15.01.2015

Stärkung der Anbietervielfalt

Neues und Bewährtes im novellierten Thüringer Landesmediengesetz

Stärkung der Anbietervielfalt

Neues und Bewährtes im novellierten Thüringer Landesmediengesetz

Der Anbietervielfalt weist das Bundesverfassungsgericht eine wichtige Rolle im privaten Rundfunk zu.|© XK - Fotolia
Der Anbietervielfalt weist das Bundesverfassungsgericht eine wichtige Rolle im privaten Rundfunk zu.|© XK - Fotolia

Der Thüringer Landtag hat im Sommer 2014 ein neues Thüringer Landesmediengesetz (ThürLMG) verabschiedet. Im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses wurden im Thüringer Landtag kontroverse Debatten geführt, vor allem im Hinblick auf die gesetzgeberische Abwägung zwischen der Erhaltung von Meinungsvielfalt und der Schaffung notwendiger Rahmenbedingungen für ein erfolgreiches Wirtschaften von Rundfunkveranstaltern in Thüringen.

Die wesentlichen Neuerungen des ThürLMG

Das Gesetz beinhaltet als Kernstück eine Neuregelung
der Bürgermedien (bisher Bürgerrundfunk) und eine Vertiefung medienbildender Maßnahmen. Mit der Neuregelung der Vorschrift zu Bürgerradio und Bürgerfernsehen (§ 34) hat der Gesetzgeber daneben eine grundlegende Bestimmung über die Umwandlung der bisherigen Offenen Kanäle Fernsehen und Hörfunk sowie der nichtkommerziellen Lokalradios in Bürgerradios bzw. Bürgerfernsehen geschaffen, die künftig als lokale Medienpartner dienen sollen.

Gesetzliche Verankerung der Netzneutralität

Bemerkenswert ist die Verankerung der Netzneutralität im neuen Landesmediengesetz (§§ 1 Abs. 8; 2 Abs. 1 Nr. 8 sowie 37 Abs. 3). Der Thüringer Rundfunkgesetzgeber betritt damit medienpolitisches Neuland. Eine vergleichbare Regelung ist bisher in keinem anderen Landesmediengesetz zu finden. Auch auf Bundesebene gibt es bislang keine entsprechende Regelung; § 41 a TKG regelt lediglich einen Regulierungsrahmen, der die Bundesregierung zum Erlass einer Rechtsverordnung zur Netzneutralität ermächtigt.


Nach der neuen Regelung dürfen Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze sowie natürliche oder juristische Personen, die den Zugang zu solchen Netzen vermitteln, Rundfunk und Telemedien im Zuständigkeitsbereich der Länder nicht zugunsten anderer Datenübertragungen blockieren, verlangsamen oder anderweitig behindern. Insbesondere ist es unzulässig, die Übertragung von Rundfunk und Telemedien im Zuständigkeitsbereich der Länder besonderen Preisanforderungen zu unterwerfen. Bei Vereinbarungen über Datenvolumina und -geschwindigkeiten dürfen bestimmte Inhalte, Dienste oder Anwendungen nicht aus dem Volumenverbrauch herausgerechnet oder nach Verbrauch des vereinbarten Datenvolumens von einer Drosselung ausgenommen werden.

Stärkung der Meinungsvielfalt durch Konzentrationskontrolle

Ein weiterer Schwerpunkt des Gesetzes liegt in der Stärkung der Meinungsvielfalt durch den Ausschluss vielfaltsgefährdender Konzentrationen. Hiermit haben sich die Parteien im Landtag intensiv auseinandergesetzt, wenngleich es in der Novelle im Ergebnis im Vergleich zu der alten Fassung des ThürLMG nur geringfügige Änderungen gegeben hat.

Funkhausmodell vs. Bürogemeinschaft

Das Gesetz enthält weiterhin ein grundsätzliches Fusionsverbot für private Rundfunkveranstalter sowie eine Beteiligungsbegrenzung im Rundfunk zwischen Rundfunkveranstaltern untereinander sowie zwischen Pressunternehmen und Rundfunkanbietern (§ 10 Abs. 1 Satz 1, Nr. 1–4).

Damit hat der Gesetzgeber nicht dem Wunsch der beiden Thüringer Privatsender Antenne Thüringen und Landeswelle Thüringen entsprochen, die sich vor dem Hintergrund einer möglichen Senderfusion für eine Öffnung des Gesetzes für neue Beteiligungsformen im privaten Rundfunk stark gemacht hatten. Ihre Forderungen zielten – dem „Trend” anderer Bundesländer wie bspw. Schleswig-Holsteins und Hessens folgend, die bei ähnlichen infrastrukturellen Voraussetzungen im privaten Rundfunk jeweils ein Funkhaus eingerichtet haben – auf die gesetzliche Legitimation, ein sog. „Funkhausmodell” nutzen zu können.

Mit Hilfe eines solchen Modells, das neben infrastrukturellen vor allem die programminhaltliche Zusammenarbeit „unter einem Dach” vorsah, wäre es nach Auffassung der Rundfunkveranstalter einfacher möglich gewesen, Sendekonzepte und Programmformate zielgenauer auf Zielgruppen und deren Bedarfe abzustimmen, was im Ergebnis für die überwiegend werbefinanzierten Anbieter zur Bündelung von Ressourcen und zu finanziellen Einsparungen geführt hätte.

Mit dem Festhalten am Fusionsverbot bewegt sich der Landesrundfunkgesetzgeber im verfassungsrechtlich zulässigen Rahmen. Zwar stehen der Rundfunkfreiheit auch unternehmerische und wirtschaftliche Interessen der Veranstalter gemäß Art. 12 Abs. 1 GG gegenüber. Dabei muss berücksichtigt werden, dass Rundfunkfreiheit im ökonomischen Kontext stattfindet und gleichermaßen publizistische und ökonomische Planungssicherheit für Rundfunkveranstalter erfordert. Dennoch überwiegen grundlegende rundfunkrechtliche Maßstäbe in der Interpretation von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gegenüber den Interessen der Rundfunkveranstalter.

Dieses Ergebnis beruht vor allem auf dem Unterschied zwischen Angebotsvielfalt und Anbietervielfalt. Zieht man die Aufgabe der Medien heran, als „Wachhund der Gesellschaft” auf Missstände in Politik und Gesellschaft hinzuweisen, so spielt es eine gewichtige Rolle, welche Tendenz der ausstrahlende Rundfunkveranstalter verfolgt. Wie wichtig dem Bundesverfassungsgericht die tatsächliche Anbietervielfalt ist, ergibt sich aus seinen Ausführungen im sog. „Niedersachsenurteil”, denen zufolge nicht allein darauf abgestellt werden könne, wer formell als Veranstalter auftritt, da sich die gleichen Wirkungen auch ergeben können, wenn ein Unternehmen einen oder mehrere Veranstalter rechtlich oder wirtschaftlich beherrscht oder in anderer Weise erheblichen Einfluss auf die Programmgestaltung ausübt (BVerfGE 73, S. 118, 160).

Bei Abwägung der widerstreitenden Argumente ist letztlich der Anbietervielfalt, welche im Fusionsfall verloren ginge, der Vorrang zu gewähren. Überdies bestünde bei einer Fusion keine Garantie, dass positive ökonomische Impulse eintreten und tatsächlich dauerhaft eine Angebotsvielfalt erhalten bliebe. Eine Abwägung muss daher zugunsten der Rundfunkfreiheit entschieden werden. Berücksichtigt werden muss dabei, dass das Bundesverfassungsgericht nicht einmal davon ausgeht, dass bei diesem Zusammenschluss nur ein privater Anbieter übrig bleibt, wie das in Thüringen bei einer gesellschaftsrechtlichen Fusion von Antenne und Landeswelle Thüringen der Fall gewesen wäre. Umso eher wäre ein solcher Zusammenschluss verfassungsrechtlich problematisch oder gar unzulässig gewesen.

Trotz eines somit weiterhin bestehenden Fusionsverbots gibt es für private Rundfunkveranstalter in Thüringen zukünftig die Möglichkeit des Zusammenschlusses in einer sog. „Bürogemeinschaft”. Damit ermöglicht der Gesetzgeber privaten Rundfunkveranstaltern das räumliche Zusammengehen in einem gemeinsamen Funkhaus. Allerdings erfolgt durch den Wortlaut der Norm eine Begrenzung auf lediglich infrastrukturelle Maßnahmen, das heißt eine Kooperation im Sinne einer „Bürogemeinschaft” darf nur erfolgen, wenn und solange Programmerstellung und Programmverantwortung klar voneinander getrennt bleiben.

Fazit

Das neue Thüringer Landesmediengesetz ist gelungen. Allerdings hat es der Gesetzgeber verpasst, ein einheitliches, alle Medienformen umfassendes Mediengesetz zu schaffen, das der zunehmenden Konvergenz der Medien gerecht geworden wäre, die eine Abgrenzung zwischen den Medienformen immer schwerer macht.

Demgegenüber ist vor allem die Neuregelung der Bürgermedien innovativ. Mutig ist die Entscheidung des Landtags, die Netzneutralität zu normieren. Sind insoweit manche rechtspolitischen und auch verfassungsrechtlichen Fragen noch nicht geklärt, ist Thüringen damit jedenfalls das erste Bundesland, das Netzneutralität gewährleistet, und kann zum Vorreiter für andere Bundesländer und möglicherweise auch für den Bund werden.

Daneben hat der Gesetzgeber vor allem mit der Beibehaltung des Fusionsverbots im privaten Rundfunk den richtigen Weg gewählt. Mit dieser gesetzgeberischen Entscheidung ist der Landtag seiner verfassungsrechtlichen Verantwortung gerecht geworden und hat im Rahmen einer Abwägung zwischen unternehmerischer Freiheit der Rundfunkveranstalter auf der einen und der Rundfunkfreiheit auf der anderen Seite der Meinungsvielfalt den Vorrang eingeräumt.

 

Johannes Arnhold

Rechtsanwalt und Wissenschaftlicher Mitarbeiter
 

Prof. Dr. Frank Fechner

Professor für Öffentliches Recht
n/a