07.01.2019

Grundsteuerreform in Deutschland

Grundsteuer als unverzichtbare Einnahmequelle

Grundsteuerreform in Deutschland

Grundsteuer als unverzichtbare Einnahmequelle

Grundsteuerreform in Deutschland
Ca. 35 Mio. Grundstücke müssen in Deutschland neu berechnet werden. | © magele-picture - stock.adobe.com

Vorbemerkung

Die Gemeinden bestimmen nach dem Grundsteuergesetz, ob von dem in ihrem Gebiet liegenden Grundbesitz Grundsteuer zu erheben ist. Die Grundsteuer ist als reine Gemeindesteuer seit der preußischen Realsteuerreform über Jahrhunderte eine der wichtigsten Einnahmequellen der Gemeinden. Das Gesamtaufkommen an dieser Steuerart betrug im Jahr 2016 im Bundesgebiet rd. 14 Mrd. €.[1]

Nach dem Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts (Urt. v. 10.04.2018 – 1 BvL 11/14)[2], in dem die Vorschriften zur Einheitsbewertung für die Bemessung der Grundsteuer in Deutschland für verfassungswidrig erklärt wurden, besteht die Notwendigkeit der Neuberechnung für rd. 35 Mio. Grundstücke in Deutschland. Dass aber an der Grundsteuerart künftig festgehalten wird, ergibt sich bereits aus dem Koalitionsvertrag „Ein neuer Aufbruch für Europa – Eine neue Dynamik für Deutschland – Ein neuer Zusammenhalt für unser Land“ zwischen CDU, CSU und SPD, in dem festgeschrieben wurde, dass die kommunalen Steuerquellen gesichert werden und die Grundsteuer eine unverzichtbare Einnahmequelle der Kommunen darstellt.[3]

Nunmehr hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz auf der Finanzministerkonferenz Ende November 2018 Eckpunkte für die künftige Berechnung der Grundsteuer vorgestellt. Als Diskussionsgrundlage sollen zwei Modelle dienen, ein wertunabhängiges Modell, das sich mehr an Grundstücks- und Gebäudefläche orientiert, und ein wertabhängiges Modell, das sich am Wert der Grundstücke orientiert.


  1. Zum Bundesverfassungsgerichtsurteil

In Deutschland wird die Grundsteuer auf der Basis von Einheitswerten festgesetzt, die jedoch seit vielen Jahren nicht mehr aktualisiert wurden, sodass diese Grundlagen in den westdeutschen Bundesländern aus dem Jahr 1964 und den ostdeutschen Bundesländern aus dem Jahr 1935 stammen.

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist die Basis für die Berechnung der Grundsteuer nicht mehr realitätsgerecht, da die Werte in Großstädten und in Randlagen sich mittlerweile völlig auseinanderentwickelt hätten. Nach Aussage des Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts, vermag der Rückgriff auf Einheitswerte von 1964 den Verkehrswert der Grundstücke heute nicht mehr abzubilden, sondern verfehlt ihn generell und vollständig.[4]

Das Bundesverfassungsgericht hat geurteilt, dass die Regelungen des Bewertungsgesetzes zur Einheitsbewertung von Grundvermögen in den westdeutschen Bundesländern jedenfalls seit dem Beginn des Jahres 2002 mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des GG unvereinbar sind. Das Gericht hat bestimmt, dass der Gesetzgeber bis zum 31.12.2019 eine Neuregelung zu treffen hat, wobei die verfassungswidrigen Regeln bis zu diesem Zeitpunkt weiter angewandt werden dürfen. Nach Verkündung der Neuregelung hat die Verwaltung für die Umsetzung weitere fünf Jahre Zeit, längstens jedoch bis zum 31.12.2024.[5]

  1. Ländermodelle

Da das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber einen weiten Spielraum für eine Neugestaltung eingeräumt hat, ist nun die Frage, ob die Grundbesteuerung weiterhin auf Grundstückswerten basieren soll oder von einem alternativen Modell abgelöst werden könnte. In den vergangenen Jahren haben die unterschiedlichen Bundesländer bzw. eingesetzte Arbeitsgruppen bereits Reformvorschläge für die Grundsteuer ausgearbeitet.

So sah ein Anfang des Jahres 2004 vorgelegtes Reformmodell, der sog. Nomenklaturvorschlag, neben einem Wegfall der Grundsteuer A für land- und forstwirtschaftliche Nutzflächen eine Wertermittlung vor, die sowohl einen Ansatz für den Grund und Boden als auch für das Gebäude zum Gegenstand hatte. Dabei sollte der Bodenwert auf Grundlage der Bodenrichtwerte ermittelt werden, der Gebäudewert sollte in Abhängigkeit von Wohn- und Nutzfläche mit nach Gebäudegruppen differenzierten Festwerten angesetzt werden.

Anfang des Jahres 2010 wurden die drei Reformmodelle, ein wertunabhängiges Modell, ein Kombinationsmodell und ein Verkehrswertmodell vorgelegt, wobei ein Konsens nach den Untersuchungen der Modelle im Jahr 2014 scheiterte. Während beim wertunabhängigen Modell die Grundstücks- und Gebäudeflächen mit pauschalen Werten pro m² zugrunde gelegt werden sollten, sollten beim Kombinationsmodell die Grundstücksflächen mit dem Bodenrichtwert und die Gebäudeflächen mit pauschalem Wert pro qm und beim Verkehrswertmodell die Grundstücke einschl. der darauf stehenden Gebäude mit dem Verkehrswert bewertet werden.

Beim Reformvorschlag der Länder im Herbst des Jahres 2016, der vom Bundesrat abgesegnet wurde, sollte der Grund und Boden auf der Basis der sog. Bodenrichtwerte und die Gebäude nach dem sog. Kostenwert, der den im Gebäude verkörperten Investitionsaufwand abbilden soll, ermittelt werden.[6] Alle diese Ansätze der Bundesländer, eine möglichst einfach strukturierte Bemessungsgrundlage zu schaffen, scheiterten bzw. wurden nicht weiter behandelt.

  1. Bodensteuermodell

Um die Grundsteuer künftig ohne eine unverhältnismäßig aufwändige und zeitraubende Gebäudebewertung zu erheben, wird von der Initiative „Grundsteuer zeitgemäß“ ein Bodensteuermodell vorgeschlagen, das vom Institut der deutschen Wirtschaft, vom Naturschutzbund Deutschland und dem Deutschen Mieterbund unterstützt wird. Da bei diesem Modell die Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer die Bodenrichtwerte wären, könnte in wenigen Jahren die Umsetzung dieses Vorschlages erfolgen. Dieser Reformvorschlag kann in ein reines und ein kombiniertes Bodensteuermodell unterteilt werden. Während beim reinen Bodensteuermodell allein die Grundstücksfläche mit dem Bodenrichtwert bewertet werden soll, erfolgt beim kombinierten Bodensteuermodell die Bewertung mit einer Kombination aus Bodenrichtwert und einem Festbetrag.[7] Nach Auffassung des Instituts der deutschen Wirtschaft hätte eine Bodensteuer stark positive Effekte auf den Boden- und Wohnungsmarkt, da sie sich neutral gegenüber Investitionen verhält, die Spekulationen verteuern und somit Anreize zum Bauen schaffen würde. Somit würde dieses Modell die Planungsziele der Kommunen stärken, anstatt sie zu konterkarieren und über das steigende Wohnraumangebot auch eine dämpfende Wirkung auf Bodenpreise und Mieten haben.[8]

  1. Kommunale Spitzenverbände

Der Deutsche Städtetag fordert nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts die zügige Schaffung einer neuen gesetzlichen Grundlage für die Grundsteuer, wobei das Ländermodell aus dem Herbst des Jahres 2016 eine geeignete Grundlage für die Reform darstelle, die sich für die einzelnen Grundsteuerzahler zwar unterschiedlich auswirke, aber zu mehr Steuergerechtigkeit führe.[9]

Der Deutsche Landkreistag hatte sich bereits im Herbst des Jahres 2016 für eine konsequente Überarbeitung des bestehenden Systems der Grundstücksbewertung ausgesprochen und will dem Reformvorschlag der Länder folgen, da das Ländermodell insgesamt gesehen gerecht sei, in gewissem Maße länderspezifische Anpassungen ermögliche und mit kommunalindividuellen Hebesätzen zu richtigen Ergebnissen führe. Der kommunale Spitzenverband fordert nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine zügige Reformierung der Grundsteuer auf der Grundlage des Ländermodells.[10]

Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund bezeichnet den im Herbst des Jahres 2016 vom Bundesrat mehrheitlich beschlossenen Gesetzesentwurf als guten und richtigen Ansatz, da dieser eine Kombination aus Bodenwert und pauschaliertem Gebäudewert als neue Berechnungsgrundlage enthalte.[11]

  1. Künftiges Grundsteuermodell

Im o. g. Koalitionsvertrag (siehe Vorbemerkung) wurde festgeschrieben, dass die Grundsteuer als unverzichtbare Einnahmequelle der Kommunen unter Beachtung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, der Sicherung des derzeitigen Aufkommens sowie unter Beibehaltung des kommunalen Hebesatzrechtes neu geregelt wird. Außerdem wurde vereinbart, dass durch die Schaffung einer Grundsteuer C für die Gemeinden die Möglichkeit eröffnet werden soll, die Verfügbarmachung von bebaubaren Grundstücken für Wohnbauzwecke zu verbessern.[12] Bereits im Frühjahr 2018 ließen die Regierungsvertreter im Finanzausschuss des Bundes durchblicken, dass der Bund an einer Grundsteuer festhalte, die Boden und Gebäude einbeziehe, sodass wohl keine Chance auf das Reformmodell einer Bodenwertsteuer bestehe.[13]

Das von Bundesfinanzminister Olaf Scholz Ende November 2018 vorgestellte wertunabhängige Modell sieht ein zweistufiges Besteuerungsverfahren vor, bei dem das Produkt aus Flächenbezugsgröße und nutzungsartabhängigen Äquivalenzzahlen die Ausgangsgröße für die Anwendung der Grundsteuerhebesätze durch die Kommunen sein soll. Beim wertabhängigen Modell, das offensichtlich vom Bundesfinanzminister favorisiert wird, sind Daten zur tatsächlich vereinbarten Nettokaltmiete, zur Wohn-/Nutzfläche, zum Baujahr, zur Grundstücksfläche und zum Bodenrichtwert erforderlich. Die Grundlagendaten zu Art, Wert und Zurechnung des Grundstücks sollen die Wohnungs- und Hauseigentümer erstmals in einer Steuererklärung bis Ende 2019 abgeben.[14] Auf der Finanzministerkonferenz im Januar 2019 könnte bereits die Entscheidung für eines dieser Modelle fallen.

 

[1]           Statistisches Bundesamt.

[2]           Bundesverfassungsgericht.

[3]           Koalitionsvertrag der 19. Legislaturperiode, S. 117.

[4]           Handelsblatt.

[5]           Bundesverfassungsgericht.

[6]           Grundsteuer: Zeitgemäß! Ein bundesweiter Aufruf zur Grundsteuerreform.

[7]           Institut der Wirtschaft.

[8]           Interview Alexandra Endres vom 10.04.2018 mit Ralph Henger auf Zeit Online.

[9]           Deutscher Städtetag.

[10]         Deutscher Landkreistag.

[11]         Deutscher Städte- und Gemeindebund, Pressemitteilung Nr. 11-2018 vom 10.04.2018.

[12]         Koalitionsvertrag der 19. Legislaturperiode, S. 117.

[13]         Der Neue Kämmerer.

[14]         David Böcking, Scholz-Konzept für die Grundsteuer, Spiegelonline.

 

Dr. Michael Grimberg

Dozent für Öffentliche Finanzwirtschaft und Betriebswirtschaft, Hochschule Harz, Fachbereich Verwaltungswissenschaften, Ostbevern

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