15.01.2014

Die neue Disziplin „SOCMINT“

Soziale Medien im Fokus der Nachrichtendienste

Die neue Disziplin „SOCMINT“

Soziale Medien im Fokus der Nachrichtendienste

Auf die Beobachtung der sozialen Medien wollen die Nachrichtendienste nicht verzichten. | © spaxiax - Fotolia
Auf die Beobachtung der sozialen Medien wollen die Nachrichtendienste nicht verzichten. | © spaxiax - Fotolia

Dass soziale Medien durch die Nachrichten- und Sicherheits­dienste auch in Deutschland schon seit längerem beobachtet werden, ist bekannt. Insbesondere vor Groß­ereignissen (Sport­ver­anstaltungen, politischen Kundgebungen u. Ä.) werden die sozialen Medien von den Sicherheits­behörden intensiv überwacht und die Einsatz­planung der Sicherheits­kräfte auf mögliche zu erwartende Lage­entwicklungen abgestimmt. Sir David Ormand, der frühere Leiter des britischen Nachrichten­dienst GCHQ, ist einer der Exponenten dieser neuen nachrichtendienstlichen Disziplin, die als „Social Media Intelligence – SOCMINT“ bezeichnet wird.

Inhalts- und Verhaltensanalyse

Bereits seit dem Jahre 2010 entwickeln sowohl die Central Intelligence Agency (CIA) als auch die National Security Agency (NSA) der USA umfassende Programme, um die Inhalte von Social Media in Echtzeit auszuwerten. Dabei werden auch Verhaltensmuster der Foren-Teilnehmer auf nachrichtendienstlich relevante Informationen untersucht und mit anderen nachrichtendienstlichen Erkenntnissen, beispielsweise aus der weltweiten Kommunikationsüberwachung, abgeglichen. Soweit bekannt, wurden derartige Systeme auch zur Bewertung des Wählerverhaltens bei der letzten Präsidentenwahl in den USA eingesetzt. Auch die EU betreibt im Rahmen ihres Projekts „INDECT“ ähnliche Forschungen. Zudem haben die britischen Sicherheitskräfte diese Verfahren bei der Olympiade 2012 in London umfassend im Rahmen der „Riot – and Crowd Control“ angewandt.

Cloud-Datenbasis für Nachrichtendienste

In Kürze wird eine umfassende Datenbasis der US-Nachrichtendienste in einer Cloud eingerichtet. Dies erfolgt unter Federführung der CIA und der NSA im Rahmen des „Intelligence Sharing Environments (ISE)“ und bewirkt Zugriffsmöglichkeiten aller US-Dienste auf diese Datenbestände. Dadurch werden die Bewertungsmöglichkeiten der US-Dienste weiter ausgeweitet.


Es kann erwartet werden, dass auch andere „Third Parties“ wie Großbritannien, Australien, Neuseeland und Kanada auf diese Daten, wenn auch nur in eingeschränkter Form, Zugriff erhalten werden.

Zudem soll die Trennung von Aufgaben der „Inneren Sicherheit“, die bisher durch die Sicherheitsdienste wahrgenommen wurden, und der weltweiten Nachrichtengewinnung durch die Nachrichtendienste der USA, aufgehoben werden. Diese Veränderung zeichnet sich auch für Europa ab und wird bestimmenden Einfluss auf das künftige nationale Rechtsgefüge haben.

Fazit

Künftig muss damit gerechnet werden, dass die sozialen Medien verstärkt von Nachrichten- und Sicherheitsdiensten beobachtet werden. Dies gilt auch in der EU, wie die Bestrebungen im Rahmen des Programms „INDECT“ erkennen lassen. Welche Konsequenzen die uneingeschränkte Überwachung und Speicherung der in den „Sozialen Medien“ vorhandenen Daten durch die Dienste haben wird, ist noch nicht abzusehen.

Nicht zuletzt die langfristige Beobachtung von Trends in sozialen Netzwerken (beispielsweise die Kommentierung von sonstigen Ereignissen aller Art wie Gesetzesvorhaben, Regierungsvorhaben u.Ä.) wird die Politik in ihren Entscheidungen nachhaltig beeinflussen. Von den strafrechtlichen Folgen möglicher Gesetzesverstöße in Foren einmal ganz abgesehen. Dies wird auch zur Veränderung des Verhaltens der Nutzer in Foren führen.

 

Günther Weiße

Sicherheitsfachberater, Sicherheitsfachberater und Fachautor, Balingen
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