17.01.2019

Polizeikostenersatz bei Fußballspielen

Sollen Deutsche Fußball Liga und Bundesligavereine die Kosten für Polizeieinsätze bei Fußballspielen tragen?

Polizeikostenersatz bei Fußballspielen

Sollen Deutsche Fußball Liga und Bundesligavereine die Kosten für Polizeieinsätze bei Fußballspielen tragen?

Polizeieinsätze bei kommerziellen Großveranstaltungen verursachen teilweise hohe Kosten. | © fotosr52 - stock.adobe.com
Polizeieinsätze bei kommerziellen Großveranstaltungen verursachen teilweise hohe Kosten. | © fotosr52 - stock.adobe.com

Seit längerer Zeit wird die Frage kontrovers diskutiert, wer die Kosten für Polizeieinsätze bei kommerziellen Großveranstaltungen namentlich bei Bundesligaspielen tragen soll. Sie hat an Aktualität gewonnen, nachdem das Oberverwaltungsgericht Bremen (Urt. v. 01.02.2018 – 2 LC 139/17) entschieden hat, dass ein gegen die Deutsche Fußball Liga GmbH (DFL) ergangener Gebührenbescheid der Polizei Bremen aus dem Jahr 2015 rechtmäßig ist. Die Klägerin hat gegen dieses Urteil Revision eingelegt. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts steht noch aus.

Ausgangslage

Die schönste Nebensache der Welt – ist für viele bekanntlich der Fußball. Es gibt dabei aber – mit steigender Tendenz – auch recht unschöne Szenen. Grund dafür sind von Einzelnen oder Gruppen von Fußballfans verursachte gewalttätige Zwischenfälle. Deren Häufigkeit und Intensität haben zugenommen.

Ganz Deutschland konnte etwa verfolgen, was am 12.05.2018 in der Schlussphase des Spiels Hamburger SV gegen Borussia Mönchengladbach geschah. Gewalttätige Auseinandersetzungen finden aber nicht nur im Stadion, sondern auch an Drittorten statt. Die Polizei ist dabei immer wieder massiv gefordert.


Zwar müssen und können die Veranstalter im Rahmen des Hausrechts mit eigenen Maßnahmen für die Sicherheit in den Veranstaltungsstätten sorgen. Die Gewährleistung der Sicherheit im öffentlichen Raum, insbesondere die Verkehrsregelung ist aber originäre polizeiliche Aufgabe. Auch bei Ausschreitungen im „Innenbereich“ bei Fußballveranstaltungen ist häufig der Einsatz von Polizei unerlässlich. Hierfür stehen die Ereignisse in Hamburg ebenfalls beispielhaft.

Kosten für Polizeieinsätze bei kommerziellen Großveranstaltungen

Polizeieinsätze bei kommerziellen Großveranstaltungen verursachen teilweise hohe Kosten. Beim Profifußball sind sie mit Abstand am höchsten. So ist der Rechnungshof Baden-Württemberg (RH BW) 2015 von folgenden Einsatzkosten je Besucher ausgegangen:

Einsatzkosten je Besucher (Quelle: Pressemitteilung RH BW zur Denkschrift 2015):

Spiele der ersten 5 Ligen 2012/2013: rund 4,00 EUR
Formel 1, Großer Preis von Deutschland, Hockenheimring 20.07.-22.07.2012: 2,41 EUR
Deutschen Eishockey-Liga Heimspiele Adler Mannheim, Saison 2012/2013: 0,40 EUR
Maimarkt Mannheim 27.04.-08.05.2013: 0,43 EUR
Open-Air-Konzert „Robbie Williams“ 11.08.2013: 0,40 EUR
Open-Air-Konzert „Bon Jovi“ 21.06.2013: 0,39 EUR
Cannstatter Volksfest 27.09.-13.10.2013: 0,18 EUR
Weihnachtsmarkt Stuttgart 28.11.-23.12.2012: 0,04 EUR

 

Die Einsatzkosten tragen für die Landespolizeien die Gemeinden, die Kreisfreien Städte (Stadtkreise) und die Landkreise sowie die Länder, für die Bundespolizei der Bund – dieser mit der Möglichkeit, für die Wahrnehmung bahnpolizeilicher Aufgaben einen angemessenen Ausgleich von der Deutschen Bahn zu verlangen (§ 3 II BPolG), – letztlich also die Steuerzahler.

Polizeiliche Maßnahmen dienen überwiegend öffentlichem Interesse. Eine Überwälzung von Polizeikosten auf Dritte findet grundsätzlich nicht statt. Anders verhält es sich, soweit jemand als sog. Störer für eine Gefahr verantwortlich ist und somit polizeiliche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr verursacht hat. Kommerzielle Veranstalter von Fußballspielen und anderen Großveranstaltungen sind grundsätzlich nicht verantwortlich im polizeirechtlichen Sinne, wenn sie sich an die Sportverbandsregeln halten. Die Veranstaltung von Sportereignissen hat weder zwingend noch typisch Ausschreitungen von Besuchern zur Folge. Erst recht werden solche – schon allein wegen der negativen Publizität – von den Veranstaltern i. d. R. nicht beabsichtigt oder auch nur in Kauf genommen.

Finanzielle und wirtschaftliche Situation des deutschen Profifußballs

Die finanzielle bzw. wirtschaftliche Situation des deutschen Profifußballs ist glänzend. Die DFL und die gastgebenden Fußballvereine erzielen durch die Veranstaltung von Bundesligaspielen hohe Einnahmen. Nach der bereits erwähnten Denkschrift des Rechnungshofs Baden-Württemberg ist die 1. Bundesliga die zweitumsatzstärkste Liga in Europa. Ihr Umsatz verdreifachte sich innerhalb von zehn Jahren und lag in der Saison 2015/2016 bei 3,2 Mrd. Euro. Der Umsatz der drei Profiligen zusammen lag bei rund 4 Mrd. Euro.

Profifußball Gesamtumsätze in Mio. Euro (Quelle: Statista)

Saison 2005/2006: 1.287 (234)*
Saison 2010/2011: 1.950 (358)
Saison 2015/2016: 3.244 (608)

* Zahlen für 2. Bundesliga in Klammern

Haupteinnahmequellen sind die – durch den Rundfunkbeitrag genannte Zwangsabgabe mitfinanzierte  mediale Verwertung der Spiele sowie Werbe- und Spieltageerlöse.

Verteilung Gesamteinnahmen 1. und 2. Bundesliga (Quelle: DFL-Report 2017)

Mediale Verwertung 29 (25)*
Werbung 24 (30)
Spielertrag 16 (17)
Transfererlöse 16 (13)
Merchandising 6 (3)
Sonstiges (Erlöse aus Catering und sonstige Handelserlöse) 9 (12)

* Zahlen für 2. Bundesliga in Klammern.

Auch die Entwicklung des Gewinns nach Steuern kann sich sehen lassen.

Profifußball Gewinn nach Steuern in Mio. Euro (Quelle: DFL-Report 2007, 2012 u. 2017)

Saison 2005/2006: -8,7 (0,7)*
Saison 2010/2011: 53 (-19)
Saison 2015/2016: 206 (1,3)

* Zahlen für 2. Bundesliga in Klammern

Forderung nach einer Kostenbeteiligung der Veranstalter

Wegen der immer weiter ausgreifenden Kommerzialisierung insbesondere der Fußballbundesliga und der damit einhergehenden immensen Polizeikosten gewinnt die Forderung nach einer Kostenbeteiligung der Veranstalter, namentlich der Deutschen Fußball Liga GmbH (DFL) und der Fußballvereine, zunehmend an Aktualität.

Die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (Innenministerkonferenz) setzt sich seit über 20 Jahren mit der Frage der Beteiligung kommerzieller Veranstalter von Fußballspielen und anderen Großveranstaltungen an den Einsatzkosten der Polizei auseinander. Eine Lösung scheiterte bislang vor allem an der selbst gesetzten Vorgabe, ein Kostenersatz bedürfe einer bundesweit einheitlichen und abgestimmten Vorgehensweise, um Standortnachteile zu vermeiden.

Wegen befürchteter Standortnachteile wurde in Baden-Württemberg übrigens Ende 1991 eine – zuvor vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg als verfassungskonform bewertete (Urt. v. 18.06.1979 – I 47/79) – Regelung (§ 81 II 1 PolG) aufgehoben. Danach konnte für die Kosten polizeilicher Maßnahmen bei privaten Veranstaltungen Ersatz verlangt werden, soweit zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung weitere als im örtlichen Polizeidienst eingesetzte Kräfte herangezogen werden mussten.

Eine Kostenbeteiligung der Vereine wird auch deshalb kritisch gesehen, weil es dann möglicherweise finanziell weniger lukrative Veranstaltungen in anderen Sportarten oder Spiele in der Regionalliga nicht mehr geben würde, da sich die Veranstalter nicht leisten könnten, die Polizeieinsätze zu bezahlen (so etwa der hessische Minister des Innern und für Sport Peter Beuth, Wiesbadener Kurier – E-Paper – v. 09.11.2017).

Sonderweg Bremens

Im Oktober 2014 ist Bremen aus der bundeseinheitlichen Linie ausgeschert. Die dortige Bürgerschaft beschloss eine Änderung des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes, um den Fußball an den Einsatzkosten der Polizei beteiligen zu können.

Die übrigen Länder mit Ausnahme von Berlin und Hamburg lehnten den Vorstoß Bremens ab.

Nach der Verwaltungskostenordnung für den Geschäftsbereich des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport ist es zwar möglich, die Veranstalter für Einsätze zur Zahlung von Gebühren heranzuziehen, wenn die Veranstaltungen im überwiegend wirtschaftlichen Interesse stattfinden und mit den Einsätzen Ordnungsaufgaben erfüllt werden, die der Veranstalterin oder dem Veranstalter oder der Veranstaltungsleiterin oder dem Veranstaltungsleiter obliegen (Nr. 51 der Anlage zu § 1 VwKostO-MdIS). Die Voraussetzungen für die Heranziehung zu Verwaltungskosten nach dieser Regelung liegen aber nicht vor, soweit sich kommerzielle Veranstalter von Fußballspielen und anderen Großveranstaltungen an die Sportverbandsregeln halten.

An der ablehnenden Haltung der Ländermehrheit, kommerzielle Veranstalter an den Kosten für Polizeieinsätze bei Großveranstaltungen zu beteiligen, hat sich im Wesentlichen bis heute nichts geändert. Insbesondere die an Bundesliga-Standorten reichen Länder wie etwa NRW halten sich zurück.

Rechtsstreit der DFL gegen das Land Bremen

Mittlerweile ist die Frage der Zulässigkeit der Beteiligung kommerzieller Veranstalter an den Kosten für Polizeieinsätze bei Großveranstaltungen beim Bundesverwaltungsgericht anhängig. In diesem Verfahren geht es um Folgendes:

Im April 2015 war es nach einem Gastspiel des Hamburger SV bei Werder Bremen zu einer Massenschlägerei zwischen Hamburger und Bremer Fans gekommen. Es gab mehrere Verletzte und hohe Sachschäden. Laut Polizei waren 969 Beamte im Einsatz. Bei einem normalen Bundesligaspiel sind etwa 200 bis 250 Polizisten vor Ort am Weserstadion.

Für den Einsatz zusätzlicher Polizeikräfte hat die Polizei Bremen im August 2015 einen Gebührenbescheid über 425.000 Euro an die DFL erlassen, der später im Berufungsverfahren auf 415.000 Euro ermäßigt wurde. Der dagegen eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg.

Das Oberverwaltungsgericht Bremen hat – anders als das Verwaltungsgericht in erster Instanz –  am 01.02.2018 mit überzeugenden Argumenten entschieden, dass der gegen die DFL ergangene Gebührenbescheid rechtmäßig ist.

Die Regelung im Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetz, auf die der Bescheid der dortigen Polizei gestützt ist, sei mit der Finanzverfassung des Grundgesetzes vereinbar und auch sonst verfassungsgemäß. Eine Kostenbeteiligung, so das Gericht, sei nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung Kernaufgabe des Staates und damit durch Steuern zu finanzieren sei. Der Gesetzgeber habe einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum, für welche Leistungen er Gebühren erheben will, wenn diese individuell zurechenbar sind, so das Gericht. Die Erhebung einer Gebühr für den Einsatz zusätzlicher Polizeikräfte knüpfe im konkreten Fall „an die besondere Verantwortlichkeit der DFL“ an. Die Spiele seien auch aufgrund der Sicherungsleistungen der Polizei wirtschaftlich erfolgreich. Die DFL habe an einer „störungsfreien Durchführung der Veranstaltung“ ein besonderes Interesse. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit hat das OVG jedoch die Revision zugelassen.

Bewertung

Die Einstandspflicht der Allgemeinheit für Kosten der Gefahrenabwehr ist unbefriedigend, soweit die Kosten individuell zurechenbar verursacht werden oder aber der Polizeieinsatz einen (wirtschaftlichen) Vorteil begründet. Vielfach werden deshalb bereits jetzt Kosten für besonderen Aufwand der Polizei oder Gebühren für die Benutzung polizeilicher Einrichtungen in Rechnung gestellt, so etwa für die polizeiliche Begleitung von Schwer- und Großraumtransporten, den Transport von Personen mit Polizeifahrzeugen oder die polizeiliche Verwahrung von Sachen.

Polizeieinsätze bei kommerziellen Großveranstaltungen, namentlich bei Bundesligaspielen, stellen einen wirtschaftlichen Vorteil für die Veranstalter dar. Sie ermöglichen oft erst die Durchführung solcher Veranstaltungen. Indem die Polizei die öffentliche Sicherheit im und um das Stadion gewährleistet, dient sie auch dem wirtschaftlichen Interesse der Vereine und der DFL. Ohnehin gewährt der Staat dem Profifußball zahlreiche mehr oder weniger versteckte Subventionen wie etwa die 210 Mio. Euro für die Erschließung der Allianz-Arena (FAS v. 27.05.2018) oder – in NRW – 127 Mio. Euro für Bürgschaften für Fußballstadien (LT NRW Drs. 16/5436 v. 28.03.2014, S. 3).

Angesichts der glänzenden finanziellen und wirtschaftlichen Situation von DFL und Bundesligavereinen ist es unverständlich, dass kommerzielle Veranstalter an den Kosten für Polizeieinsätze bei Großveranstaltungen nicht beteiligt werden. Eine Heranziehung der Veranstalter – beim Fußball einschließlich der DFL (als Ligaverband der Deutschen Bundesliga entscheidet die DFL über die Spielpläne der Bundesliga; dazu gehört die Entscheidung darüber, wer gegen wen und wann spielt; bei bestimmten Aufeinandertreffen besonders rivalisierender Fan-Gruppen ist dabei abzusehen, dass ein erhöhtes Ausschreitungsrisiko besteht) – zu den Kosten für Polizeieinsätze bei kommerziellen Großveranstaltungen namentlich bei Bundesligaspielen wäre sachgerecht. Sport- und Kulturveranstaltungen liegen zwar auch im öffentlichen Interesse. Kultur- und Sportförderung sind in den meisten deutschen Ländern ausdrücklich anerkannte Staatsziele. Für beide sieht der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zudem Ausnahmen vom Beihilfeverbot vor. Prosperierende Wirtschaftszweige bzw. Unternehmen wie der deutsche Profifußball bedürfen aber keiner finanziellen Förderung durch Bund und Länder.

Die Heranziehung zu Polizeikosten bedarf aber einer gesetzlichen Grundlage. Dazu kann – wie in Bremen – ein entsprechender Tatbestand ins Gebührenverzeichnis aufgenommen werden. Dagegen bestehen jedoch Bedenken, weil dies eine individuelle Zurechenbarkeit voraussetzt (vgl. etwa §§ 4 I, 2 III GebG BW oder § 1 I Nr. 1 HVwKostG). Deshalb verdient die Einführung einer spezialgesetzlichen Rechtsgrundlage (vgl. § 1 I 1 Nr. 2 HVwKostG) den Vorzug, die es ermöglicht, dem Veranstalter kommerzieller Großveranstaltungen Kosten für polizeiliche Maßnahmen aufzuerlegen, die über den normalen polizeilichen Grundschutz hinausgehen, wenn durch die Veranstaltung erhebliche Gewinne erzielt werden. Man wird wohl aber zunächst die letztinstanzliche Entscheidung über die Klage der DFL gegen das Land Bremen abwarten müssen, bis die politische Diskussion über eine Regelung zum Polizeikostenersatz für kommerzielle Großveranstaltungen wieder an Fahrt gewinnt.

 

Dr. jur. Matthias Strohs

Ministerialrat a.D., Berlin

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