15.01.2014

Bundesweit einmalig: die Umweltmediation

Umweltverwaltungsgesetz BW (UVwG)

Bundesweit einmalig: die Umweltmediation

Umweltverwaltungsgesetz BW (UVwG)

Transparenz und Akzeptanz soll das neue Umweltverwaltungsgesetz in Baden-Württemberg schaffen. | © Tryfonov - Fotolia
Transparenz und Akzeptanz soll das neue Umweltverwaltungsgesetz in Baden-Württemberg schaffen. | © Tryfonov - Fotolia

Mit dem baden-württem­bergischen Umwelt­verwaltungs­recht, zu dem insbesondere die landesrechtlichen Vorschriften zur Umwelt­verträglich­keits­prüfung, zur Strategischen Umweltprüfung, zum Umwelt­infor­mations­anspruch, zum Umwelt­schadens­recht und zur Anerkennung von Umwelt­verbänden zählen, verband man in der Vergangenheit vor allem eines: über eine Vielzahl von Gesetzen verstreute Regelungen und – besonders im Umwelt­verträglich­keits­prüfungs- und Umwelt­informations­recht – sich in langen Verweisungs­ketten erschöpfende Gesetzestexte. So heißt es in § 2 des Landesgesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (LUVPG) derzeit:

„(1) Folgende Bestimmungen des (Bundes)Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung sind in der jeweils geltenden Fassung entsprechend anzuwenden: (…)

3. §§ 3a, 3b, 3c und 3e Abs. 1, §§ 3f, 5 bis 14 und 16 Abs. 2. § 3b Abs. 3 Satz 1 gilt für die in der Anlage 1 Nr. 2.3.1 bis 2.3.3 und 2.4.1 aufgeführten Vorhaben mit der Maßgabe, dass neben einem räumlichen Zusammenhang auch ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht.“


Erst aus der Zusammenschau der Normen des Bundesgesetzes – soweit es auf Grund dieser Verweisung, ggf. unter Beachtung der Maßgaben, überhaupt gilt – und vereinzelter eigenständiger Regelungen, die in den wenigen Paragraphen des LUVPG getroffen werden, ergeben sich die Regelungsinhalte. Mag dies für den Verwaltungsjuristen bei gebührender Konzentration noch zu durchdringen sein, ist diese Gesetzestechnik für den Bürger kaum zu durchschauen mit der Folge, dass ihm manches Recht, das ihm zusteht, vielleicht verborgen bleibt. Ähnliches gilt für das Landesumweltinformationsgesetz, das gerade für die Bürger als zentrale Anspruchsberechtigte besonders bedeutsam ist.

Neue Regelungstechnik und Kodifizierung

Diesen Zustand will der am 17. 12. 2013 durch den Ministerrat zur Verbandsanhörung freigegebene Gesetzentwurf eines Umweltverwaltungsgesetzes nun mit Hilfe einer neuen übersichtlichen, aber dennoch schlanken Regelungstechnik grundlegend ändern. Deren besonderes Charakteristikum ist es, jeweils die Eingangs-, aber auch die Kernvorschriften und vom Bundesrecht abweichende Regelungen vollständig und ohne Teilverweisungen in den Gesetzestext selbst aufzunehmen und nur im Übrigen auf Bundesrecht zu verweisen. So werden etwa im Umweltprüfungsrecht die Eingangsvorschriften (Zweck der Umweltprüfung, Begriffsbestimmungen, Anwendungsbereich) sowie die Kernvorschriften, also die Verpflichtung zur Umweltverträglichkeitsprüfung, zur Strategischen Umweltprüfung oder den entsprechenden Vorprüfungen, ausdrücklich geregelt; für das eigentliche Verfahren wird hingegen auf das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz des Bundes verwiesen. Damit wird eine deutliche Vereinfachung der Rechtsanwendung sowie eine bessere Verständlichkeit der Rechtsmaterie und ihrer Kerninhalte auch für juristische Laien erzielt.

Doch nicht nur die Regelungstechnik einzelner Materien, sondern das Umweltverwaltungsrecht insgesamt wird übersichtlicher gestaltet: Erstmals werden in einem einzigen Umweltverwaltungsgesetz die bereits bestehenden, über verschiedene Gesetze verstreuten Regelungen dieser Materie sowie weitere auf Grund bundes- und europarechtlicher Vorgaben erforderlich gewordene Neuregelungen (z. B. Zuständigkeitsregelungen zur Anerkennung von Umwelt- und Naturschutzvereinigungen) kodifiziert.

Inhaltliche Neuregelungen

Neu ist jedoch nicht nur die Form, sondern auch eine ganze Reihe von Inhalten.

Neben der erforderlichen Anpassung des Landesrechts an geändertes Bundesrecht und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes präsentiert der Entwurf eine Vielzahl von inhaltlichen Neuerungen, bestehende Regelungen werden modernisiert. Hierbei werden vor allem die landesgesetzgeberischen Möglichkeiten genutzt, um die gegenüber dem Bundesrecht nach der Föderalismusreform verbliebenen Spielräume auszuschöpfen.

Stärkung der Bürger- und Öffentlichkeitsbeteiligung

Im Zentrum der inhaltlichen Neuerungen steht die Stärkung der Bürger- und Öffentlichkeitsbeteiligung, der gerade im Umweltbereich besondere Bedeutung zukommt. Für Vorhaben, die einer Umweltverträglichkeitsprüfung oder einer Planfeststellung bedürfen, wird eine grundsätzliche Verpflichtung des Vorhabenträgers zur frühen Öffentlichkeitsbeteiligung eingeführt.

Diese Pflicht trifft – da das gesetzliche Anknüpfungskriterium allein die typischerweise gegebene Umweltrelevanz bzw. Konfliktträchtigkeit des Vorhabens ist – gleichermaßen die öffentliche Hand (insb. Straßen- und Gewässerausbau) wie auch private Vorhabenträger (z. B. bei Errichtung großer Windparks, chemischer Fabriken). In atypischen Ausnahmefällen (z. B. bestimmte Vorhaben in einem Industriegebiet ohne Auswirkungen auf Wohnbebauung) kann von einer Beteiligung abgesehen werden.

Inhaltlich umfasst die frühe, d. h. vor Stellung des Genehmigungsantrags durchzuführende Öffentlichkeitsbeteiligung die Unterrichtung der Öffentlichkeit sowie die Möglichkeit zur Äußerung und Erörterung. Zur Wahrung größtmöglicher Flexibilität im Einzelfall sowie der Verhältnismäßigkeit überlässt der Gesetzentwurf die Art und Weise der Erfüllung dieser Grundanforderungen dem Vorhabenträger; er gewährt ihm insoweit also Gestaltungsfreiheit, wobei ausdrücklich die Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel erlaubt wird. In ihrem Anwendungsbereich geht die Regelung zur frühen Öffentlichkeitsbeteiligung im Umweltverwaltungsgesetz naturgemäß den Vorschriften der im März 2014 in Kraft tretenden VwV Öffentlichkeitsbeteiligung (vgl. deren Nr. 1.2 a. E; siehe dazu auch PUBLICUS-Interview mit Staatsrätin Gisela Erler in der Ausgabe 2013.12, S. 7 ff.) ebenso wie der geplanten Anpassung des § 25 LVwVfG an Bundesrecht vor.

Der Stärkung der Öffentlichkeitsbeteiligung und der Akzeptanzerhöhung dient weiterhin die bundesweit bisher einmalige landesgesetzliche Verankerung der (dem Verwaltungsverfahren vorgelagerten oder dieses begleitenden) Umweltmediation, einer Materie, die mangels Gesetzgebungskompetenz des Bundes nicht vom (insb. auf zivilrechtliche Fälle ausgerichteten) MediationsG erfasst ist und deren besondere Anforderungen eine eigenständige Regelung erforderlich machen. Die sich auf Grundzüge beschränkende neue Vorschrift regelt Struktur und Verfahren sowie die Einbeziehung der Ergebnisse der Mediation im nachfolgenden Zulassungsverfahren. Um nur eine Besonderheit zu nennen: Die Mediation ist grundsätzlich öffentlich, wobei die Beteiligten jedoch im allseitigen Einverständnis etwas anderes bestimmen können.

Auch die Mitwirkungsmöglichkeiten anerkannter Umwelt- und Naturschutzvereinigungen werden über die bisher bestehenden gesetzlichen Beteiligungsmöglichkeiten im Bereich des Bundesnaturschutzgesetzes und im Planfeststellungsverfahren hinaus verbessert. So soll ihnen bei weiteren besonders umweltbedeutsamen Vorhaben behördlicherseits Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und die effektive Wahrnehmung dieses Rechts dadurch erleichtert werden, dass die Vereinigungen aktiv und gezielt über die Inhalte gesetzlich vorgeschriebener ortsüblicher und öffentlicher Bekanntmachungen und Auslegungen zu informieren sind.

Verbesserung der Transparenz staatlichen Handelns und der Information der Bürger

Ein weiteres Kernanliegen des Umweltverwaltungsgesetzes ist die Verbesserung der Transparenz staatlichen Handelns. Dem dient in erster Linie die bürgerfreundlichere Ausgestaltung des Umweltinformationsanspruchs, der gleichzeitig die (Wissens-)Grundlagen für eine informierte Beteiligung der Zivilgesellschaft schaffen soll. Neu ist insoweit insbesondere die Verpflichtung der informationspflichtigen Stellen, den Zugang zu Umweltinformationen durch Beratung aktiv zu fördern, ebenso wie die – über das Bundesrecht hinausgehende – Verpflichtung zur Weiterleitung von bei einer unzuständigen Stelle gestellten Informationsbegehren an die zuständige Stelle. Gestärkt wird der Informationszugang zudem durch den geplanten Verzicht auf eine Gebührenerhebung bei Informationsbegehren unterhalb der Schwelle des erheblichen Bearbeitungsaufwands. Zuletzt leistet auch die gesetzliche Verankerung der Pflicht zur regelmäßigen Veröffentlichung eines Umweltzustandsberichts einen wichtigen Beitrag zu einer offenen Informationspolitik.

Ebenfalls der Erhöhung der Transparenz dient die allgemeine Zulassung der Öffentlichkeit zum sog. Scoping-Termin (Festlegung des Untersuchungsrahmens einer Umweltprüfung). Dabei handelt es sich um eine in zulässiger Weise vom Bundesrecht abweichende für alle UVP und SUP-Verfahren geltende Regelung, die wie viele Inhalte, aber auch die Konzeption des baden- württembergischen Umweltverwaltungsgesetzes insgesamt als zukunftsweisend bezeichnet werden kann.

Über die beschriebenen sowie weitere geplante Neuerungen des Gesetzentwurfs kann sich jeder Interessierte seit 18. 12. 2013 auf dem Beteiligungsportal der Landesregierung näher informieren und bis zum 31. 01. 2014 Kommentare zum dort einsehbaren Volltext des Gesetzentwurfs abgeben.

Bei Rückfragen stehen
Frau StA´in Dr. Mirja Feldmann
mirja.feldmann@um.bwl.de
und
Herr MR Joachim Heiland
joachim.heiland@um.bwl.de
zur Verfügung.

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