15.07.2016

Nachweisverfahren für Legionellen

Begrenzte Aussagefähigkeit einer Gefährdungsanalyse gem. § 16 TrinkwV

Nachweisverfahren für Legionellen

Begrenzte Aussagefähigkeit einer Gefährdungsanalyse gem. § 16 TrinkwV

Begrenzte Aussagefähigkeit einer Gefährdungsanalyse gem. § 16 TrinkwV | © Franke Aquarotter GmbH
Begrenzte Aussagefähigkeit einer Gefährdungsanalyse gem. § 16 TrinkwV | © Franke Aquarotter GmbH

Die Abgabe von Trinkwasser in öffentlichen Einrichtungen und gewerblich genutzten Objekten ist gesetzlich an die Güte­anforderungen der deutschen Trink­wasser­verordnung (TrinkwV 2001) gebunden. Für diese haften Unternehmer und sonstige Inhaber (UsI) von Trink­wasser­installationen im Rahmen ihrer Verkehrs­sicherungs­pflicht. Mit der Novellierung der Trink­wasser­verordnung von 2011 wurde für den mikro­biologischen Parameter Legionellen erstmals ein spezieller Indikatorwert festgelegt (Anlage 3, Teil II): Bei Überschreiten des sogenannten technischen Maßnahmenwerts (100 KBE/100 ml; KBE – Kolonie bildende Einheiten) ergeben sich daraus besondere Anzeige- und Handlungserfordernisse, die unter anderem die Durchführung einer Ursachen- sowie einer Gefährdungsanalyse (TrinkwV 2001, § 16 Abs. 7, Satz 1-3) vorsehen.

Aktuelle Erkenntnisse sowohl aus der Praxis als auch aus der Forschung weisen jedoch darauf hin, dass eine auf Grundlage gegenwärtig etablierter Beprobungs- und Untersuchungsverfahren durchgeführte Analyse nur sehr begrenzt Aufschluss über den tatsächlichen Zustand einer Trinkwasserinstallation geben kann. Gleichzeitig ist eine Gefährdungsbeurteilung im Sinne einer Risikoeinschätzung für die weitere Nutzung einer Installation kaum möglich. Spezifische Problemstellungen ergeben sich insbesondere aus den angewandten Probenahmeverfahren, der laboratorischen Untersuchungsmethodik sowie aus der klinisch-medizinischen Bewertbarkeit der erhobenen Befunde.

Biofilm – Lebensraum für Mikroorganismen

Voraussetzung einer mikrobiellen Kontamination des Trinkwassersystems ist, dass die über Wasser oder Bauteile eingetragenen Organismen an den Rohrinnenwänden der Installation einen Biofilm bilden, in dem sie dann ideale Replikationsbedingungen schaffen können bzw. vorfinden. Dies geschieht – stark simplifiziert –, indem sie am Installationsmaterial anhaften und dort u. a. eine Schicht aus extrazellulären polymeren Substanzen (EPS) ausbilden, die ihrer mikrobiellen Lebensgemeinschaft als Schutz- und Nahrungsraum dient und sie sogar befähigen kann, höhere Toleranzen gegenüber äußeren – etwa chemischen oder thermischen – Einflüssen zu entwickeln.


Die Entstehung eines solchen Biofilms ist ein natürlicher Prozess, von dem per se keine Gesundheitsgefährdung ausgeht. In Abhängigkeit einer Vielzahl von Einflussfaktoren wie Nährstoffeintrag, Bioverwertbarkeit von Materialien, Wasseraustauschraten oder Temperaturen kann der Biofilm einschließlich der EPS aber immer auch ein geeignetes Wachstumsrefugium darstellen, in dem Keime wie das fakultativ human-pathogene Legionellen-Bakterium eine für den Menschen ausreichende Virulenz erlangen kann. Werden diese Organismen aus dem Biofilm gelöst und in das Trinkwasser ausgetragen, können sie in Form erregerhaltiger Aerosole auch in die menschlichen Atemwege gelangen.

Technischer Maßnahmenwert: keine klinisch-medizinische Relevanz

Unter welchen Umständen Legionella pneumophila in ein human-pathogenes Stadium mit ausreichender Virulenz übergeht, lässt sich zwar theoretisch bereits erklären – u. a. bei Anwesenheit von Amöben, in deren Verdauungsvakuolen sie eine solche erreichen –, aber nicht alltagstauglich in der Praxis für ein konkretes Installationssystem. Auch kann ein Kausalzusammenhang zwischen dem entdeckten mikrobiellen Belastungsgrad einer Installation und einem trinkwasserinduzierten Infektionsrisiko aktuell nicht belegt werden. Vor diesem Hintergrund ist der per TrinkwV festgelegte KBE-Wert nicht als medizinisch-klinisch relevanter Grenzwert zu interpretieren. Nachweislich ist eine Legionellen-Infektion auch dann möglich, wenn die Anzahl der gefundenen Kolonie bildenden Einheiten deutlich unter dem Wert von 100 pro 100 Milliliter Trinkwasser liegt. Umgekehrt führt selbst die Aspiration von hoch belastetem Wasser nicht zwingend zu einer Erkrankung. Als Kennwert zur Beurteilung eines realen Gefährdungspotenzials kann der KBE-Wert demnach nicht herangezogen werden. Vielmehr dient der technische Maßnahmenwert als Indikator dafür, dass die Trinkwasserinstallation über technische Mängel verfügt und/oder dass sie unzureichend hygienekonform betrieben wird. Für den Unternehmer oder sonstigen Inhaber markiert er klar festgelegte Anzeige- und Handlungspflichten, deren Nichteinhaltung juristisch geahndet werden kann.

Risikofaktoren in Planung, Ausführung und Betrieb

Gutachten aus Installationspraxis und angewandter Trinkwasserhygiene belegen, dass Kontaminationen in nahezu allen Fällen auf eine unzureichende Planung, Umsetzung oder Betriebsweise der Installation zurückzuführen sind. Die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik (a.a.R.d.T.; zu entnehmen u. a. Regelwerken wie VDI 6023, DVGW 551 und 553, DIN 1988–100 bis 300 usw.) reduziert das Auftreten hygienerelevanter mikrobieller Verunreinigungen in Trinkwassersystemen. Diesem Kenntnisstand trägt § 16 Abs. 7 Satz 1 der deutschen TrinkwV Rechnung: Er fordert bei Überschreitung des technischen Maßnahmenwertes eine unverzügliche Untersuchung zur Ursachenklärung auf Basis einer Ortsbegehung sowie eine Überprüfung der Einhaltung der a.a.R.d.T.

Innerhalb einer Installation beeinflussen neben Art, Alter, mikrobieller Vorbelastung des Installationsmaterials und Nährstoffangebot vor allem kritische Temperaturen und hohe Stagnationszeiten das Populationswachstum der Legionellen. Werden Leitungsabschnitte eines Trinkwassersystems beispielsweise aufgrund von Überdimensionierung, in Totsträngen, Entleerungsleitungen oder Ausdehnungsgefäßen etc. nicht ausreichend durchströmt, führen mangelnde Wasseraustauschraten zu einer unzulässigen, wachstumsfördernden Temperaturveränderung. In öffentlichen Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten oder Sporthallen kann dies auch infolge einer regulären Betriebsunterbrechung der Fall sein, etwa an Wochenenden oder in Ferienzeiten.

Kontaminationsexpertise und Objektkenntnis für eine belastbare Zustandserhebung

Detaillierte Kenntnisse über Leitungsbau und Nutzungscharakteristik eines Trinkwassersystems sind zur Erstellung der per TrinkwV geforderten Ursachen- und Gefährdungsanalyse von besonderer Relevanz. Bereits die Bestimmung der Probenahmestelle (auch unter Berücksichtigung der Kaltwasserseite) erfordert ein weitreichendes fachliches und objektbezogenes Wissen, auf dessen Grundlage hygienekritische Bereiche identifiziert und untersucht werden können. Vielfach resultieren uneinheitliche bzw. nicht aussagekräftige Befunde aus der Wahl eines ungeeigneten, weil unkritischen Beprobungsorts. Zusätzlich erweist sich das verwendete Probenmaterial oft als unzureichend für eine repräsentative Diagnose: Entnommen werden in der Regel Proben aus strömendem Wasser, während die EPS-Schicht als zentrales Vegetationsfeld von Mikroorganismen weitgehend unberücksichtigt bleibt. Aus diesem Grund werden fast ausschließlich nur suspendierte, also frei im Wasser mitschwimmende, Bakterien erfasst, die die Probenahmestelle exakt zum Zeitpunkt der Entnahme passieren. Entsprechend kann die Konzentrationsvarianz in Abhängigkeit vom Beprobungszeitpunkt beträchtlich ausfallen: Sie lag in einem Fall zwischen 18 KBE/100 ml am Abend und 11.900 KBE/100 ml morgens bei identischem Beprobungsort.

Der Probenentnahme folgt im Rahmen einer regelkonformen Untersuchungsstrategie die laboratorische Analyse zum Nachweis und zur quantitativen Bestimmung von Legionellen. Dabei handelt es sich um normative Kultivierungsmethoden (Filtrationsverfahren und Direktansatz) nach DIN EN ISO 11732-2 und 11731. Diese Verfahren basieren auf der Voraussetzung, dass sich die nachzuweisenden Organismen unter Laborbedingungen anzüchten lassen, was für Legionellen-Bakterien jedoch nicht zwingend der Fall ist. Aus folgendem Grund: Unter Stressbedingungen (chemische Einflüsse, Nahrungsmangel etc.) sind Bakterien in der Lage, einen sogenannten VBNC-Zustand (viable but non-culturable – lebensfähig, aber nicht kultivierbar) einzunehmen. Dabei senken sie ihre Stoffwechselaktivitäten soweit ab, dass sie keinen Aufbaustoffwechsel mehr generieren und sich nicht replizieren können. In Folge sind sie mittels gängiger Kultivierungsverfahren nicht nachweisbar. Besonders kritisch sind falsch-negative Befunde vor allem deshalb, weil sich die Organismen bei Veränderung der Vegetationsverhältnisse wieder in einen vermehrungsfähigen und damit fakultativ human-pathogenen Zustand zurückversetzen können.

Fazit: Hygienekonformität präventiv verankern

Nach Auswertungen des Forschungsverbundprojekts „Biofilm-Management” der Universität Duisburg-Essen lassen sich auf Basis der hier skizzierten Untersuchungsmethoden lediglich knapp 30 Prozent der Legionellen-Kontaminationen aufklären. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Gefährdungsanalyse im Sinne einer belastbaren Zustands- und Risikobewertung als nur sehr begrenzt aussagefähig.

Unabhängig vom ermittelten KBE-Wert sollte deshalb im Falle eines positiven Legionellen-Befunds unverzüglich die Behebung möglicher Kontaminationsursachen eingeleitet und unter Aufsicht von Fachexperten (Planungsingenieure, Installationsmeister) umgesetzt werden. Präventiv lassen sich Kontaminationsrisiken durch eine fachgerechte, hygienekonforme Planungs-, Bau- und Betriebsweise minimieren. Intelligente Sanitärkonzepte und effektive technische Lösungen, die den jeweils allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen, bilden hierfür eine geeignete Grundlage.

Reinhard Bartz

Reinhard Bartz

Leiter Technikum und Schulung, Franke Aquarotter GmbH, Ludwigsfelde
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