15.01.2014

Praxis des Vergaberechts

Teil 2: Durchführung des Vergabeverfahrens

Praxis des Vergaberechts

Teil 2: Durchführung des Vergabeverfahrens

Auf Basis der veröffentlichten Zuschlagskriterien erhält das wirtschaftlichste Angebot den Zuschlag. | © electriceye - Fotolia
Auf Basis der veröffentlichten Zuschlagskriterien erhält das wirtschaftlichste Angebot den Zuschlag. | © electriceye - Fotolia

Das Vergabeverfahren wird in der Regel durch Veröffentlichung einer Vergabebekanntmachung eingeleitet. Entbehrlich ist diese nur in den seltenen Ausnahmefällen, in denen ein Verhandlungsverfahren ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb in Betracht kommt. Mit der Vergabebekanntmachung werden Unternehmen über das Beschaffungsvorhaben (siehe Teil 1, in: PUBLICUS 2013.11, S. 13) informiert. Sie können nun beim öffentlichen Auftraggeber die Vergabeunterlagen anfordern.

Vergabeunterlagen

Was zu den Vergabeunterlagen gehört, ist in § 8 Abs. 1 VOB/A-EG und in § 9 Abs. 1 VOL/A-EG geregelt. Im Offenen Verfahren umfassen sie zumindest die Aufforderung zur Angebotsabgabe sowie die Vertragsunterlagen.

Bei öffentlichen Liefer- oder Dienstleistungsaufträgen kommen die Bewerbungsbedingungen hinzu. In ihnen werden Einzelheiten der Durchführung des Verfahrens beschrieben; außerdem sind dort die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung anzugeben, sofern sie nicht schon in der Vergabebekanntmachung genannt wurden. Die Bewerbungsbedingungen dienen dazu, das Vergabeverfahren zu strukturieren, interessierte Unternehmen näher über das Beschaffungsvorhaben zu informieren und ihnen Hilfestellungen für die Vorbereitung der Angebote in die Hand zu geben. Für die Vergabe öffentlicher Liefer- und Dienstleistungsaufträge verlangt § 9 Abs. 4 VOL/A-EG außerdem, dass die vom öffentlichen Auftraggeber geforderten Nachweise in einer abschließenden Liste zusammengestellt werden. So können Bieter schnell erkennen, welche Nachweise mit dem Angebot vorzulegen sind. Bei der Vergabe öffentlicher Bauaufträge ist eine solche abschließende Liste ebenfalls sinnvoll, auch wenn sie dort nicht zwingend vorgeschrieben ist.


Zentrales Element der Vergabeunterlagen ist die Leistungsbeschreibung. Sie muss eindeutig und so erschöpfend sein, dass sie von allen Bietern im gleichen Sinne verstanden werden kann. Nur dann sind sie in der Lage, ihre Preise sachgerecht zu kalkulieren. Die neuere Rechtsprechung geht davon aus, dass der Grundsatz der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt wird: Die Pflicht, alle kalkulationsrelevanten Parameter zu ermitteln und zusammenzustellen, treffe den öffentlichen Auftraggeber nur im Rahmen des Mach- und Zumutbaren. Wenn eine eindeutige Leistungsbeschreibung nur mit unverhältnismäßigem Kostenaufwand möglich wäre, soll diese unzumutbar sein.

Häufig werden den Vergabeunterlagen außerdem Formulare für Erklärungen beigefügt, die Bieter abgeben müssen. Wenn nach der Vergabebekanntmachung z. B. Angaben zum Jahresumsatz oder zur Zahl der Mitarbeiter in den letzten drei Kalenderjahren zu machen sind, darf der öffentliche Auftraggeber hierfür Formulare entwerfen und verlangen, dass die Bieter die geforderten Erklärungen ausschließlich unter Verwendung dieser Formulare abgeben. Damit wird zweierlei erreicht: Zum einen reduziert sich das Risiko, dass Bieter eine Erklärung versehentlich nicht abgeben; zum anderen wird der Prüfungsaufwand für den öffentlichen Auftraggeber geringer, wenn alle Bieter die geforderten Erklärungen in demselben Format abgeben.

Im Nichtoffenen Verfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb und im Verhandlungsverfahren sind die Vergabeunterlagen regelmäßig schlanker. Unternehmen erhalten hier im ersten Schritt nur eine Aufforderung zum Teilnahmewettbewerb; zur Angebotsabgabe werden sie noch nicht aufgefordert. Deshalb muss der öffentliche Auftraggeber zunächst nur die Bewerbungsbedingungen übersenden, wobei diese im Falle der Vergabe öffentlicher Liefer- oder Dienstleistungsaufträge auch die abschließende Liste der vorzulegenden Nachweise gemäß § 9 Abs. 4 VOL/A-EG enthalten müssen. Leistungsverzeichnis und Vertragsunterlagen werden den Bewerbern bei diesen Vergabearten erst im zweiten Schritt – d. h. mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe – übersandt.

Umgang mit Fragen

Wenn Bieter nach Erhalt der Vergabeunterlagen in einzelnen Punkten Klärungsbedarf haben, können sie Fragen stellen. Beim Umgang mit Fragen von Bewerbern oder Bietern sollten öffentliche Auftraggeber Folgendes beachten:

  • In den Bewerbungsbedingungen sollte klargestellt werden, dass Fragen nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zulässig sind. Dieser Zeitpunkt muss so weit vor Ablauf der Angebotsfrist liegen, dass der öffentliche Auftraggeber noch ausreichend Zeit hat, um die Fragen noch vor Abgabe der Angebote zu beantworten. Außerdem muss den Bietern nach Eingang der Antworten des öffentlichen Auftraggebers noch ein gewisser Zeitraum verbleiben, um die Angebote gegebenenfalls anzupassen.
  • Denkbar ist es, die Zahl der Fragen, die ein Bieter stellen darf, von vornherein zu begrenzen. Allerdings darf diese Grenze nicht zu niedrig liegen. Wir hoch sie im Einzelfall angesetzt werden sollte, hängt von Umfang und Komplexität des zu vergebenden Auftrags ab.
  • Es empfiehlt sich, die eingegangenen Fragen in anonymisierter Form an alle Bieter weiterzuleiten. Ebenso ist mit den Antworten auf diese Fragen zu verfahren.
  • Fragen, die sich auf die Wertung einzelner Eignungsnachweise beziehen, sollte der öffentliche Auftraggeber nicht beantworten. Denn die Eignung wird erst später geprüft, nämlich dann, wenn die Angebotsfrist abgelaufen ist und die Eignungsnachweise vorliegen.
  • Ebenso wenig besteht für den öffentlichen Auftraggeber Anlass, sich zu sonstigen Fragen zur Rechtslage zu äußern. Denn der EuGH hat bereits mit Urteil vom 25. Januar 2001 – C-172/99 entschieden, dass der öffentliche Auftraggeber die Bieter nur über relevante Tatsachen informieren muss, während die Verantwortung für die richtige rechtliche Einordnung dieser Tatsachen allein bei den Bietern selbst liegt.

Umgang mit Rügen

Erhebt ein Bieter Rügen, hat der öffentliche Auftraggeber folgende Möglichkeiten: Zum einen kann er direkt über die Rügen entscheiden und diese zurückweisen. Dann droht das Risiko, dass der betreffende Bieter einen Nachprüfungsantrag stellt. Dafür stehen ihm gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB nur 15 Kalendertage ab Zurückweisung der Rüge zu. Diese Frist gilt aber nur, wenn darauf in der Vergabebekanntmachung hingewiesen wurde.

Zum anderen kommt eine Abhilfeentscheidung in Betracht. Sie ist dann empfehlenswert, wenn der öffentliche Auftraggeber das Risiko, dass der betreffende Bieter mit seinem eventuellen Nachprüfungsantrag Erfolg hat, höher bewertet als die Chance auf eine Abweisung des Nachprüfungsantrags. Denkbar ist schließlich, dass der öffentliche Auftraggeber die Rügen zunächst unbeantwortet lässt und dem Bieter erst in der Information nach § 101 a GWB mitteilt, wie er mit der Rüge umgeht. Der Nachteil dieser Vorgehensweise ist, dass das Risiko eines Nachprüfungsantrags wegen der gerügten Vergaberechtsverstöße dann bis zur Entscheidung über die Zuschlagserteilung weiter besteht.

Angebotsöffnung, Prüfung, Aufklärung

Der öffentliche Auftraggeber muss jedes eingegangene Angebot mit einem Eingangsvermerk versehen. Bis zur Öffnung der Angebote sind alle Angebote unter Verschluss zu halten, so dass jeder unbefugte Zugriff ausgeschlossen ist. Auch Mitarbeiter des Auftraggebers dürfen sich vor dem Öffnungstermin keine Kenntnis vom Inhalt der Angebote verschaffen. Schließlich müssen die Angebote auch nach Öffnung vertraulich behandelt und in einem sicheren Ort verwahrt werden.

Anschließend werden die Angebote in formaler und inhaltlicher Hinsicht geprüft. Bei der Vergabe öffentlicher Bauaufträge sind fehlende Erklärungen oder Nachweise gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EG grundsätzlich nachzufordern. Im Gegensatz dazu bestimmt § 19 Abs. 2 Satz 1 VOL/A-EG, dass fehlende Erklärungen und Nachweise bis zum Ablauf einer zu bestimmenden Nachfrist nachgefordert werden können; hier ist der öffentliche Auftraggeber also nicht zu einer Nachforderung verpflichtet. Bei Zweifeln oder Unklarheiten über den Inhalt der Angebote sind Aufklärungsgespräche zulässig. Diese dürfen aber nicht zu Nachverhandlungen genutzt werden.

Danach werden die Angebote auf Basis der veröffentlichten Zuschlagskriterien bewertet. Sobald feststeht, wer das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat, informiert der öffentliche Auftraggeber die unterlegenen Bieter gemäß § 101 a GWB über die beabsichtigte Zuschlagsentscheidung. Nach Ablauf der in § 101 a Abs. 1 Satz 3 GWB genannten Frist darf der Zuschlag erteilt werden.

 

Dr. Clemens Antweiler

Mag. rer. publ. Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht, RWP Rechtsanwälte, Düsseldorf
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