15.01.2015

Ein Motor für Verwaltungsmodernisierung

E-Government-Gesetz des Bundes: NEGZ-Studie erarbeitet Empfehlungen

Ein Motor für Verwaltungsmodernisierung

E-Government-Gesetz des Bundes: NEGZ-Studie erarbeitet Empfehlungen

Ein starkes E-Government setzt das koordinierte Zusammenspiel der Akteure voraus.|© Leysan - Fotolia
Ein starkes E-Government setzt das koordinierte Zusammenspiel der Akteure voraus.|© Leysan - Fotolia

Im August 2013 trat das E-Government-Gesetz des Bundes in Kraft. Im Dezember 2013 beauftragte das Bundesministerium des Innern das Nationale E-Government Kompetenzzentrum (NEGZ), im Rahmen eines Forschungsprojekts das Potenzial dieses Gesetzes für Bürokratieabbau, Kosten- und Serviceoptimierung für die deutsche Verwaltung und deren Kunden, also die Bürger und Unternehmen, zu bewerten sowie Handlungsempfehlungen für die Umsetzung abzuleiten.

Als Ergebnis des Projekts hat das NEGZ im November 2014 eine Studie präsentieren, in der die Herausforderungen der Umsetzung sowie die Potenziale des Gesetzes erarbeitet und systematisiert werden. Im Ergebnis konnten elf Handlungsempfehlungen identifiziert und skizziert werden, deren Umsetzung das deutsche E-Government forcieren und damit Kosten senken, Dienstleistungen verbessern und so Nutzen für Verwaltungen, Bürger und Unternehmen stiften würde.

Weiteres wichtiges Ergebnis der Studie ist, dass Akteure mit klarem Handlungsauftrag essenziell für die Umsetzung und Potenzialhebung sind. Zentraler Akteur zur Umsetzung des E-Govenment-Gesetzes ist im Ergebnis der Studie der IT-Planungsrat (IT-PLR). Als Gremium, welches die Bundes- und die Landesebene verbindet, kann er Ebenen übergreifend, aber auch harmonisierend arbeiten.


Entsprechende Projektvorhaben voraussetzend, könnte der IT-PLR auch die kommunale Ebene als weitere föderale Ebene nutzenstiftend einbinden. Dies muss allerdings einhergehen mit der Schaffung eines organisatorischen Unterbaus sowie der Ausstattung des IT-PLR mit entsprechenden Budgets.

Vision eines starken E-Government für Deutschland

Aufbauend auf Strategiedokumenten des Bundes und der Länder, aber auch mit einer internationalen Perspektive wurde in der Studie zur Potenzialanalyse des E-Government-Gesetzes die Vision eines starken im Sinne eines nahtlosen, nutzerorientierten, vertrauenswürdigen und offenen E-Governments in Deutschland entworfen, welches großes Potenzial für Effizienzgewinne in der Verwaltung bietet. Dies ermöglichte es, die in der Studie abgeleiteten Handlungsempfehlungen auf eine höhere, nicht der reinen Technik verschriebenen, Ebene zu transferieren. Unter einem nahtlosen E-Government wird an dieser Stelle ein durchgängiges und aus Bürger-, Unternehmens- und Verwaltungssicht medienbruchfreies E-Government verstanden. Die Einführung von E-Government ist kein Selbstzweck. Es sollte stets Zielen wie dem Bürokratiekostenabbau, der Serviceverbesserung oder der Ablaufoptimierung dienen und damit den Nutzer der Dienstleistungen in den Fokus nehmen. Für den Nutzer prägt sich ein gutes E-Government in Faktoren wie Barrierefreiheit, Personalisierung des Dienstes oder Effizienz aus. Vertrauenswürdig ist ein elektronisches Verwaltungsangebot, wenn es den Datenschutz sicherstellt, nach den Prinzipien der Datensparsamkeit arbeitet und die Sicherheit von Daten und Transaktionen gewährleistet. Offen ist elektronisches Verwaltungshandeln, wenn es sowohl Kontrolle als auch Beteiligung der Bürger ermöglicht. Hierzu muss E-Government partizipativ und kollaborativ sowie transparent sein.

Fünf Schlüsseltechnologien als Umsetzungsindikatoren

Basis für die Strukturierung und Bewertung des Potenzials des Gesetzes waren im Kern zwei Grundlagen. Neben der Operationalisierung des Gesetzes und seiner Motornormen selbst wurde die Methodik des EU eGovernment Benchmark analysiert, um fünf sogenannte Schlüsseltechnologien abzuleiten. Diese Schlüsseltechnologien können aufbauend auf diesen Elementen als operative Kernfaktoren für Effizienzgewinne in deutschen Verwaltungen gesehen werden. Sie umfassen technische, rechtliche, aber auch verwaltungsprozessuale Aspekte. Namentlich sind die digitale Dokumentenverwaltung, eine sichere elektronische Kommunikation, die elektronische Identität, Dienstleistungstransparenz sowie elektronische Bezahlmöglichkeiten diejenigen Schlüsseltechnologien, welche zu schlankeren, schnelleren, mehr bürger- und unternehmerorientierten Dienstleistungen beitragen sollen, aber auch verwaltungsintern Potenziale für die Serviceverbesserung bieten.

Status-quo-Betrachtung und Identifikation von Schwächen in der Umsetzung

Diese breiten Grundlagen nutzend, wurden nationale und internationale Praxisbeispiele recherchiert, um eine Einschätzung der derzeitigen Verbreitung der Schlüsseltechnologien definieren zu können. Diese Sammlung hat nicht zum Ziel, Projekte und Serviceangebote zu bewerten oder in ein Ranking zu überführen. Vielmehr wurden die Ergebnisse inhaltlich reflektiert, um Erfolgsfaktoren und Probleme zusammenzutragen und diese gegen ein Zielszenario zu spiegeln. In Summe wurden 43 Projektbeispiele (28 nationale und 15 internationale Beispiele) erfasst. Nach einer Online-Recherche im ersten Schritt wurden die Ergebnisse durch Telefoninterviews und schriftlichen Abgleich der Projektskizzen mit den Projektansprechpartnern vervollständigt und verifiziert. Hierbei wurden viele hilfreiche Anregungen zusammengetragen, aber auch Probleme identifiziert. Diese wurden entlang der vier Dimensionen eines starken E-Government systematisiert.

  • Fehlende Nahtlosigkeit: Die identifizierten Projekte und Services weisen eine hohe Heterogenität in Darstellung, Bedienung und Umfang auf. Zumeist ist eine IT-Unterstützung nicht durchgängig gegeben, Medienbrüche sind oftmals noch der Alltag. Dies betrifft auch und insbesondere die elektronische Identifizierung. Informationen zu den Dienstleistungen können in vielen Fällen nicht rechtsverbindlich elektronisch abgerufen werden. Häufig, aber nicht ausschließlich liegen diese Probleme in fehlenden technischen Voraussetzungen auf Kundenseite begründet.
  • Fehlende Nutzerorientierung: Die Nutzung von elektronischen Verwaltungsdienstleistungen ist oftmals kompliziert, mobile Lösungen sind kaum oder gar nicht vorhanden. Viele Projektansprechpartner gaben an, dass digitale Dienstleistungen nur wenig genutzt werden, es aber auch nicht klar sei, woran das genau liege. Es kann somit ein Mangel an systematischer Evaluation ausgemacht werden. Aus Nutzersicht kommt oftmals hinzu, dass die digitale Dienstleistung als kompliziert empfunden wird. In Summe wird somit der Mehrwert in Frage gestellt. Spätestens dann sind Nutzer nicht bereit, auf der eigenen Seite in die nötige Infrastruktur zu investieren, bzw. werden die nötigen Investitionen als zu hoch empfunden.
  • Mangelndes Vertrauen: Oftmals wurde beschrieben, dass Informationsportale für die digital angebotenen Dienstleistungen nicht vollständig sind oder die Informationen auf einem veralteten Stand sind. Dies mindert natürlich das Vertrauen in die Verwaltung. Verstärkt wird dies durch komplizierte und teilweise für den Nutzer nicht nachvollziehbare Verfahrensschritte, wie dies exemplarisch bei der Prüfung der Echtheit von Dokumenten und Urkunden der Fall ist. Insbesondere die deutschen Bürgerinnen und Bürger sind skeptisch, wenn es um die Bereitstellung von eigenen, sensiblen Daten im Verwaltungskontext geht. Schlussendlich tragen auch gesetzliche Hürden wie das Schriftformerfordernis dazu bei, dass diese Unsicherheit nicht nur auf Seiten der Bürger, sondern auch auf Seiten der Verwaltung besteht. Verwaltungen sind sich oftmals nicht sicher, welche Dienstleistungen bis zu welchem Umfang sie vollständig digital abwickeln können. Diese Gemengelage führt dazu, dass die Verwaltungen teilweise nicht in der Lage sind, den Bürgern und den Unternehmen zu erklären, warum E-Government-Dienste sinnvollerweise genutzt werden sollten.
  • Fehlende Offenheit: Die Bekanntheit von E-Government-Angeboten ist häufig gering, allerdings Voraussetzung jeglicher Nutzung. An die Verwaltung adressierte Informationen und Daten stehen selten über Online-Portale zur nachträglichen Einsicht oder Bearbeitung zur Verfügung. Bürger und Unternehmen haben also keine Möglichkeit, den Stand eines Verfahrens einsehen zu können, wie man es an vielen anderen Stellen gewohnt ist.

Handlungsempfehlungen zur Überwindung der Schwächen

Aus den zusammengetragenen Schwachstellen konnten elf Handlungsempfehlungen abgeleitet werden, die dazu beitragen sollen, die vier Gestaltungsziele für ein starkes E-Government zu erreichen, das E-Government-Gesetz adäquat umzusetzen, Deutschland insgesamt in der E-Government-Umsetzung voranzubringen und dadurch zu geringerer Bürokratie und mehr Effizienz beizutragen:

  • Zentrale und standardisierte Portallösungen, auf Lebenslagen bezogene, digitalisierte Prozesse und die Übertragung der Prinzipien des E-Government-Gesetzes in Ländergesetze forcieren ein nahtloses E-Government, welches die Bürger und Unternehmen bei der aufwandsarmen Dienstleistungswahrnehmung unterstützt.
  • Eine zielgruppenspezifische Ansprache der Bürger und Unternehmen als Verwaltungskunden, angemessene Preise, die als sinnvolle Investition empfunden werden, sowie die Zielgruppenfokussierung bei der Diensteentwicklung, verbunden mit der Beachtung von Usability-Aspekten unterstützen ein nutzerorientiertes E-Government.
  • Rechtssicherheit und klare rechtliche Rahmenbedingungen, eine konsequent transparente Datenverarbeitung sowie Schulung der Verwaltungsmitarbeiter, damit diese die Bürger ebenso umfassend wie zielgerichtet informieren können, tragen zu einem sicheren E-Government bei.
  • Schlussendlich ist eine kontinuierliche, systematische Weiterentwicklung der Dienste nötig, um ein offenes E-Government zu erreichen. Der Aufbau einer zentralen Best-Practice-Datenbank hilft bei der Bekanntmachung von Angeboten und führt damit konsequenterweise zur Verbreitung und Wiederverwendung von bestehenden Lösungen. Diese Wiederverwendung fördert die Harmonisierung von Angeboten und damit die Wiedererkennung bei den Nutzern. Darüber hinaus steigert dies die effziente Umsetzung von E-Government und spart Einführungskosten, da auf bestehende Erfahrungen zurückgegriffen werden kann.

Für die Umsetzung der Handlungsempfehlungen relevante Akteure

Handlungsempfehlungen allein führen noch nicht zur Verbesserung des Status quo. Für die konsequente Umsetzung benötigt es Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten. In der Gesamtschau konnten der IT-Planungsrat, der Normenkontrollrat, das Bundesministerium des Innern, zuständige Fachministerrunden, aber auch wissenschaftliche Institutionen identifiziert werden. Das NEGZ als nationales Kompetenzzentrum, welches Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltungsperspektive in sich vereint, kann als bereits bestehender Multiplikator den IT-Planungsrat und die anderen genannten Akteure direkt unterstützen. Mit seinen drei Säulen „NEGZ-Denkfabrik” zur Erforschung von Entwicklungsperspektiven und Lösungsstrategien, „NEGZ-Projektträger” zur Projektkoordination und „NEGZ-Bildungsplattform” zur Entwicklung offener E-Government-Lehrangebote bietet es hierzu eine breite Plattform.

Um diese Handlungsempfehlungen effizient umsetzen zu können, sollte der IT-Planungsrat eine zentrale Rolle einnehmen. Er steuert bereits jetzt die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der Informationstechnik, kann aktuell aber kapazitativ noch nicht die hierfür nötige Breitenwirkung entfalten.

Bund und Länder haben ihre Zusammenarbeit der IT in einem Staatsvertrag geregelt und hierin den IT-Planungsrat gegründet. Bereits jetzt liegen seine Aufgaben in der Koordination der Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Fragen der Informationstechnik und in der Verabschiedung von fachunabhängigen und fachübergreifenden IT-Interoperabilitäts- und IT-Sicherheitsstandards. Der IT-Planungsrat initiiert und steuert Projekte und betreibt Anwendungen, die der öffentlichen Verwaltung zur Verfügung gestellt werden. Als konsequente Fortführung aktueller Arbeit muss auch die kommunale Ebene mit in die Projektinitiativen einbezogen werden. Allerdings würde dies den IT-Planungsrat in seinem jetzigen Aufbau überfordern. Essenziell für die Übertragung der Verantwortung für die Umsetzung der skizzierten Empfehlungen ist die Schaffung eines organisatorischen Unterbaus als operative Ebene. Es ist dringend erforderlich, entsprechende Budgets bereitzustellen, um den Planungsrat handlungsfähig zu machen.

Hintergrund der Studie „Potenzialanalyse des E-Government-Gesetzes”

Die Studie „Potenzialanalyse des E-Government-Gesetzes” wurde durch das NEGZ im Auftrag des Bundesinnenministeriums erarbeitet. Aus den Reihen des NEGZ waren Forscherinnen und Forscher der Hertie School of Governance Berlin bzw. Universität Siegen (Arbeitsgruppe Prof. Dr. Dr. Björn Niehaves), der Technischen Universität München (Arbeitsgruppe Prof. Dr. Helmut Krcmar) und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (Arbeitsgruppe Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Becker) beteiligt. Die Studie ist unter www.negz.org zum Abruf verfügbar.

Hinweis der Redaktion: Die Ergebnisse der Studie hatte der Autor am 5. November 2014 bei der ersten Herbsttagung des Nationalen E-Government Kompetenzzentrums e.V. (NEGZ) vorgestellt. In der Bayerischen Vertretung in Berlin diskutierten 75 hochrangige Experten aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft über aktuelle Handlungsschwerpunkte, Potenziale sowie Herausforderungen des E-Governments (siehe dazu auch den Veranstaltungsbericht in PUBLICUS 2014.12, S. 33 und den Beitrag von Rogall-Grothe, in: PUBLICUS 2014.10, S.7 ff.).

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