15.01.2015

Datenschutz und Strafverfolgung

Die Debatte über Mautdaten als Symptom einer politischen Zwickmühle

Datenschutz und Strafverfolgung

Die Debatte über Mautdaten als Symptom einer politischen Zwickmühle

Die Debatte über die Nutzung von Mautdaten für die Strafverfolgung wird heftig geführt.|© hainichfoto - Fotolia
Die Debatte über die Nutzung von Mautdaten für die Strafverfolgung wird heftig geführt.|© hainichfoto - Fotolia

Die Debatte über das Spannungsfeld zwischen Strafverfolgung und Datenschutz ist nicht neu, erfährt durch die Mautpläne des Bundesverkehrsministers Dobrindt jedoch aktuelle Brisanz. Der nun ehemalige Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, plädiert nicht nur für die Nutzung von Mautdaten, sondern für eine ehrliche und bedarfsorientierte Neujustierung polizeilicher Befugnisse zur effektiven Verbrechensbekämpfung, die in der Praxis nicht selten an den strikten Datenschutzregeln scheitert.

Datenschutz im Internetzeitalter

Wenn es um die Sammlung oder drohende Eingriffe in private Daten geht, reagieren Politiker und Bürgervertreter in Deutschland enorm sensibel. Die Privatsphäre als schützenswertes Rechtsgut hat in der Bundesrepublik einen sehr hohen Stellenwert. Weltweit erstmals 1970 als Datenschutzgesetz in Hessen, regelt das Bundesdatenschutzgesetz seit 1977 die Einschränkungen zur Nutzung privater Daten. Zudem existiert eine enge Verknüpfung mit dem Grundgesetz, obwohl der Begriff des Datenschutzes selbst nicht explizit in diesem genannt wird. Er ist im Grundgesetz durch das Telekommunikationsgeheimnis (Artikel 10 GG) verankert und manifestiert sich darüber hinaus im allgemeinen Persönlichkeitsrecht gemäß Artikel 2 Absatz 1 GG (Freie Entfaltung der Persönlichkeit) i. V. m. Artikel 1 Absatz 1 GG (Menschenwürde). Somit ist die Bezeichnung des „Datenschutzes” an sich irreführend; vielmehr möchte der Gesetzgeber auf Persönlichkeitsrechte und vor allem auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung abstellen und diese schützen, nicht jedoch Daten als „Rechtssubjekt”.

Das politische Klima nach Edward Snowden

Im Jahr 2013 hat der ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden das ungeheuerliche Ausmaß der Internetüberwachung durch den amerikanischen Geheimdienst NSA offenbart. Seine Enthüllungen empörten die Öffentlichkeit und entfachten eine scharfe Debatte zum praktizierten Datenschutz. Die Alarmierungen Snowdens haben unbestrittenen Wert und sind überaus wichtig, auch um eigene Verhaltensweisen in der Preisgabe von Daten im Internet zu reflektieren. Jedoch scheinen sich hier die persönlichen Verhaltensweisen der empörten Bürger nur wenig zu ändern. Der staatliche Zugriff auf Privatdaten, egal aus welchem Grund oder in welchem Ausmaß, wird seit Snowdens Enthüllungen hingegen undifferenziert als Überwachungsmaßnahmen vereinheitlicht. Damit wird Angst vor Generalverdacht und vor dem vielbeschworenen „gläsernen Bürger” geschürt. Dies geschieht nun auch mit dem Vorstoß Zierckes, die Daten der PKW-Maut zu sammeln. Der Vorschlag ist im Übrigen nicht neu und wurde bereits 2013 vom ehemaligen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) vorgeschlagen. Ausgerechnet von dessen Parteikollegen, dem Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, kommt postwendend die resolute Absage, da er die Mautdaten mit den härtesten Datenschutzvorschriften hüten will.


Möglichkeiten sind vorhanden

Der Datenschutz in Deutschland und Europa erweist sich als eine wesentliche sicherheitspolitische Herausforderung. Diskussionen wie die um die Nutzung der Mautdaten zum Zweck der Verbrechensbekämpfung aber auch zur Vorratsdatenspeicherung sind symptomatisch für ein Spannungsfeld, in dem Sicherheitspolitik und Datenschutz zusehends als Gegenspieler betrachtet werden. Die Verhärtung dieser Positionen führt zum Stillstand in einem Entwicklungsprozess, der angesichts technischer Entwicklungen dringend nötig ist. Auch Zierke votierte für Kompromissvorschläge wie die Berufung eines eigenen Richtergremiums, das besondere Verfahren wie Vorratsdatenspeicherung, Online-Durchsuchung oder den „Bundes-trojaner” prüft und kontrolliert. Er äußerte damit kein Novum, sondern berief sich auf bereits ausgearbeitete Vorschläge. Solche sachlichen Lösungsansätze werden in einer emotional geführten Debatte nicht gehört, obwohl sie unter Umständen beiden Seiten Genüge täten. Dafür plädiert auch der Bundesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), André Schulz: „Die Nutzung der Mautdaten ließe sich gemeinsam mit den Datenschutzbeauftragten so umsetzen, dass ein Missbrauch ausgeschlossen wäre. Denn die Kennzeichen werden lediglich mit den im Polizeisystem gespeicherten Fahndungsdaten abgeglichen, unbeteiligte Personen- und Fahrzeugdaten werden nicht gespeichert.”

Pragmatische Diskussion und Abwägung notwendig

Politiker und Datenschützer müssen sich fragen, wie die Gefahrenabwehr durch polizeiliche Ermittlungen im Zeitalter entgrenzter Information und Kommunikation noch Schritt halten kann. Die Berichterstattung über Vorstöße wie Vorratsdatenspeicherung oder Nutzung von Mautdaten ist regelmäßig vom Argwohn gegenüber dem Staat gekennzeichnet. Der Nutzen in konkreten Fällen bleibt dahinter meist verborgen. So wurde im Juni 2014 ein Sniper überführt, der auf Autobahnen auf LKW geschossen hatte, indem 3,8 Millionen Kfz-Kennzeichendaten und 600.000 Handydaten erfasst und ausgewertet wurden. Dabei handelte es sich nicht um eine Vorverurteilung sämtlicher Autofahrer, sondern um die Ermittlung nach einem Straftäter, der Menschenleben gefährdete. Eine bürgerliche Empörung blieb daher aus. „Allerdings wäre die Polizei deutlich schneller gewesen, hätte es die Mautdaten und den entsprechenden Zugriff gegeben”, gibt Schulz zu bedenken. Und so sollte es kein Tabu sein, über den Nutzen von Mautautomaten nachzudenken, um solche Polizeiarbeit zu erleichtern. Nicht jeden sicherheitspolitischen Vorstoß panisch als Schritt in den Überwachungsstaat, sondern in Hinblick auf Wirksamkeit, Risiken und Auswirkung auf das Sicherheitsempfinden der Bürger abzuwägen, sollten sich auch Datenschützer auf ihre Fahnen schreiben. Eine Wende in der aktuellen Debatte „Sicherheit contra Freiheit” ist unabdingbar, möchte man Politik für und zum Schutz der Menschen machen.

 

Prof. Dr. Dorothee Dienstbühl

Professorin an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV) Nordrhein Westfalen
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