10.08.2013

Rücklage für Sanierungen!

Bayerisches KAG: Abschreibung von Wiederbeschaffungszeitwerten

Rücklage für Sanierungen!

Bayerisches KAG: Abschreibung von Wiederbeschaffungszeitwerten

Mehr Spielraum bei Abschreibungen von Wasserversorgungs- und Entwässerungseinrichtungen. | © viperagp - Fotolia
Mehr Spielraum bei Abschreibungen von Wasserversorgungs- und Entwässerungseinrichtungen. | © viperagp - Fotolia

Bei den kostenrechnenden Einrichtungen soll das Gebührenaufkommen die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten decken. Hierzu zählen gemäß Art. 8 Abs. 3 Bayerisches Kommunalabgabengesetz (KAG) auch angemessene Abschreibungen von den Anschaffungs- und Herstellungskosten. Mit der aktuellen Änderung des KAG wird den Einrichtungsträgern ermöglicht, alternativ von Wiederbeschaffungszeitwerten abzuschreiben, mit der Folge, dass sie Rücklagen für künftige Sanierungen ansparen können.

Sanierungsstau bei Einrichtungen der Wasserversorgung und Entwässerung

Nach bisheriger Rechtslage konnten Träger kommunaler Wasserversorgungs- und Entwässerungseinrichtungen bei der Gebührenfinanzierung für diese kostendeckenden Bereiche kaum finanzielle Reserven für künftig entstehenden Kostenaufwand bilden. In die Kalkulation der Benutzungsgebühren durften nach Art. 8 Abs. 3 Satz 1 und 3 KAG lediglich die Abschreibungen von den Anschaffungs- und Herstellungskosten einfließen, die nicht bereits über Beiträge oder sonstige Entgelte gedeckt sind. Die Gebühreneinnahmen orientierten sich eher an den Kosten der Vergangenheit als nach den aktuellen oder künftigen Kosten. Demgegenüber sind viele Gemeinden mit hohen Aufwendungen für dringend notwendige Sanierungen von Anlagen zur Wasserversorgung und Entwässerung konfrontiert.

Wahlrecht zur Abschreibung von Wiederbeschaffungszeitwerten

Um den Handlungsspielraum der Einrichtungsträger zu erweitern, wird ihnen durch die Anpassung des Art. 8 Abs. 3 KAG die Möglichkeit an die Hand gegeben, die Abschreibungen von den Anschaffungs- und Herstellungskosten oder neuerdings von den jeweiligen Wiederbeschaffungszeitwerten zu berechnen. Während der Abzug von Beiträgen und ähnlichen Entgelten bei beiden Abschreibungsmethoden angeordnet ist, können die Anschaffungs- und Herstellungskosten bzw. die Wiederbeschaffungszeitwerte bei der Bemessung der Abschreibungen um Zuwendungen gekürzt werden, müssen es aber nicht.


Mehrerlöse, die sich aus einer Abschreibung von Wiederbeschaffungszeitwerten gegenüber einer Abschreibung von Anschaffungs- und Herstellungskosten oder dadurch ergeben, dass Zuwendungen nicht in Abzug gebracht werden, sind der Einrichtung nach dem neuen § 8 Abs. 3 Satz 4 KAG einschließlich einer angemessenen Verzinsung wieder zuzuführen.

Indem weiterhin eine Gebührenbemessung nach dem Anschaffungs- und Herstellungskostenprinzip zugelassen ist, werden Einrichtungsträger, die über ausreichend finanzielle Mittel verfügen, um künftige Sanierungen durchzuführen, nicht zu abschreibungsbedingten Gebührenerhöhungen gezwungen. Die Bildung von finanziellen Reserven ist vielmehr freiwillig und den kalkulierenden Personen freigestellt. Zwischen den beiden Abschreibungsmethoden kann problemlos zu Beginn eines jeden neuen Kalkulationszeitraumes gewechselt werden. Ein Stetigkeitsgebot gilt insoweit nicht. Ebenso zulässig ist eine Festlegung unterschiedlicher Abschreibungsmethoden für Teileinrichtungen (LT-Drs. 16/15922, 4).

Der bayerische Gesetzgeber verspricht sich vom Wahlrecht, die Abschreibung nach den Wiederbeschaffungszeitwerten zu berechnen, dass die erforderlichen (Investitions- und) Sanierungsmaßnahmen zeitnah durchgeführt und nicht aus Furcht vor massiven Gebührenerhöhungen hinausgeschoben werden. Daneben sollen durch ein angespartes Finanzpolster insbesondere bei kostenintensiven Maßnahmen hohe Gebührensteigerungen vermieden oder zumindest reduziert werden, womit sich das Gebührenaufkommen insgesamt verstetigt.

Wiederbeschaffungszeitwerte als Maßstab

Der Begriff „Wiederbeschaffungszeitwert“ kennzeichnet den Betrag, um den ein Anlagegut gegenwärtig neu zu erwerben wäre. Entsprechend der allgemeinen Preissteigerungen ist der Wiederbeschaffungszeitwert i.d.R. höher als die historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten. Dies gilt erst recht bei Anlagegütern wie Leitungsnetzen oder Kanälen, die vor Jahrzehnten angeschafft wurden. Beträgt die durchschnittliche Inflationsrate z. B. 2 % für das betreffende Sanierungsobjekt, welches vor 40 Jahren für 100.000 Euro erworben wurde, errechnet sich ein Wiederbeschaffungszeitwert von rund 220.000 Euro. Angesichts solcher Bewertungsunterschiede liegt ein stetig steigendes Ansparvolumen infolge einer Abschreibung von Zeitwerten auf der Hand. Der Landesgesetzgeber (LT-Drs. 16/15922, 4) empfiehlt zur Ermittlung der Wiederbeschaffungszeitwerte bei Entwässerungseinrichtungen, aber auch bei Wasserversorgungsunternehmen, die Heranziehung des Arbeitsblattes DWA-A 133 „Wertermittlung von Abwasseranlagen – Systematische Erfassung, Bewertung und Fortschreibung“ der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V.

Keine tragfähigen Alternativen

Die jetzige Änderung des KAG geht auf einen Antrag der Regierungsfraktionen im Jahr 2010 (LT-Drs. 16/6915) bzw. auf einen Beschluss des Landtages im Jahr 2011 (LT-Drs. 16/8008) zurück, wonach die Staatsregierung zur Prüfung aufgefordert wurde, „ob gesetzgeberischer Handlungsbedarf für die Bildung von zweckgebundenen ‚Rückstellungen‘ zur Finanzierung von wirtschaftlich vernünftigen Sanierungs- und Verbesserungsmaßnahmen der örtlichen Abwasserentsorgung besteht“.

Mit Bericht an den Landtag vom 19. 7. 2011 hat das Staatsministerium des Innern vier denkbare Lösungsmöglichkeiten dargestellt, nämlich eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage (Variante 1), einen prozentualen Gebührenzuschlag (Variante 2), angemessene Rückstellungen (Variante 3) und schließlich die Abschreibung von Wiederbeschaffungszeitwerten (Variante 4), wie sie auch in anderen Bundesländern geregelt ist. Die Varianten 1 bis 3 erschienen dem Gesetzgeber (LT-Drs. 16/15922, 4) allerdings insofern ungeeignet, als das Ansparvolumen im Wesentlichen abhängig ist vom Ausmaß einer vorherigen Beitragsfinanzierung (Variante 1) bzw. die Bemessungsgrundlagen nicht in einem direkten Sachzusammenhang mit dem künftigen Investitionsbedarf stehen und folglich in jedem Einzelfall sicherzustellen wäre, dass es nicht zu ungerechtfertigten Ansparungen kommt (Varianten 2 und 3).

Keine Eingrenzung auf bestimmte Einrichtungen

Wie in der Gesetzesbegründung ausdrücklich erwähnt, beschränkt sich die Möglichkeit einer Abschreibung von Wiederbeschaffungszeitwerten nicht auf Einrichtungen der Wasserversorgung und Entwässerung. Zwar wird in erster Linie das öffentliche sanierungsbedürftige Leitungsnetz durch die ansparenden Rücklagen profitieren, gleichwohl ist auch bei anderen Einrichtungen Bedarf für eine Abschreibung von Wiederbeschaffungszeitwerten zu erkennen.

Folgen für die Praxis

Für die kostenrechnenden Einrichtungen zieht die Wahl der Abschreibung von Wiederbeschaffungszeitwerten einen höheren Verwaltungsaufwand nach sich. Neben einem Anlagennachweis, der z. B. nach der Eigenbetriebsverordnung aufzustellen ist und die historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten enthalten muss, wird für Kalkulationszwecke ein eigener Anlagennachweis vorausgesetzt, aus dem die aktuellen Zeitwerte aller Anlagegüter hervorgehen. Dies macht teils zeitaufwändige Recherchen und Preisabfragen bei (potentiellen) Lieferanten notwendig. Dass kleinere und mittlere Aufgabenträger den neu geschaffenen Spielraum nicht nutzen werden, wie es der Bayerische Gemeindetag in der Pressemitteilung vom 06. 03. 2013 befürchtet, bleibt erst abzuwarten. Jedenfalls steht den Kommunen gegenüber den definitiven Anschaffungs- und Herstellungskosten ein größerer Spielraum hinsichtlich der Preisfindung und Bewertung einzelner Anlagen zu Zeitwerten zu.

 

Martin Kronawitter

Dipl.-Bw. (FH) / Dipl.-Vw. / Dipl.-Hdl., Untergriesbach
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