und
    • andererseits der Entfaltung des einzelnen Organisationsmitglieds zu dienen.

     

Folgende Merkmale kennzeichnen zahlreiche praktische Vorgehensweisen:

  • Prozess besteht aus Lernen, direkter Mitwirkung und praktischer Erfahrung aller Betroffenen
  • Vorgehensweise ist prozessorientiert
  • Ziel: gleichzeitige Verbesserung der Leistungsfähigkeit (Effektivität) und Qualität des Arbeitslebens (Humanität)
  • Situatives und stufengerechtes Einbeziehen der Mitarbeiter
  • Langfristig orientiertes Projekt

Wurden in der Vergangenheit mit den empfohlenen Instrumenten auch die gewünschten Ergebnisse erzielt? Oder lohnt es sich, von anderen, neueren Ansätzen wie beispielsweise Change-Management zu lernen? Auch wenn es kein empirisch validiertes Verständnis von Change-Management gibt, lässt sich der Begriff mit „zielorientiertes Vorhaben durch das strategische Management, welches darauf gerichtet ist, bestehende und nicht nur unbedeutende Gebiete der Organisation zu verändern” fixieren.

Dieser Change-Management-Ansatz geht von deutlich modifizierten Merkmalen und Herangehensweisen aus:


Während die klassische Organisationentwicklung tendenziell offene und unspezifische Prozesse aufweist, präferiert der Change-Management-Ansatz gezielte, überschaubare, klar strukturierte Veränderungsprojekte. Ein Veränderungsprozess sollte nicht nur am Vorgehen gemessen werden „Der Weg ist das Ziel”, sondern einer strengen Ausrichtung am konkreten, wahrnehmbaren Ergebnis unterliegen. In einer komplexen und vernetzten Wirtschaft darf eine Organisationseinheit als Untersuchungsgegenstand nicht isoliert betrachtet werden. Eine Umfeldanalyse kann wertvolle Hinweise für die relevanten Veränderungsziele liefern. Die Berücksichtigung von Markt, Politik, Gesellschaft und Ausland gewinnt permanent an Bedeutung. Veränderungsprozesse sind keine „lustvolle Entwicklungsreise”, Mitarbeiter dürfen mit Unannehmlichkeiten, Zumutungen, Angst, Unsicherheit etc. in Berührung kommen. Das Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe” sollte substituiert werden durch „Selbstverantwortung”. Um Veränderungen zu bewältigen sind die nachfolgenden Faktoren von der Verwaltungsleitung bestmöglich aufeinander abzustimmen (Abb. 1).

Wie man sieht, spielen bei Veränderungen sehr oft mehrere Faktoren eine Rolle, sodass eben eine Veränderung in der Organisation oder der Strategie z. B. auch technische Anpassungen erfordern kann (Vahs/Leiser, Change-Management in schwierigen Zeiten, 2003, S. 3).

Wo fängt man an und wo endet es?

Zu nennen sind vier Ansatzpunkte für Veränderungsprozesse:

PUBLICUS; 2016-07; Eisner; Change-Management

Die vier Handlungsfelder von Change-Management.

Strategie:

Das glaubwürdige und attraktive Bild der Zukunft eines Unternehmens, welches Szenarien der Darstellung einer wegweisenden Entwicklung für die Unternehmensleitung widerspiegelt, prägt als Vision die Organisationsentwicklung in bedeutendem Maße (Olfert, Organisation, 2015, S. 424). Als ein Orientierungspunkt für die Planung und die Führung einer Organisation und somit auch für die zweckvolle Strategie der Veränderung in die visionsorientierte Wegweiser, dient das Leitbild (vgl. Herwartz, Changemanagement, in: Paulic [Hrsg.], Verwaltungsmanagement und Organisation, 2014, S. 250).

Es verpflichtet die Führungskräfte und die Unternehmensleitung gleichermaßen, formulierte Standards an Verhaltens- und Denkweisen einzuhalten. Die Mitarbeiter werden durch ein Leitbild in den Veränderungsprozess integriert, um die Vision realisieren zu können. Jedes Mitglied einer Organisation muss erreicht werden (Stolzenberg/Herberle, Change-Management, 2013, S. 12 f.). Die Entwicklung einer Vision und der Veränderungsstrategie beginnt mit einer Analyse der Potenziale im Rahmen einer IST-Analyse unter Ermittlung der vorhandenen Stärken bzw. Schwächen. Die Bewertung der Zukunft der Organisation und des Umfelds sowie der Berücksichtigung der Ergebnisse der IST-Analyse ergeben eine Verdeutlichung des Bedarfs an Handlungen und deren Orientierungsrichtung. Die daraus entwickelte Handlungsrichtung ergibt die strategische Orientierung, die in Zielformulierungen mündet. Die sich entwickelnden Strategien können sowohl einen aktiven – in Form einer Innovationsstrategie – als auch einen reaktiven Charakter – wie bei einer Anpassungsstrategie – aufweisen. Feststellbar ist in beiden Variationen, dass Strategien eine interne und eine externe Wirkung entfalten.

Kultur:

Ein Leitbild und eine Strategie beinhalten Standards für die angestrebten Verhaltensweisen und somit auch die in einer Organisation wirksamen Werte, Normen und Einstellungen. Die gesellschaftlichen Veränderungen der Werte sind auch für die Unternehmenskultur prägend. Die Bedürfnisstruktur aller Mitglieder der Organisationseinheit unterliegt diesem Wandel und zunehmend sind „weiche” Faktoren wie z. B. die Übernahme einer verantwortungsvollen Tätigkeit, ausgewogene Work-Life-Balance oder individuelle Freiräume zentrale Gesichtspunkte. Das Gehalt, die Arbeitszeit oder der Dienstwagen treten mehr in den Hintergrund. Die Mitarbeiter prägen letztlich entscheidend die Organisationskultur. Dies erfordert ein an diese Unternehmenskultur angepasstes Führungs- und Kommunikationsverhalten. Alle Organisationsmitglieder sind gefordert, den Veränderungsprozess mental zu verarbeiten, zu verinnerlichen und umzusetzen. Dabei kann eine organisatorische Veränderung auf die Unternehmenskultur wirken, und auch eine angestrebte Organisationskultur wirkt möglicherweise auf die organisatorische Struktur. Insbesondere bei Strategie- oder Technologiewechseln ist ein kultureller Wandel notwendig.

Technologie:

Voraussetzung für eine effiziente Wirkung von Produktionsfaktoren und Ressourcen ist eine möglichst optimale Prozesslandschaft in der Produktion. Zunehmend ist der Einsatz von Technologien dafür verantwortlich. Unter Technologien sind neben speziellen Verfahren und Methoden auch Maschinen, Werkzeuge und deren Anwendungswissen zu verstehen. Im Rahmen einer Dienstleistungsorganisation sind besonders Technologien aus der Informationsverarbeitung und Kommunikation für wirtschaftliche Dienstleistungserzeugnisse relevant. Dies führt zu Veränderungen der Organisation und somit der Strukturen im Unternehmen, z. B. durch neue Arten der Aufgabenerledigung (Telearbeit, Videokonferenzen, etc.) oder Prozessmodellierungen im Sinne einer ganzheitlichen Sachbearbeitung bzw. Zentralisations- und Dezentralisationsfragen. Die Technologie kann einerseits an das System angepasst werden, andererseits ist die transaktionskosteneffizientere Variante eine Anpassung der Organisation an die Technologie (vgl. Picot/Reichwald/Wigand, Die grenzenlose Unternehmung, 2003, S. 402 ff. sowie Vahs, Organisation, 2009, S. 339 f.).

Organisation:

Die Gestaltung der Struktur des Unternehmens, einer Organisationseinheit oder des Konzerns Kommune ist zunächst abhängig von den gewählten Produkten. In einem zweiten Schritt werden die Prozesse modelliert, die für die Produktion erforderlich und wertschöpfend sind. Dies wird in einer Ablauforganisation dargestellt und in einem Geschäftsverteilungsplan verfestigt. Nach einer optimierten Geschäftsprozessstruktur wird die Aufgabenverteilung festgelegt. Dabei werden neben den Grundsatzfragen nach Objekt- oder Verrichtungsprinzipien auch die Themen der Organisationsgröße und die Anzahl von Subeinheiten und -systemen beantwortet. Die Struktur kann in einem Aufgabengliederungsplan, Dezernatsverteilungsplan und den typischen Organigrammen visualisiert werden. Prämisse ist die Bildung von optimalen Organisationseinheiten hinsichtlich Anzahl, Größe und Aufbau. Weitere Regelungen zu speziellen Prozessabläufen und Verantwortungsdelegation sind zwingend festzuhalten. Für derartige Restrukturierungsmaßnahmen, die weitreichende und in die Tiefe gehende Veränderungen bewirken, sind Strategieänderungen, Kulturwandel oder Potenzialausschöpfung von neuen Technologien ausschlaggebend (vgl. Vahs, Organisation, 2009, S. 342 f.).

Akzeptanz als wesentlicher Erfolgsfaktor

Das Konzept des Change-Managements ist auf das Verhalten und die Einstellung der Organisationsmitglieder gerichtet. Ziel ist es, die Personen, die durch den Wandel betroffen sind, an diesem aktiv zu beteiligen und in den Change-Prozess zu integrieren. Akzeptanz ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor und Garant für das Erreichen der gewünschten Ziele. Dies kann durch entsprechende Lernprozesse der Beteiligten erzielt werden. Dabei sollen die Organisationsmitglieder in die Lage versetzt werden, weitgehend ihr eigenes bisheriges Verhalten zu reflektieren und zukünftige Strukturprobleme eigenständig zu lösen.

Um diesen angestrebten Zustand realisieren zu können, ist eine externe Unterstützung in den meisten Fällen hilfreich. Die externe Rolle ist bewusst als Berater oder Unterstützer zu verstehen und nicht als Initiator oder dominanter Realisator zu interpretieren. Daraus ergeben sich vielfache Anforderungen an die sogenannten Change-Agents (Veränderungshelfer; King/Anderson, Managing Innovation and Change, 2002, S. 152 ff.).

Was können (müssen) Change-Agents leisten?

Laut empirischer Studien sind die relevanten Kompetenzen in den Bereichen Kommunikation, Zielorientierung sowie Konflikt- und Motivationsfähigkeit zu finden (Capgemini, Change-Management-Studie, 2008). Das bedeutet für den Change-Agent im Change-Management-Prozess, die Rolle als Zuhörer einzunehmen und dabei die Ressourcen und Potenziale der Organisationsmitglieder zu identifizieren, als Moderater und Coach eine Kommunikation sowohl zu ermöglichen als auch aufrecht zu erhalten, dabei auch Konflikte zu lösen und Ängste abzubauen. Als Motivator und Steuermann soll er Veränderungen kreativ unterstützend vorantreiben und Irrwege sowie Risiken reduzieren. Eine wesentliche Aufgabe obliegt dem Agenten in der Überwindung von herrschender Betriebsblindheit. Insbesondere die Einstellungen aus fest verankerten und historisch gewachsenen Strukturen auszubrechen, erfordert einen methodenkompetenten Lehrenden, der den beteiligten Akteuren die Möglichkeiten eröffnet, zukünftige Prozesse eigenständig zu reflektieren und neu zu modellieren.

Fazit

Die Anwendung von klassischen Organisationsinstrumenten führt in der dynamischen und komplexen Wirtschaftswelt nicht mehr zu den gewünschten Ergebnissen in den Rathäusern. Eine Modifikation, eine Weiterentwicklung und Verbesserung von Organisationsentwicklung ergibt sich aus der Notwendigkeit, den gewünschten Anforderungen gerecht zu werden. Der Change-Management-Ansatz ist konkreter, zielorientierter und stellt die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stärker in den Fokus. Es bleibt abzuwarten, welche Erfahrungen zukünftig mit Change-Management gemacht werden und in wie weit sich die gewünschten Ziele durch den modifizierten Ansatz umsetzen lassen können. Nichts ist stabiler als der Wandel.

Prof. Dr. Stefan Eisner

Prof. Dr. Stefan Eisner

Geschäftsführer, NSI Consult, Braunschweig
Frank Boffer

Frank Boffer

Diplom-Verwaltungsbetriebswirt, Prokurist und Geschäftsbereichsleitung Personal, NSI Consult, Braunschweig
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