15.01.2014

Es fehlt der Mut zum Spitzenplatz

Zur Novellierung des Landespersonalvertretungsgesetzes BW

Es fehlt der Mut zum Spitzenplatz

Zur Novellierung des Landespersonalvertretungsgesetzes BW

Das novellierte LPVG in Baden-Württemberg – Fortschritt oder Rückschritt? | © littlebell - Fotolia
Das novellierte LPVG in Baden-Württemberg – Fortschritt oder Rückschritt? | © littlebell - Fotolia

Im Koalitionsvertrag zwischen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD Baden-Württemberg, Baden-Württemberg 2011 – 2016, ist folgende Vereinbarung enthalten: „Im Personal­vertretungs­recht werden wir die (durch das Dienst­rechts­reform­gesetz? – Anm. des Verfassers) vorgenommenen Ein­schränkungen zurückführen und die Rechte der Interessen­vertretungen mit Blick auf ihre verantwortungs­volle Aufgaben­wahrnehmung ausbauen und stärken.“

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Schneider_ LPVG BW

Diese Ansage ließ insbesondere bei den Personalvertretungen im Land die Hoffnung aufkeimen, dass ihre Beteiligungsrechte deutlich gestärkt würden. Sie ist deshalb die Messlatte für die Überprüfung der vom Landtag inzwischen beschlossenen Novelle. Für eine positive Bewertung des „neuen“ LPVG genügt es deshalb nicht, dass die restriktiven Änderungen des LPVG, die mit dem Dienstrechtsreformgesetz (DRG) zum 01. 01. 2011 in Kraft getreten sind, wieder rückgängig gemacht werden. Vielmehr sollten nach der Absichtserklärung im Koalitionsvertrag auch die Rechte der Interessenvertretungen ausgebaut und gestärkt werden.

Was zu erwarten war

Nach dem Regierungswechsel im Land durfte man also für das Personalvertretungsrecht eine echt ehrgeizige Zukunftsperspektive erwarten, quasi den Spitzenplatz im Bund-Länder-Vergleich der Personalvertretungsgesetze. Dass Baden-Württemberg vor der am 27. 11. 2013 im Landtag beschlossenen Gesetzesnovelle in diesem Vergleich eindeutig den letzten Platz belegt hat, ist unstreitig. Hätte man zur Umsetzung der wirklich guten Absichten dann nicht einen Gesetzentwurf aus den Reihen der Koalitionsfraktionen erwarten dürfen?


Wie das Ergebnis aussah

Bereits mit der Bekanntgabe sog. Eckpunkte für die Novellierung des LPVG durch das Innenministerium (30. 11. 2012) ist dagegen ein großer Teil der oben geäußerten Erwartungen wieder „zerplatzt“. Man musste sogar feststellen, dass nicht einmal alle Einschränkungen im vor der Novelle gültigen LPVG, die durch das DRG eingeführt wurden, vollständig zurückgeführt werden. Im Gesetzgebungsverfahren, das sich durch eine breite Beteiligung der Verbände und Gewerkschaften vor der Erstellung des Gesetzentwurfs auszeichnete, wurde dieser Mangel leider nicht verändert.

Hätte die Landesregierung und das Parlament die Bundesverfassungsgerichts(BVerfG)-Entscheidung vom 24. 05. 1995 zum Mitbestimmungsgesetz (MBG) Schleswig-Holstein im Gegensatz zur bisher h.M. in Baden-Württemberg (BW) fortschrittlich analysiert und entsprechend umgesetzt, wären dies die Grundlagen für wirkliche qualitative Verbesserungen des Personalvertretungsrechts und eine echte Stärkung der Mitbestimmung im öffentlichen Dienst gewesen.

Konkret heißt das, man hätte die Zweiteilung der wesentlichen Beteiligungsrechte in Mitbestimmung und Mitwirkung aufgeben müssen und alle bisher darunter fallenden Beteiligungstatbestände der uneingeschränkten Mitbestimmung zuordnen müssen. Mit dem auch im neuen LPVG vorhandenen „Evokationsrecht“ kann man die endgültigen Entscheidungen der Einigungsstelle, die wegen ihrer Auswirkungen auf das Gemeinwesen wesentlicher Bestandteil der Regierungsgewalt sind, der Landesregierung zur endgültigen Entscheidung überlassen. Insofern wäre auch die vom BVerfG geforderte demokratische Legitimation gegeben.

Da man diesen großen Schritt offensichtlich nicht machen wollte, wäre es bezüglich der Personalangelegenheiten durchaus möglich gewesen, nur die personellen Angelegenheiten der überwiegend mit hoheitlichen Aufgaben betrauten Beschäftigten (Beamten) aus der uneingeschränkten Mitbestimmung herauszunehmen und weiter der eingeschränkten Mitbestimmung zuzuordnen.

„Fortschritt“ sieht anders aus

Solch fortschrittliches Denken konnte man aber von der Administration im Innenministerium, die ja die Negativ-Änderungen des LPVG im Dienstrechtsreformgesetz (DRG des Landes v. 22. 10. 2010) im Wesentlichen personengleich vorbereitet hatte, gar nicht erwarten. Entsprechende politische Vorgaben fehlten offenbar. Das Ergebnis, das am 27. 11. 2013 im Landtag beschlossen wurde, ist deshalb – trotz vieler deutlich erkennbarer Verbesserungen für die Beteiligung der Personalvertretungen im Land – ziemlich ernüchternd. Diejenigen, die sich für größere Personalratsgremien und mehr Freistellungen eingesetzt hatten, sind zufrieden. Die Verbände der kommunalen Arbeitgeber, die kurz vor der Verabschiedung des Gesetzes nochmals kräftig Stimmung gegen das Vorhaben der Landesregierung gemacht hatten, sind aus dem gleichen Grund unzufrieden, weil sie deutliche Mehrausgaben befürchten.

Nach Auffassung der Grünen (vgl. Pressemeldung vom 24. 10. 2013) wurden durch die Novelle des LPVG die berechtigten Interessen der Beschäftigten nach aktiver Teilhabe an der Gestaltung ihrer Arbeitsbedingungen berücksichtigt. Die Stärkung der Mitbestimmungsrechte (wo konkret lässt sich das festmachen?) stand für die grüne Fraktion im Vordergrund. Ihr Sprecher machte zugleich deutlich, „dass Baden-Württemberg mit dem Gesetzentwurf kein Neuland betrete, sondern sich vom Schlusslicht unter den Bundesländern in das obere Drittel bewege. Der Gesetzentwurf sei dabei ein ausgewogener Kompromiss zwischen den Interessen der Beschäftigten nach mehr Mitbestimmung und den Haushaltserfordernissen.“ Das ist in der Gesamtbetrachtung wenigstens ehrlich. Der Mut zum Spitzenplatz fehlte also.

Fairerweise muss man zugeben, dass auch die in den letzten Jahren als „fortschrittlich“ und „zukunftsweisend“ bezeichneten Personalvertretungsgesetze in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen an den Beteiligungsformen der vollen Mitbestimmung, der eingeschränkten Mitbestimmung, der Mitwirkung und der Anhörung festgehalten haben. Auch dort wurden alle Personalangelegenheiten ohne jegliche Differenzierung der eingeschränkten Mitbestimmung zugeordnet. Deshalb sind diese Gesetze auch nicht so fortschrittlich, wie oft – auch von Fachleuten – behauptet wird.

Dennoch: Verbesserungen sind vorhanden

Abschließend soll nicht unterschlagen werden, dass durch die Novelle sehr viele Qualitätsverbesserungen im „neuen“ LPVG – auch bei den Beteiligungsrechten – zu finden sind. So sind die Zustimmungsverweigerungsgründe entfallen, verschiedene Beteiligungstatbestände wurden der uneingeschränkten Mitbestimmung zugeordnet, neue Beteiligungsrechte wurden eingefügt, mehr Dienstvereinbarungen werden ermöglicht und das Initiativrecht des Personalrats wurde deutlich gestärkt. Der Ausnahmecharakter des Evokationsrechts wurde durch die Verlagerung der Entscheidung von der obersten Dienstbehörde zur Landesregierung verdeutlicht.

Die Verbesserung der Geschlechtergerechtigkeit bleibt aber wohl nur ein „Papiertiger“, weil in dieser Frage den Gesetzgeber kurz vor dem Ziel „der Mut verlassen hat“. Die Vergrößerung der Personalratsgremien und verbesserte Freistellungen sind sicher im Sinne der Gewerkschaften. Alle Verbesserungen zusammen führen aber, wie von den Grünen richtig festgestellt, nicht zum Spitzenplatz im Bund-Länder-Vergleich für das Personalvertretungsrecht in Baden-Württemberg.

 

Josef Schneider

Polizeioberrat a.D., Wertheim
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