15.01.2014

Nur mit gesetzlicher Regelung

Verwendungsverbot für Grabmale aus ausbeuterischer Kinderarbeit

Nur mit gesetzlicher Regelung

Verwendungsverbot für Grabmale aus ausbeuterischer Kinderarbeit

Kinder arbeiten in Indien unter anderem für Grabsteine, die in Deutschland billig verkauft werden. | © compactpower - Fotolia
Kinder arbeiten in Indien unter anderem für Grabsteine, die in Deutschland billig verkauft werden. | © compactpower - Fotolia

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 16. 10. 2013 (Az.: 8 CN 1.12) entschieden, dass die Bestimmung in der Friedhofssatzung der Stadt Nürnberg, nach der Grabmale „nachweislich in der gesamten Wertschöpfungskette ohne ausbeuterische Kinderarbeit“ hergestellt worden sein müssen, gegen höherrangiges Recht verstößt.

Die Antragstellerin – ein örtlicher Steinmetzbetrieb – hatte mit ihrem Normenkontrollantrag das Ziel verfolgt, die angegriffene Satzungsbestimmung für unwirksam zu erklären. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte dem Normenkontrollantrag zunächst stattgegeben. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof wiederum hatte diese Entscheidung aufgehoben und die Sache an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. Mit Urteil vom 06. 07. 2012 lehnte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof daraufhin den Normenkontrollantrag ab (Az.: 4 N 11.2673).

Das Bundesverwaltungsgericht hat nun das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs abgeändert und § 28 Abs. 2 der Bestattungs- und Friedhofssatzung der Antragsgegnerin für unwirksam erklärt.


Diese Satzungsregelung lautete wie folgt: „Es dürfen nur Grabmale aufgestellt werden, die nachweislich in der gesamten Wertschöpfungskette ohne ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne des Übereinkommens über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO-Konvention 182), in Kraft getreten am 19. November 2000, hergestellt wurden.“

Der Verwaltungsgerichtshof war in Auslegung und Anwendung von Landesrecht davon ausgegangen, dass Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 der Bayerischen Gemeindeordnung die Gemeinden und Städte ermächtige, in Satzungen die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen und damit auch die Friedhofsnutzung zu regeln. Der sachliche Zusammenhang mit dem Friedhofszweck und auch der spezifisch örtliche Bezug seien in rechtlich einwandfreier Weise hergestellt, da es im Interesse der Würde des Ortes der Totenbestattung liegen könne, dass dort keine Grabmale aufgestellt werden, deren Material in einem weltweit geächteten Herstellungsprozess gewonnen worden ist. Die bundesverfassungsgerichtliche Garantie der gemeindlichen Selbstverwaltung in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG stehe einer solchen Auslegung der Bayerischen Gemeindeordnung nicht entgegen. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG sichere den Gemeinden einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich sowie die Befugnis zur eigenverantwortlichen Führung der Geschäfte in diesem Bereich zu. Das schließe indes nicht aus, dass der Gesetzgeber den Gemeinden darüber hinausgehende Aufgaben zuweist.

Das Bundesverwaltungsgericht stellt nunmehr darauf ab, dass die angegriffene Satzungsbestimmung die Berufsausübung von Steinmetzen einschränke. Die Verwendung von Grabmalen auszuschließen, die unter ausbeuterischer Kinderarbeit hergestellt wurden, sei ein verfassungsrechtlich legitimer Zweck. Den Steinmetzen den dahingehenden Nachweis aufzubürden, beeinträchtige deren Berufsausübungsfreiheit jedoch unzumutbar, solange nicht zugleich bestimmt werde, wie dieser Nachweis zu führen sei. Außerdem erlaube Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG Eingriffe in die Berufsfreiheit nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung, die Umfang und Grenzen des Eingriffs deutlich erkennen lasse. Dabei müsse der Gesetzgeber selbst alle wesentlichen Entscheidungen treffen. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 der Gemeindeordnung sowie Art. 8 und 9 des Bayerischen Bestattungsgesetzes reichten dafür nicht aus.

Nach Recherchen von Zeit-Online arbeiten in Indien etwa 100.000 Kinder in Ziegeleien und Steinbrüchen unter anderem für Grabsteine, die in Deutschland billig verkauft werden. Nach Schätzung des Naturwerkstein-Verbands, so Zeit-Online vom 20. 10. 2013, kommen bis zu 50 % der Grabsteine auf heimischen Friedhöfen aus Indien, andere Experten sprechen sogar von 80 %. Vor diesem Hintergrund ist es sozialpolitisch und moralisch nachvollziehbar, dass Friedhofsträger im Rahmen ihrer Möglichkeiten Maßnahmen ergreifen wollen, um der ausbeuterischen Kinderarbeit in diesem Bereich nicht noch weiter Vorschub zu leisten. Allerdings hat der Bayerische Gemeindetag auf Anfragen von Mitgliedsgemeinden zu beabsichtigten Satzungsänderungen immer auf das bisher ungelöste Vollzugsproblem hingewiesen. Wenn ein Nachweis gefordert werde, dass der Stein in seiner gesamten Wertschöpfungskette ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt worden sei, wie solle dieser Nachweis konkret aussehen? Was wolle der Friedhofsträger z. B. vom Antrag stellenden Steinmetz fordern? Wie wolle der Friedhofsträger sicherstellen, dass seine Satzungsregelung konsequent vollzogen werde? Daher gibt die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts den Bedenken des Bayerischen Gemeindetags Recht. Baden-Württemberg, das Saarland und Bremen haben schon durch eine Gesetzesänderung den Kommunen einen Ausschluss von Grabsteinen aus Kinderarbeit ermöglicht. Auch der bayerische Landtag hat sich bereits mit entsprechenden Anträgen auf Änderung des Bayerischen Bestattungsgesetzes befasst und nunmehr den kommunalen Spitzenverbänden in Bayern einen Gesetzentwurf der SPD-Fraktion im Rahmen der Verbandsanhörung zur Stellungnahme vorgelegt. Mit der Nachweispflicht beschäftigt sich der Entwurf jedoch nun insoweit, als dass das Bestattungsgesetz die Friedhofsträger ermächtigt, durch Satzungsregelung vorzuschreiben, dass auf dem Friedhof nur Grabsteine und Grabeinfassungen aufgestellt werden dürfen, die nachweislich nicht unter Arbeit hergestellt wurden, die ihrer Natur nach oder aufgrund der Umstände, unter denen sie verrichtet wird, voraussichtlich für die Gesundheit, die Sicherheit oder die Sittlichkeit von Kindern schädlich ist.

Der Friedhofsträger kann zur Prüfung dieser Regelung einen Nachweis fordern; auf Verlangen sind dem Friedhofsträger vollständige und prüffähige Unterlagen vorzulegen. Damit ist das Ob und das Wie eines Nachweises wiederum in das Ermessen und die Verantwortung des Friedhofsträgers gestellt, was nach Auffassung des Bayerischen Gemeindetages der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht ausreichend Rechnung trägt und die Vollzugsprobleme nicht löst. Ob diese Kritikpunkte bei einer angekündigten und unbedingt erforderlichen umfassenden Reform des Bayerischen Bestattungsrechts Berücksichtigung finden, bleibt abzuwarten. Ob diese bei einer erforderlichen umfassenden Reform des Bestattungsrechts Berücksichtigung finden, bleibt abzuwarten.

 

Claudia Drescher

Referatsdirektorin, Bayerischer Gemeindetag, München
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