15.01.2014

Neue Wege in der kommunalen Beschaffung

Aktuelle Studie zur Nachhaltigkeit im kommunalen Einkauf

Neue Wege in der kommunalen Beschaffung

Aktuelle Studie zur Nachhaltigkeit im kommunalen Einkauf

Ökologie, Ökonomie und Soziales – die Triebfedern des kommunalen Einkaufs. | © Julián Rovagnati - Fotolia
Ökologie, Ökonomie und Soziales – die Triebfedern des kommunalen Einkaufs. | © Julián Rovagnati - Fotolia

Das volkswirtschaftliche Gewicht der öffentlichen Beschaffung steht bei einem Volumen von bis zu 480 Milliarden Euro außer Frage. Gleiches gilt jedoch auch für den hohen Regulierungsgrad des Vergaberechts. Einst geschaffen, um einen Missbrauch der Nachfragemacht und eine Wettbewerbsverzerrung durch den Staat zu verhindern, ist es jedoch gerade das Vergaberecht, an dem in letzter Zeit eine interessante Entwicklung sichtbar wird.

Integration von Umwelt- und Sozialstandards

Erste Ansätze sind erkennbar, die Beschaffung der öffentlichen Hand in den Dienst einer nachhaltigen Entwicklung zu stellen. Entsprechende Änderungen des Vergaberechts auf europäischer Ebene haben in den letzten Jahren auch das deutsche Landesrecht erreicht.

Auch in Zukunft wird die Integration von Umwelt- und Sozialstandards bei öffentlichen Vergaben voraussichtlich weiter an Bedeutung gewinnen. So heben die im Juli 2013 vorgelegten Richtlinienentwürfe der EU die Berücksichtigung umwelt- und sozialpolitischer Gesichtspunkte hervor. Die Politik scheint das Potenzial der öffentlichen Beschaffung zur Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung erkannt zu haben.


Politische Ziele und rechtliche Vorgaben sind allerdings nur die eine Seite – wie sieht deren Umsetzung in der Beschaffungspraxis aus? Wie gehen die Beschaffungsstellen mit den zum Teil neu zu berücksichtigenden Aspekten bei Ausschreibungen etc. um? Praktiker beklagen z. T. Überbürokratisierung, mangelnde Transparenz, die drohende Zersplitterung des Vergaberechts sowie die fehlende Überprüfbarkeit der neuen Anforderungen an Lieferanten und deren Produkte. Dies mag auch darin begründet liegen, dass die Bundesländer bei Detaillierungsgrad und Verbindlichkeit der neuen Aspekte im Vergaberecht teilweise sehr unterschiedliche Wege gehen.

Aktuelle Studie

Diese rechtlichen Neuerungen und die damit einhergehende Verunsicherung in den Beschaffungsstellen nahm das Institut für den öffentlichen Sektor zum Anlass, gemeinsam mit dem Consulting-Bereich von KPMG deren Auswirkung auf den Einkauf auf kommunaler Ebene zu untersuchen. Bereits 2012 beschäftigte sich das Institut in seiner Studie „Kommunale Nachhaltigkeitssteuerung“ (siehe auch Publicus 2012.8) mit dem Zusammenspiel von Nachhaltigkeitszielsetzungen und kommunaler Verwaltungsorganisation.

Als besonders relevant für die Umsetzung von Nachhaltigkeitsvorhaben nannten damals fast zwei Drittel die Beschaffung. Die nun veröffentlichte Studie „Kommunale Beschaffung im Umbruch“ greift dieses Ergebnis auf und geht der Frage nach, ob und wie das oft schwer fassbare Thema Nachhaltigkeit am Beispiel der Beschaffung in konkretes Verwaltungshandeln übersetzt wird.

Der Fokus der aktuellen Studie liegt auf der Beschaffung der 174 größten deutschen Kommunen (Städte > 80 000 Einwohner; Landkreise > 250 000 Einwohner). Im Frühjahr 2013 wurden die Beschaffungsverantwortlichen dieser Städte und Landkreise zur Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in ihren Beschaffungsalltag befragt. Von
ihnen beteiligte sich fast ein Drittel an der Umfrage. Neben einer Bestandsaufnahme identifizieren die Autoren auch Entwicklungspotenziale, die in Handlungsempfehlungen mündeten.

Zentrale Studienergebnisse im Überblick

Interessant war vor allem die Frage, warum die Kommunen das Thema nachhaltige Beschaffung verfolgen. Wenig überraschend benennt mehr als die Hälfte der antwortenden Kommunen rechtliche Vorgaben seitens der Landesregierungen. Aber auch in der Kommunalpolitik ist der Trend zu mehr Nachhaltigkeit beim Einkauf erkennbar. So nennen etwas mehr als die Hälfte entsprechende Gemeinderatsbeschlüsse. Bei einer isolierten Betrachtung der Städte geben sogar über 70 Prozent an, dass derartige Beschlüsse vorliegen. Damit wird deutlich, daß die Kommunen nicht nur auf rechtliche Vorgaben reagieren, sondern in erster Linie aus eigenem Antrieb handeln.

Wie bereits in der Studie zur Nachhaltigkeitssteuerung zeigen die Ergebnisse, dass die Kommunen auch bei der Beschaffung ein umfassendes Verständnis von Nachhaltigkeit zugrunde legen. Die kommunalen Beschaffungsstellen verstehen unter dem Begriff „nachhaltige Beschaffung“ alle drei Säulen der Nachhaltigkeit – Ökologie, Ökonomie und Soziales. Unter die Zielsetzung einer nachhaltigen Beschaffung fallen für sie dabei vor allem der Einsatz umweltschonender Stoffe und Materialien, das zielgerichtete Ressourcen schonende Bedarfsmanagement sowie die Beachtung tarif- und arbeitsrechtlicher Bestimmungen durch ihre Lieferanten bzw. Dienstleister.

Die gewachsene Bedeutung von Nachhaltigkeitsaspekten im Beschaffungsprozess zeigt sich in der Gestaltung der Ausschreibungen. Über drei Viertel der Kommunalverwaltungen berücksichtigen darin nach eigener Aussage bereits heute ökologische und soziale Aspekte. Umweltaspekte finden sich fast überall im Rahmen der Leistungsbeschreibung und bei drei Vierteln auch bei den Zuschlagskriterien wieder. Sozialstandards berücksichtigen jeweils circa zwei Drittel der Beschaffungsverantwortlichen bei den Anforderungen an den Bieter und in der Leistungsbeschreibung.

Ökologische Zertifikate und Siegel sowie Sozialstandards werden dabei von vielen Kommunalverwaltungen als Grundlage für die Gestaltung von Ausschreibungen herangezogen. Am häufigsten werden der Blaue Engel, gefolgt vom Energy Star und dem FSC (Forest Stewartship Council) im Hinblick auf geforderte Umweltmaßstäbe verwendet. Die vielfach bereits gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlöhne und die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO finden unter den Sozialstandards die meiste Anwendung.

Bei der Frage nach der Relevanz der einzelnen Nachhaltigkeitsdimensionen für die kommunale Beschaffung in der eigenen Kommune wird jedoch schnell deutlich, dass die ökonomischen Gesichtspunkte als Nachhaltigkeitsdimension noch klar dominieren. Die Befragten gewichteten diese durchschnittlich mit zwei Dritteln. Ökologische Aspekte erhielten eine Gewichtung von durchschnittlich knapp ein Fünftel, soziale Aspekte von gut 14 Prozent. An dieser Situation wird sich aus Sicht der Befragten zukünftig auch nur bedingt etwas ändern. Zwar werden ökologische und soziale Standards in der kommunalen Beschaffung zukünftig weiter an Bedeutung zunehmen. Dennoch werden die Beschaffungskosten weiterhin die größte Rolle spielen.

Zur Kostensenkung bei der Beschaffung setzen zahlreiche Kommunen auf Kooperationen. Über 85 Prozent der Kommunen geben an, Einkaufsaktivitäten innerhalb der eigenen Verwaltung zu bündeln. Mit anderen Kommunalverwaltungen arbeiten zu diesem Zweck knapp zwei Drittel zusammen. Eine gemeinsame Beschaffung von Kernverwaltung und öffentlichen Unternehmen im „Konzern Kommune“ wird jedoch von fast drei Vierteln der Befragten vernachlässigt. Außerdem scheint die Beschaffung weitgehend entkoppelt von strategischen Kostenvorgaben zu agieren. Nur ein gutes Viertel erklärt, dass hinsichtlich zu erreichender Kostenverbesserungen eine übergreifende Zielsetzung, zum Beispiel im Haushaltssicherungskonzept, vorhanden sei.

Steuerungsinstrumente zur Förderung einer nachhaltigen Beschaffung sind bis auf Dienstanweisungen und eine kommunale Beschaffungsrichtlinie bisher kaum verbreitet. Wesentlich weniger als bei der Nachhaltigkeitssteuerung im Allgemeinen setzen die Kommunen beim Thema nachhaltige Beschaffung auf Controlling und Monitoring bzw. Indikatoren und Kennzahlen. Während im Zuge der allgemeinen Nachhaltigkeitssteuerung immerhin noch knapp die Hälfte regelmäßig Zielsysteme nutzt, verwenden nur vier Prozent solche zur Förderung der nachhaltigen Beschaffung.

Vergaberechtliche Neuerungen als Chance nutzen

Die Beschaffung kann durch Vorgaben und Entscheidungen das Nachhaltigkeitsverständnis in den Kommunalverwaltungen verändern. Die Studienergebnisse zeigen, dass das kommunale Beschaffungswesen bereits erste Schritte in diese Richtung unternimmt. Viele Potenziale bleiben jedoch nicht zuletzt aufgrund des heute noch sehr häufig anzutreffenden Rollenverständnisses eines rein internen Dienstleisters, der nur eine operative Funktion der Bestellabwicklung übernimmt, noch ungenutzt.

Die vergaberechtlichen Anpassungen bieten die Gelegenheit, die Rolle der Beschaffungsstellen in Richtung eines Innovationstreibers innerhalb der Verwaltung zu entwickeln. Sie bieten außerdem die Chance, bisherige Beschaffungsprozesse zu überdenken und die Beschaffung in ein Gesamtkonzept zur nachhaltigen Entwicklung der Kommune einzubetten. Jedoch sollten über Landesgrenzen hinweg einheitliche Standards für ökologische und soziale Aspekte im Rahmen von öffentlichen Beschaffungen geschaffen werden, um einer weiteren Zersplitterung des Vergaberechts und der damit einhergehenden Verunsicherung bei Beschaffungsverantwortlichen und Lieferanten bzw. Dienstleistern entgegenzuwirken. Unter diesen Voraussetzungen ist der Beitrag einer nachhaltigen öffentlichen Beschaffung auf dem Weg zu einer nachhaltigen Gesellschaft nicht zu unterschätzen.

Die vollständige Studie sowie weitere Informationen zum Thema sind unter www.publicgovernance.de/beschaffung zu finden.

 

Stefanie Beck

Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für den öffentlichen Sektor e.V., Berlin
 

Clemens Dicks

Partner, Consulting, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Berlin
 

Dr. Ferdinand Schuster

Geschäftsführer, Institut für den öffentlichen Sektor e.V., Berlin
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