10.08.2013

Die 8. GWB-Novelle

Was sich für Bund, Länder und Kommunen ändert (und was nicht!)

Die 8. GWB-Novelle

Was sich für Bund, Länder und Kommunen ändert (und was nicht!)

Öffentlich-rechtliche Gebühren unterliegen nicht der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle. | © INFINITY - Fotolia
Öffentlich-rechtliche Gebühren unterliegen nicht der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle. | © INFINITY - Fotolia

Die seit über zwei Jahren vorbereitete Neufassung des deutschen Kartellrechts, weithin bekannt als 8. GWB-Novelle, wäre beinahe auf den letzten Metern gescheitert. Im Vermittlungsausschuss wurde kontrovers diskutiert, ob öffentlich-rechtliche Gebühren ausdrücklich von der Anwendung der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle ausgeschlossen werden sollen. Vorangegangen war eine zunehmende Ausdehnung kartellbehördlicher Ermittlungen wegen angeblich überhöhter Wasserpreise. Der Bundesgerichtshof hatte zuletzt offengelassen, ob auch die Höhe öffentlich-rechtlicher Gebühren einer kartellbehördlichen Prüfung zugänglich ist (BGH, Beschl. v. 18. 10. 2011, KVR 9/11 – Niederbarnimer Wasserverband). Zumindest diese Frage ist durch die gesetzliche Neuregelung von § 130 Abs. 1 Satz 2 GWB geklärt: Auf öffentlich-rechtliche Gebühren und Beiträge findet das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung nach nationalem Recht keine Anwendung. Der deutsche Gesetzgeber rückt damit die ehemals klaren Verhältnisse wieder gerade: Gebühren als Ausgleich für die Erbringung hoheitlicher Leistungen fallen nicht ins Kartellrecht, während die Preishöhe in privatrechtlichen Leistungsbeziehungen der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle unterliegt. Das neue deutsche Kartellrecht ist seit dem 30. Juni 2013 in Kraft.

Rechtsklarheit: Keine Kontrolle des Bundeskartellamts über Gebühren

Die Befürchtung kommunaler Wasserversorger, dass die Landeskartellbehörden oder das Bundeskartellamt ihre Wassergebühren einer eingehenden Effizienzkontrolle unterziehen könnten, ist vom Tisch. Wassergebühren sind somit grundsätzlich nur am kommunalen Abgabenrecht zu messen, wofür die Kommunalaufsicht zuständig ist. Eine weitergehende rechtliche Kontrolle erfolgt durch die Verwaltungsgerichte. Dort können Gebührensatzungen mit dem Argument angegriffen werden, dass das Äquivalenzprinzip, also der Grundsatz der Ausgewogenheit der Gebühren im Einzelfall, gröblich verletzt ist (grundlegend BVerwG, Urt. v. 24. 3. 1961, VII C 109.60). Das im Kartellrecht vorherrschende Vergleichsmarktprinzip, d. h. der Vergleich mit der Preishöhe anderer Wasserversorger, findet keine Anwendung. Maßgeblich ist allein, ob die Gebührenhöhe in einem nachvollziehbaren Verhältnis zu den tatsächlichen Kosten der Leistungserbringung steht. Der Nachweis einer willkürlichen Überschreitung des behördlichen Gestaltungsspielraums gestaltet sich somit weitaus schwieriger als im Kartellrecht.

Anreize zur Rekommunalisierung – Risiken bleiben

Für öffentlich-rechtliche Einrichtungen mit unternehmerischer Tätigkeit, die sich der strengen Kontrolle der Kartellbehörden entziehen wollen, besteht daher auf den ersten Blick ein erheblicher Anreiz zu einer (Re-)Verstaatlichung ihrer Rechtsverhältnisse. Zur Verringerung der Kontrolldichte liegt es nahe, bislang privatrechtlich ausgestaltete Leistungsbeziehungen in öffentlich-rechtliche Gebühren- und Abgabenverhältnisse umzuwandeln. Denn der Ausschluss der Preismissbrauchskontrolle durch die nationalen Kartellbehörden gilt umfassend – und somit nicht nur für Wassergebühren, sondern auch für Straßenreinigungsgebühren, die Autobahnmaut oder Start- und Landegebühren an Flughäfen.


Vor verfrühter Freude über den Wegfall der Gebührenkontrolle sei allerdings ebenso gewarnt wie vor der Behauptung einer angeblich drohenden Ausbeutung der Verbraucher durch staatliche Monopole. Einer überzogenen Gebührenerhebung steht schon die verwaltungsgerichtliche Inzidentkontrolle entgegen. Im Übrigen ist auch keineswegs sichergestellt, dass Gebühren und Beiträge vollumfänglich der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle entzogen sind. Eine wichtige „Ausnahme von der Ausnahme“ enthält § 31 Abs. 3 GWB. Hiernach dürfen horizontale Vereinbarungen mit anderen Wasserversorgern oder Gebietskörperschaften nicht zu einem Marktmachtmissbrauch gegenüber Abnehmern führen. Diese Regelung ist nicht von der Tatbestandsausnahme des § 130 Abs. 1 Satz 2 GWB umfasst.

Europäisches Kartellrecht bleibt unberührt

Unliebsame Überraschungen drohen auch, falls sich das Bundeskartellamt entschließen sollte, für künftige Ermittlungen die Vorschriften des europäischen Kartellrechts heranzuziehen. Den nationalen Kartellbehörden steht es nach Art. 3 Abs. 1 VO 1/2003 offen, bei Sachverhalten mit Zwischenstaatlichkeitsbezug auch das Europäische Kartellrecht anzuwenden. Ausgeschlossen ist dies nur, wenn es an einer spürbaren Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels fehlt. Dies ist nach der Bekanntmachung 2004/C 101/07 der Europäischen Kommission bei vertikalen Beschränkungen jedenfalls dann der Fall, wenn der Lieferant einen Jahresumsatz von unter 40 Mio. Euro aufweist und sein Marktanteil 5 % nicht überschreitet. Nur dann kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass Gebühren und Beiträge der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle auch unter europäischem Blickwinkel entzogen sind.

In allen anderen Fällen, in denen Unternehmen aus anderen EU-Mitgliedstaaten als potentielle Wettbewerber in Betracht kommen, ist ein Zwischenstaatlichkeitsbezug gegeben. Zwar sollen auch hier die kartellrechtlichen Vorschriften nicht für hoheitliche Maßnahmen gelten. Allerdings reicht die hoheitliche Erhebung von Gebühren und Beiträgen für sich genommen nicht aus, um auch die zugrundeliegende Leistungserbringung als „hoheitlich“ im europarechtlichen Sinne zu qualifizieren. Maßgeblich ist nach der Rechtsprechung des EuGH vielmehr, ob die öffentlich-rechtliche Leistungserbringung mit der Ausübung von Befugnissen zusammenhängt, die „typischerweise“ hoheitlicher Natur sind (EuGH, Urt. v. 19. 1. 1994, Rs. C-364/92 – SAT Fluggesellschaft). Gerade hinsichtlich der Trinkwasserversorgung in den einzelnen Bundesländern ist eine eindeutige Einordnung in diese Kategorien auf Basis der gegenwärtigen Gesetzeslage aber nicht möglich.

Weitergehende kartellrechtliche Privilegierung der öffentlichen Hand

Die Neuregelung des § 130 Abs. 1 Satz 2 GWB im Zuge der 8. GWB-Novelle stellt klar, dass die Kontrolle öffentlich-rechtlicher Gebühren und Beiträge jedenfalls vom deutschen Kartellrecht weitgehend ausgenommen ist. Rechtssicherheit, dass Gebühren und Beiträgen auch nicht der Missbrauchskontrolle nach Europäischem Kartellrecht unterliegen, bietet die Regelung hingegen nicht. Dennoch kann sich die öffentliche Hand als Sieger des Gerangels im Vermittlungsausschuss um kartellrechtliche Privilegierungen fühlen. Denn eine weitere gesetzliche Ausnahme für kommunale Unternehmen wurde in § 35 Abs. 2 Satz 2 GWB aufgenommen.

Danach finden die nationalen Fusionskontrollvorschriften künftig keine Anwendung mehr auf Zusammenschlüsse öffentlicher Unternehmen, wenn diese auf kommunalen Gebietsreformen beruhen. Dadurch entfällt das Erfordernis einer Genehmigung des Zusammenschlusses durch das Bundeskartellamt, so etwa im Fall von Krankenhausfusionen oder der Zusammenlegung mehrerer Stadtwerke als Folge einer kommunalen Gebietsreform. Eine Untersagung des Zusammenschlusses kommt dann nicht in Betracht – und zwar auch nicht bei Überschreiten eines Marktanteils des fusionierten Unternehmens von 40 % oder anderweitiger Anhaltspunkte für das Entstehen einer marktbeherrschenden Stellung. Solche Fälle sind zwar bislang nur vereinzelt vom Bundeskartellamt behandelt worden. Angesichts des Bevölkerungsrückgangs dürften sie aber zunehmen. Letztlich geht es darum, künftige kommunale Gebietsreformen unbelastet von unangenehmen kartellrechtlichen Folgewirkungen umsetzen zu können.

 

Dr. Stefan Meßmer

Rechtsanwalt und Partner,
Menold Bezler Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Stuttgart
 

Dr. Jochen Bernhard

Rechtsanwalt, Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart
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