15.01.2015

BVerfG stärkt Optionskommunen erneut

Die Kernaussagen des Bundesverfassungsgerichts-Urteils im Überblick

BVerfG stärkt Optionskommunen erneut

Die Kernaussagen des Bundesverfassungsgerichts-Urteils im Überblick

Kleine Stärkung: Bundesverfassungsgericht ermöglicht Zulassung von Optionskommunen über die Marge von 25 %.|© fotomek - Fotolia
Kleine Stärkung: Bundesverfassungsgericht ermöglicht Zulassung von Optionskommunen über die Marge von 25 %.|© fotomek - Fotolia

Mit seinem Urteil vom 07. 10. 2014 (2 BvR 1641/11) hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Stellung der Optionskommunen erneut gestärkt und folgende Kernaussagen getroffen:

Beschränkung des Optionskontingents

  • Aus Art. 91 e Abs. 2 GG lässt sich keine konkrete Zahl möglicher Optionskommunen ableiten. Es besteht kein Anspruch unmittelbar aus dem Grundgesetz, als Optionskommune zugelassen zu werden.
  • Aber: Im Rahmen des Regel-Ausnahme-Verhältnisses von gemeinsamen Einrichtungen und Optionskommunen ist der Gesetzgeber grundsätzlich frei, die Zahl der Optionskommunen politisch festzusetzen und über 25 % der kommunalen Träger hinauszugehen. Dazu bedarf es allerdings eines Verfahrens, das eine transparente und nachvollziehbare Verteilungs- und Zulassungsentscheidung sicherstellt.

Kommentierung:

Politisch und infolgedessen auch rechtlich muss anerkannt werden, dass Landkreise im Interesse ihrer Kreisbevölkerung bereit sind, Verantwortung in diesem schwierigen Handlungsfeld zu übernehmen. Der Gesetzgeber sollte daher zumindest denjenigen Kommunen die Optionsmöglichkeit eröffnen, die vom Land bereits im Jahre 2010 als geeignet befunden worden sind und nur wegen des beschränkten Kontingents nicht zum Zuge kamen.


Zwei-Drittel-Quorum für den Kreistagsbeschluss verfassungswidrig

  • Quoren für Kreistags- und Stadtratsbeschlüsse sind eine Materie des Kommunalverfassungsrechts, die in der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder liegt. Art. 91 e Abs. 3 GG erstreckt sich nicht auf die Art und Weise der internen Willensbildung der Kommunen. Er will nichts an der Verteilung der Sachgesetzgebungszuständigkeiten durch die Art. 70 ff. GG ändern.
  • Die Regelung ist verfassungswidrig, aber nicht nichtig. Sie gilt für bestehende Zulassungen fort und darf in neuen Zulassungsverfahren nicht mehr angewandt werden.

Kommentierung:

Bleibt das Optionskontingent auf 25 % beschränkt, wird es keine weiteren Zulassungen geben. Heute optieren ca. 26 % der kommunalen Träger. Sie unterliegen sämtlich dem Bestandsschutz.

Die verfassungswidrige Regelung im SGB II ist aufzuheben. Bei dieser Gelegenheit sollte denjenigen Kommunen die Optionsmöglichkeit eröffnet werden, die vom Land bereits als geeignet befunden worden sind und nur wegen des beschränkten Kontingents nicht zum Zuge kamen.

Einschränkung der Prüfrechte des Bundes

  • Art. 91 e GG verdrängt in seinem Anwendungsbereich Art. 83 ff. und Art. 104 a GG:
    • Art. 91 e Abs. 1 GG durchbricht das grundsätzliche Verbot der Mischverwaltung und das Verbot einer bundesgesetzlichen Aufgabenübertragung nach Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG.
    • Art. 91 e Abs. 2 GG stellt unmittelbare Finanz- und Verwaltungsbeziehungen zwischen Bund und Optionskommunen her und durchbricht damit punktuell die Zweistufigkeit des Staatsaufbaus.
    • Art. 91 e Abs. 2 S. 2 GG, wonach der Bund die Kosten der Option trägt, und zwar sowohl Leistungsausgaben als auch Verwaltungskosten, stellt eine Abweichung von Art. 104 a Abs. 1, 3 und 5 GG dar. Da in Art. 104 a Abs. 5 GG nur der erste Halbsatz von S. 1 die Kostentragung regelt, ist nur dieser gemeint.

     

  • Der Bund darf
    • öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche geltend machen und diese im Wege der Verrechnung durchsetzen;
    • die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsgemäßheit der verausgabten Bundesmittel anhand der vorgelegten Jahresabschlussrechnung prüfen und dabei auch die Gesetzmäßigkeit der Ausgaben kontrollieren;
    • zu diesem Zweck Informationen vor Ort erheben und auch ohne konkreten Anlass Prüfungen durchführen.

     

  • Der Bund darf nicht
    • vertretbare Rechtsauffassungen der Optionskommunen beanstanden und auf dieser Grundlage Mittel vorenthalten oder Erstattungsansprüche durchsetzen;
    • einzelne Optionskommunen vom HKR-Verfahren ausschließen. Das Verfahren dient dazu, eine Vorfinanzierung durch die Optionskommunen zu vermeiden. Da ein Ausschluss für die Kommune erhebliche wirtschaftliche Belastungen und Risiken mit sich brächte und insoweit Sanktionscharakter besäße, ist er vom Gesetz nicht gedeckt. Sanktionen sind kennzeichnend für die Aufsicht, zu der Art. 91 e Abs. 2 S. 2 GG den Bundesgesetzgeber gerade nicht ermächtigt.
    • Die Prüfungen haben weder rechtlich noch faktisch aufsichtsgleiche Wirkung. Sie dienen nicht der Rückkoppelung des Gesetzesvollzugs an die Absichten des Gesetzgebers und insbesondere nicht der Gewährleistung eines grundsätzlich einheitlichen Gesetzesvollzugs.

     

Kommentierung:

Der Bund kann nur mit Bezug zur Jahresabschlussrechnung prüfen. Unterjährige Abfragen sind nicht möglich. Ebenso sind flächendeckende Abfragen bei allen Optionskommunen unzulässig, da es explizit nicht um einen einheitlichen Gesetzesvollzug geht.

Schlussfolgerungen für öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche

Es gibt folgende Konstellationen:

  • Rechtmäßiges Handeln (vertretbare Rechtsauffassungen). Hier besteht kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch.
  • Fehlerhaftes Handeln:
    • fahrlässig. Hier besteht ebenfalls kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch;
    • grob fahrlässig oder vorsätzlich. Ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch kommt in analoger Anwendung der Haftungskernrechtsprechung zu Art. 104 a Abs. 5 GG (BSG: Kommunen können nicht stärker haften als Länder) auf der Grundlage von § 6 b Abs. 5 SGB II in Betracht.
    • Damit darf der Bund keine verschuldungsunabhängigen Haftungsansprüche erheben. Erklärte man Art. 104a Abs. 5 GG insgesamt für verdrängt, bestünde selbst bei grob fahrlässigem oder vorsätzlichem fehlerhaften Handeln kein Anspruch gemäß § 6 b Abs. 5 SGB II.
 

Prof. Dr. Hans-Günter Henneke

Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Deutschen Landkreistages, Berlin
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